Coach Canova traut Arne Gabius noch mehr zu

| Jörg Wenig I Foto: photorun.net
Arne Gabius hat den Frankfurt-Marathon mit dem deutschen Rekord von 2:08:33 Stunden gekrönt. Womöglich verschenkte er mit Absicht eine noch stärkere Zei

Arne Gabius hat den Frankfurt-Marathon am Sonntag mit dem neuen deutschen Rekord von 2:08:33 Stunden (Foto) gekrönt. Womöglich verschenkte er wissentlich eine noch stärkere Zeit. Für Gabius und seinen Trainingsberater Renato Canova war eine mutige erste Hälfte als Test für kommende große Rennen wichtiger als ein moderateres Anfangstempo.

Das Wort von Renato Canova hat Gewicht im internationalen Laufsport. Der Italiener ist einer der erfolgreichsten und angesehensten Langstrecken-Trainer der Welt. Canova betreut Stars wie zum Beispiel den Äthiopier Kenenisa Bekele und unterstützt eine Reihe von Läufern bei der Trainingsplanung, darunter auch Arne Gabius und die Zwillinge Anna und Lisa Hahner. Der 34 Jahre alte Stuttgarter sorgte am Sonntag beim Frankfurt-Marathon für Furore, weil er den 27 Jahre alten deutschen Marathonrekord um 14 Sekunden unterbot. Der Dresdner Jörg Peter war 1988 in Tokio 2:08:47 Stunden gelaufen, Arne Gabius kam am Main nach 2:08:33 ins Ziel. Damit etablierte sich der neue deutsche Rekordhalter auch als schnellster europäischer Marathonläufer dieses Jahres.

Ein solcher Erfolg, an den in Deutschland über zwei Jahrzehnte nicht zu denken war, weckt Hoffnungen. Und laut Renato Canova sind diese berechtigt. „Ich glaube, er kann sich noch weiter steigern und bei den Olympischen Spielen im kommenden Jahr eine sehr gute Platzierung erreichen“, sagte der Italiener, nachdem er das Rennen von Arne Gabius in Frankfurt verfolgt hatte. Mit Blick auf die Olympischen Spiele 2016 und die Weltmeisterschaften 2017 empfahl Renato Canova seinem Läufer in Frankfurt bewusst den schwereren Weg. Arne Gabius stimmte zu.

Frankfurt als Testlauf für Olympia

„Wir hatten zwei Möglichkeiten in diesem Rennen. Arne hätte mit eigenen Tempomachern die erste Hälfte in 64 Minuten laufen und dann versuchen können, unter 2:08 Stunden zu laufen. Wir entschieden uns für die zweite Variante: mit der Spitzengruppe mitlaufen und die erste Hälfte wesentlich schneller, in rund 63:30 Minuten, zu absolvieren. Arne ist bereits 34 Jahre alt und mit Blick auf die Olympischen Spiele 2016 und die Weltmeisterschaften 2017 hatte er die Chance, in Frankfurt zu lernen, wie es ist, in einer Spitzengruppe eines großen Rennens zu laufen und zu sehen, was dort passiert“, erklärte Renato Canova. „Es war hundert Prozent wichtiger, dass er das so gemacht hat und etwas gelernt hat anstatt am Ende schneller zu laufen in einem Rennen ohne richtigen Wettkampf.“

„Ich habe viel riskiert, aber doch gewonnen”, sagte Arne Gabius, der in der zweiten Rennhälfte extrem kämpfen musste, um den deutschen Rekord zu brechen. „Diese Erfahrung wird mich weiterbringen.“ Mit seiner neuen Bestzeit von 2:08:33 Stunden steht Arne Gabius schon jetzt im Hinblick auf die Olympischen Spiele sehr gut da. Denn „bereinigt“ man die Jahresweltbestenliste, die von Kenianern und Äthiopiern dominiert wird, dahingehend, dass jede Nation nur drei Starter nach Rio schicken kann, liegt Arne Gabius in einer solchen Jahresweltbestenliste auf Rang zwölf.

Bei Meisterschaftsrennen ist alles möglich

Im Hinblick darauf, dass große Meisterschaftsrennen in der Regel nicht schnell sondern taktisch gelaufen werden, sagt Arne Gabius: „Ich werde eine Chance haben bei den Olympischen Spielen. Es gab immer wieder Überraschungen bei großen Rennen ohne Tempomacher. „Der Amerikaner Meb Keflezighi wurde bei Olympia 2004 Zweiter und gewann sowohl den New York- als auch den Boston-Marathon, bei denen ohne Tempomacher gelaufen wird. Das zeigt, dass etwas möglich ist – und es sind diese Geschichten, die mich motivieren“, sagte Arne Gabius. Zu diesen Beispielen passt auch Stephan Freigang. Der Cottbuser gewann 1992 bei Olympia in Barcelona sensationell die Bronzemedaille.

„Mein Hintergrund als Bahn-Langstreckler könnte sehr hilfreich sein bei einem taktischen Rennen. Viele der superschnellen afrikanischen Marathonläufer können ohne Tempomacher gar nicht richtig laufen. Wenn ich in Rio im nächsten Jahr einen wirklich guten Tag erwische, ist vielleicht eine Top-10-Platzierung möglich – das wäre fantastisch“, sagte Arne Gabius. Renato Canova glaubt, dass die beste Meisterschaftschance für Arne Gabius in zwei Jahren bei den Weltmeisterschaften in London kommt: „Bis dahin ist er fünf oder sechs Marathonrennen gelaufen und ist taktisch noch versierter. Bei Olympia laufen wirklich die besten Afrikaner, aber das ist bei Weltmeisterschaften nicht immer der Fall. Und die taktischen Meisterschaftsrennen sind etwas ganz anderes als die City-Marathonläufe mit Tempomachern.“