Alina Reh: Wird aus EM-Platz vier noch Bronze?

Alina Reh: Wird aus EM-Platz vier noch Bronze?

| Text: Christian Ermert, Jörg Wenig | Fotos: Imago

Alina Reh ist mit einem tollen 10.000-Meter-Rennen auf Rang vier bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin gelaufen. Und aus dem vierten Platz kann noch Bronze werden, weil die Drittplatzierte Schwierigkeiten mit den Dopingkontrollen hatte.

Alina Reh hat bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin mit einem ausgezeichneten vierten Platz im 10.000-Meter-Finale den Anschluss an die kontinentale Spitze über diese Distanz gefunden. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass die Schwäbin vom SSV Ulm 1846 bald auf Rang drei vorrückt und damit noch die Bronzemedaille erhält. Denn die im Olympiastadion drittplatzierte Schwedin Meraf Bahta hat zuletzt gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen, indem sie dreimal nicht korrekt angegeben hat, wo sie für Dopingtests anzutreffen ist.

Top-Leichtathleten sind verpflichtet, für die Doping-Kontrolleure immer erreichbar zu sein, indem sie angeben, wo sie sich aufhalten. Wie die schwedische Zeitung Aftonbladet berichtet hat die 5000-Meter-Europameisterin dies dreimal nicht den Regeln entsprechend getan. Drei solcher sogenannter „Missed Tests“ können eine Dopingsperre nach sich ziehen, dabei werden allerdings auch die Umstände bewertet, unter denen dies erfolgte, sodass eine Sperre nicht zwingend erfolgt.

Im Fall der 29 Jahre alten Schwedin soll die Entscheidung darüber nächste Woche fallen. Im Fall einer Sperre würde ihr die in Berlin gewonnene Medaille aberkannt und Alina Reh würde auf den Bronzerang vorrücken. Die 21-jährige Läuferin erfuhr davon erst nach ihrem couragierten Rennen von Journalisten in den Katakomben des Olympiastadions: „Es wäre sehr traurig, wenn das so kommen würden. Denn der große Moment der Siegerehrung wäre mir genommen worden.“

Doch auch als EM-Vierte bewies Alina Reh in ihrem erst zweiten Rennen über die 25-Runden-Distanz, dass mit ihr in der Zukunft über die Langstrecken zu rechnen ist. Im sicherlich besten Rennen ihrer jungen Karriere arbeitete sich Alina Reh in der Schlussphase immer dichter an die Medaillenränge heran. Ihr vierter Platz in 32:28,48 Minuten in einem Hitzerennen ist sehr beachtlich.

„Es war anfangs etwas schwierig, die Nerven zu behalten, mein Tempo zu laufen und nicht mit der Spitze mitzugehen. Ich bin ja eigentlich eine Frontläuferin“, sagte die Schwäbin, die sich erst im Frühsommer von ihrem bereits dritten Ermüdungsbruch erholt hatte. Zweimal Mittelfuß, einmal Wadenbein – eine schwierige Bilanz für eine 21-Jährige. „Bei Frauen kommt das öfter vor. Das liegt an ihrer hormonellen Situation, ich muss jetzt zusammen mit meinen Ärzten schauen, wie das prophylaktisch in den Griff zu bekommen ist“, erklärte sie.

In Berlin war sie aber topfit und lief die ersten Kilometer unauffällig im vorderen Drittel des großen Feldes und arbeitete sich dann Platz für Platz nach vorn. Sie profitierte auch von zahlreichen Ausstiegen und Einbrüchen ihrer Konkurrentinnen, die mit der Hitze nicht so gut klarkamen. Darunter auch die stark eingeschätzten Ancuta Bobocel (Rumänien) sowie die Portugiesinnen Sara Moreira und Ines Monteiro.

Im Ziel dachte sie zunächst, sie seit Fünfte. Erst später erfuhr sie, dass eine ukrainische Läuferin das Rennen eine Runde zu früh beendet hatte. „Bei 25 Runden hat man viel zu zählen, für manche war das wohl bei der Wärme zu viel“, kommentierte sie das und gab zu, dass sie in dem weit auseinandergezogenen Feld auch nie so genau wusste, auf welchem Platz sie eigentlich lag. Ab fünf Kilometer hat sie allein ihre Runde gedreht. „Aber das kann ich ja“, spielte sie auf ihr Training auf der Schwäbischen Alb an, das sie auch meist allein bei ihrem Trainer Jürgen Austin-Kerl absolviert.

Besser als Alina Reh waren bei Europameisterschaften über 10.000 m überhaupt nur zwei deutsche Läuferinnen: 1986, als die Frauen erstmals über diese Langstrecke bei der EM starteten, wurde Ulrike Bruns Dritte, vier Jahre später gewann Kathrin Ullrich die Silbermedaille.

Im Gegensatz zu den DDR-Läuferinnen geht Alina Reh im heimischen Laichingen noch einem ganz normalen Job nach: Sie arbeitet im Supermarkt ihrer Mutter in der Obst- und Gemüseabteilung, denkt aber darüber nach in einen anderen Bereich zu wechseln. „Mich sprechen ständig Kunden aufs Laufen an, aber eigentlich will ich doch bei der Arbeit ein bisschen Abstand zum Sport gewinnen.“

Die dominierende Läuferin des 10.000-Meter-Finals war eine ehemalige Kenianerin, die seit gut zwei Jahren für Israel startet: Lonah Chemtai Salpeter siegte in guten 31:43,29 Minuten und gewann damit die erste EM-Medaille für Israel in dieser Disziplin und ihren ersten großen Titel. Die einzige gebürtige Europäerin, die in diesem Endlauf eine Medaille gewinnen konnte, kam aus den Niederlanden: Susan Krumins wurde 31:52,55 Zweite vor der aus Eritrea stammenden Schwedin Meraf Bahta, die nach 32:19,34 im Ziel war. Hinter Alina Reh belegte die aus Kenia stammende Titelverteidigerin Yasemin Can (Türkei) in 32:34,34 Rang fünf.

Besonders toll findet es Alina Reh nicht, dass so viele eingebürgerte Afrikanerin bei der EM am Start waren. „Das ist schon ein bisschen unfair. Es ist ja eine EM und keine WM. Aber ich stehe an der Startlinie, weil Laufen meine Leidenschaft ist. Und was die anderen Verbände machen, kann ich ja nicht beeinflussen.“