Eliud Kipchoge plant in London neuen Angriff auf die zwei Stunden

Eliud Kipchoge plant in London neuen Angriff auf die zwei Stunden

| Text: Jörg Wenig & Christian Ermert | Fotos: Nike/Pim Rinkes (5), imago images/Camera4 (1)

Eliud Kipchoge wird ein zweites Mal versuchen, die Zwei-Stunden-Barriere im Marathon zu durchbrechen, der er vor zwei Jahren in 2:00:25 Stunden schon sehr nahe gekommen ist. In London soll nächsten Herbst die Barriere fallen. Und hier liest du, was den Weltrekordler in Sachen Equipment und Ernährung so stark macht.

Auch wenn er ein Berlin-Shirt trug, als wir ihn in Berlin zum Interview trafen: Eliud Kipchoge wird in London und nicht in der deutschen Hauptstadt zum zweiten Mal versuchen, die Zwei-Stunden-Barriere im Marathon zu durchbrechen. Der 34-jährige Kenianer startet voraussichtlich Ende September oder in der ersten Oktober-Hälfte, nachdem er in einem von seinem Ausrüster Nike organisierten Rennen auf dem Formel-1-Rennkurs in Monza vor zwei Jahren bereits eine Zeit von 2:00:25 Stunden erreicht hatte. Auch der neue Versuch, über den verschiedene britische Medien berichten, wird offenbar unter irregulären Bedingungen geplant, so dass die Zeit nicht als Weltrekord anerkannt werden könnte. Und hier liest du, was den Weltrekordler in Sachen Equipment und Ernährung so stark macht, dass er es diesmal schaffen kann.

Statt Berlin-Marathon: Breaking Two reloaded in London

Damit steht auch fest, dass Eliud Kipchoge nicht beim BMW Berlin-Marathon am 29. September starten wird. Bei dem Rennen hatte der Kenianer im vergangenen Jahr den Weltrekord auf 2:01:39 Stunden verbessert. Im nächsten Jahr will Eliud Kipchoge bei den Olympischen Spielen in Tokio zum zweiten Mal in Folge die Marathon-Goldmedaille gewinnen.

„Eine zweite Chance zu bekommen, die Zwei-Stunden-Barriere zu durchbrechen, ist außergewöhnlich aufregend. Ich sage immer, dass es kein Limit gibt und ich weiß, dass es für mich möglich ist, diese Barriere zu durchbrechen“, erklärte Eliud Kipchoge in einer Pressemitteilung des britischen Chemie-Unternehmens „Ineos“, das das geplante Rennen finanziert und mit organisiert. „Ineos“ hatte vor kurzem mit einem anderen Engagement im Sport auf sich aufmerksam gemacht: Das Unternehmen hat das britische Rad-Team Sky übernommen.

„Ich habe bei meinem ersten Versuch viel gelernt und glaube wirklich, dass ich 26 Sekunden schneller laufen kann als vor zwei Jahren in Monza. Ich will der Welt zeigen, dass alles möglich ist, wenn du dich auf ein Ziel konzentrierst, hart arbeitest und an dich glaubst“, erklärte Eliud Kipchoge.

Hinter den Tempomachern statt vor der Konkurrenz

Wie in Monza vor zwei Jahren ist auch beim zweiten Versuch geplant, mit ständig wechselnden Tempomachern zu arbeiten. Damit ist eine Anerkennung eines Weltrekordes nicht möglich. Hierfür dürften vom Start weg maximal drei Tempomacher eingesetzt werden, die auch nicht zwischendurch pausieren dürfen. Außerdem, so berichtet der „Guardian“, soll eine überdimensionale Zeit-Anzeigetafel vor den Läufern fahren, um auch einen Windschutz zu bieten.

Organisatorisch wird die „Ineos 1:59 Challenge“ offenbar auch von den Veranstaltern des London-Marathons unterstützt. Das Rennen hatte Eliud Kipchoge vor acht Tagen mit einer Streckenrekordzeit von 2:02:37 Stunden gewonnen. Es war der zwölfte Sieg im 13. Marathonlauf für Eliud Kipchoge. Wie der „Guardian“ berichtet, soll der 13. Oktober der Wunschtermin für die Zeitjagd sein.

Demnach könnte der Lauf im Londoner Battersea Park auf einem nur wenige Kilometer langen Rundkurs stattfinden. Allerdings wird es wohl ein Zeitfenster von bis zu drei Sonntagen geben, um bei den bestmöglichen Wetterbedingungen zu starten. Ob man diese in London allerdings erwischen kann, ist Glückssache. Das Wetterrisiko wird sich nicht ausschalten lassen

Eliud Kipchoge und sein Coach Patrick Sang im Gespräch über die Zukunft des Laufens

Die Zwei-Stunden-Marke ist das letzte große, ja das einzige Ziel, das dem 34-Jährigen noch bleibt. Alles andere hat er bereits erreicht. Viermal gewann er den London-Marathon, dreimal in Berlin. 2016 wurde er Olympiasieger in Rio. Bei 13 Marathons stand er am Start, zwölf davon hat er gewonnen. Dass er mal Zweiter wurde, ist mittlerweile fast sechs Jahre her. 2013 musste er sich in Berlin seinem Landsmann Wilson Kipsang geschlagen geben.

Obwohl er bereits 2003 als Weltmeister über 5000 Meter seinen ersten ganz großen Erfolg feierte und seitdem auf höchstem Niveau läuft, fühlt er sich kein bisschen müde. Sein Erfolgsrezept? „Ich sage mir, dass jeder Tag ein neuer Tag ist. Ich versuche einfach, die ganzen Jahre zu vergessen und in die Zukunft zu schauen.“

So will er auch die große, vermeintliche Barriere der zwei Stunden überwinden. „Dieses Ziel sorgt dafür, dass ich hungrig bleibe“, sagt Eliud Kipchoge im Interview mit laufen.de. Aber es ist nicht nur der eigene Legendenstatus, der ihn antreibt, immer weiter zu laufen. „Ich liebe den Sport. Ich will mehr Menschen zum Laufen motivieren und zeigen, dass keinem Menschen Grenzen gesetzt sind.“

Ganz wichtig ist ihm dabei der Teamgedanke. Seinen nächsten Versuch wird Eliud Kipchoge nicht ohne seine beiden Partner unternehmen, die seit Monza maßgeblich an seinem Erfolg beteiligt sind: Sein Ausrüster Nike und ein schwedischer Hersteller von Wettkampfnahrung, der in den vergangenen zwei Jahren für Furore gesorgt hat: Maurten. Neben seinem Coach Patrick Sang, den Kipchoge schon kennt, seitdem seine Mutter den späteren Coach im heimischen Kapsabet als Kindergärtnerin betreut hat, war deshalb auch Olof Sköld von Maurten bei einer Podiumsdiskussion in Berlin dabei, in der es um die Zukunfts des Laufens ging.

Vaporfly: Nikes Breaking Two- und Weltrekordschuh wird immer weiter entwickelt

Der US-Sportartikelhersteller Nike steuert für jedes Rennen Eliud Kipchoges Schuhe bei, die für ihn maßgeschneidert sind. Im Rahmen des Projektes „Breaking Two“ wurde 2017 das erste Modell der Vaporfly-Serie entwickelt. Bahnbrechend war damals die Verwendung einer ultrasteifen Carbon-Einlage und des neu entwickelten ZoomX-Schaums in der Mittelsohle.

Damit ist Nike ein Schuh gelungen, mit dem man so effektiv und gleichzeitig komfortabel läuft, dass Top-Läufer bis zu vier Prozent weniger Energie für das gleiche Lauftempo aufwenden müssen. Das wurde wissenschaftlich belegt. Im Nike Zoom Vaporfly 4% Flyknit knackte Eliud Kipchoge den Weltrekord beim BMW Berlin-Marathon.

Zum London-Marathon erhielt er einen neuen Schuh aus der Serie, der ab Sommer für alle Läufer im Handel verfügbar sein wird. Der Vaporfly Next% wurde mit einem neuen Obermaterial ausgestattet, das weniger Wasser aufnimmt als beim Vorgänger. Der Schuh bleibt also auch bei nassen Bedingungen leicht. Und noch mehr ZoomX-Material in der Zwischensohle sorgt für noch bessere Dämpfung und Energierückgabe, ohne dass der Schuh schwerer geworden wäre.

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So versorgen sich die Top-Athleten mit Energie für einen ganzen Marathon

Mindestens genauso innovativ wie Nike mit den Vaporfly-Modellen ist aber auch Kipchoges anderer Partner. Seit Monza schwört der Kenianer im Rennen auf die Energie-Gels des schwedischen Start-ups Maurten. Vieles spricht dafür, dass den Skandinaviern einer der größten Fortschritte in der Entwicklung von Energiespendern gelungen ist, seit im Ausdauersport spezielle Kohlenhydratmischungen verwendet werden, um die Leistung gerade im Marathon zu verbessern.

„Es ist jetzt möglich, die kompletten 42,195 Kilometer zu laufen, ohne einen Mangeln an Kohlenhydraten zu erleben“, erklärt Paul Schmidt. Der erfolgreiche Marathonläufer betreut als Arzt die deutsche Leichtathletik-Nationalmannschaft und kümmert sich dabei auch um die Wettkampfverpflegung der Top-Athleten. Theoretisch sei es zwar auch mit anderen Produkten möglich, während eines Marathons so viele Kohlenhydrate zuzuführen, dass der Organismus nicht auf den mühsameren Weg der Energiegewinnung aus Fetten umsteigen muss und der Läufer den „Mann mit dem Hammer“ kennenlernt. „Aber die Mischung aus Maltodextrin, Fructose und Natrium sorgt unter Belastung oft zu Magenproblemen, wenn sie in der Konzentration zugeführt wird, mit der die Aufnahme von zwei Gramm Kohlenhydraten pro Kilogramm Körpergewicht in einer Stunde realisiert wird“, sagt Paul Schmidt. Und so viele Kohlenhydrate braucht ein Marathonläufer, wenn er ein Defizit vermeiden will.

Bei Maurten hat man die Lösung dafür ausgetüftelt. Ihre Gels enthalten nicht nur die Kohlenhydrate in der idealen Kombination, sondern auch pflanzliche Stoffe, die dafür sorgen, dass die Kohlenhydrate durch den Magen rutschen und erst im Dünndarm ihre Wirkung entfalten und ins Blut gehen. Denn der Magen kann kaum Kohlenhydrate resorbieren. Der Läufer bemerkt ihre Anwesenheit dort aber schnell durch leichte Übelkeit. Die Verdauung der Kohlenhydrate findet im Dünndarm statt und davon bemerkt der Läufer dann nichts mehr.

„Hydrogel“ genannte Substanzen sorgen dafür, dass die Kohlenhydrate quasi unerkannt den Magen passieren. Das Hydrogel entsteht dabei erst, wenn das Energiegel im Magen ankommt. Die Magensäure sorgt dafür, dass aus den beiden pflanzlichen Stoffen Alginat – extrahiert aus den Zellwänden des braunen Seetangs – und Pektin – wie man es in Äpfeln, Zitronen, Karotten und Tomaten findet – die Substanz entsteht, die die Kohlenhydrate einkapselt. Sobald das Gel vom sehr sauren Magen in den Darm wechselt, wo neutrale bis leicht alkalische pH-Werte herrschen, löst es sich auf, die Kohlenhydrate gelangen als Glucose ins Blut und geben schnelle Energie fürs Laufen.

Lauflegenden als erste Kunden: Zunächst Kenenisa Bekele in Berlin, dann Kipchoge in Monza

Und diesen Mechanismus nutzt auch Eliud Kipchoge – fast schon seit es das Produkt gibt. Obwohl Maurten erst im Frühjahr 2017 damit auf den Markt kam, wurde es zuvor schon von Top-Athleten getestet. „Nach der ersten Idee, so etwas zu entwickeln, haben wir zusammen mit Forschern und Universitäten ausgetüftelt, wie sich so ein Produkt herstellen lässt“, erinnert sich Olof Sköld, CEO und Mitbegründer von Maurten. „Als wir die Lösung hatten, haben wir von den Bemühungen gelesen, den ersten Marathon unter zwei Stunden zu laufen. Damals arbeitete ja auch ein Team um den Äthiopier Kenenisa Bekele an diesem Projekt. Wir haben die Leute kontaktiert und sie zeigten Interesse an unserem Produkt.“

Der erste Top-Athlet, der es im Wettkampf ausprobiert hat, war also der äthiopische Laufstar, der die Weltrekorde über 5000 und 10.000 Meter hält und 2016 in Abwesenheit von Eliud Kipchoge den BMW Berlin-Marathon gewonnen hat. In diesem Rennen hat er sich mit Maurten um zweieinhalb Minuten verbessert. Auf 2:03:13 Stunden. „Danach sind dann jede Menge Läufer neugierig geworden“, erinnert sich Olof Sköld.

Unter denen war auch Eliud Kipchoge. Der Kenianer und sein Team waren begeistert und Maurten wurde eingesetzt, um die optimale Energieversorgung beim Rennen in Monza zu gewährleisten. Seitdem wurden 19 der jüngsten Rennen zur World Marathon Majors-Serie in Berlin, Chicago, New York, Tokio, Boston und London von Athleten gewonnen, die Maurten-Produkte im Rennen nutzten. Und Eliud Kipchoge schwört auf die Produkte. „Mit einem belasteten Magen kannst du nicht schnell laufen. Mit Maurten nimmt man die Kohlenhydrate auf, ohne etwas im Magen zu spüren“, sagt er.

Seit Frühjahr 2017 sind die Produkte weltweit via Online-Shop verfügbar. „Wir sind die einzigen, die über diese Technik verfügen und haben sie uns patentieren lassen“, sagt Olof Sköld und ist sichtbar stolz. „Die Produktion ist sehr komplex, jedes unserer Präparate wird in Dänemark hergestellt, weil es bisher nur dort die entsprechenden Kapazitäten gibt.“ Das erklärt auch den verhältnismäßig hohen Preis der Gels und Drinks von Maurten. 3,21 Euro kostet ein Gel, andere hochwertige Produkte sind schon für unter zwei Euro zu haben. Der Umsatz der Firma wächst jedes Jahr um mehr als 400 Prozent. Ihr größtes Problem ist, so viele Produkte herzustellen, dass die Nachfrage befriedigt werden kann. Und die wird wohl kaum nachlassen, so lange der beste Marathonläufer der Welt mit diesen Energiebomben so schnell läuft.