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Neue Erkenntnisse
Deshalb leben wir länger und gesünder, wenn wir laufen

Unser Verhalten reguliert unsere Gene. Diese wissenschaftliche Erkenntnis erklärt, warum Laufen so wertvoll für alle ist, die gesund alt werden wollen. Aber du kannst noch mehr tun.

Wie sehr beeinflusst unser Lebensstil wie alt wir werden? Und: Welche Rolle spielen dabei sogenannte Lebensstilfaktoren wie zum Beispiel Sport oder Rauchen? Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen haben Wissenschaftler aus Boston die Ergebnisse mehrerer Großstudien analysiert. Herausgekommen sind dabei fünf Faktoren, die entscheidend dafür sind, dass man lange und gesund lebt.

14 Jahre älter werden Frauen, die sich an die Top 5 halten. Bei Männern sind es immerhin zwölf Jahre. Es lohnt sich also!

Diesen Gewinn an Lebenserwartung haben Wissenschaftler aus Boston errechnet

Die Top 5 für ein langes und gesundes Leben

  • nicht Rauchen
  • regelmäßiger Sport
  • gesunde Ernährung
  • Übergewicht vermeiden
  • gar kein oder nur wenig Alkohol

Dass Rauchen schädlich ist und in Maßen betriebener Sport gesund, ist natürlich keine atemberaubende Erkenntnis. Und dass unsere Gene und unsere Umwelt, Ererbtes und eigene Lebensweise maßgeblichen Einfluss auf Gesundheit und Lebenserwartung haben, ist lange bekannt. Doch die Mechanismen, über die Lebensstilfaktoren wie zum Beispiel regelmäßiges Laufen ihre positive Wirkung auf Gesundheit und Alterungsprozesse entfalten, beginnen wir erst zu verstehen, seit die junge Wissenschaft der Epigenetik („Übergenetik“) erforscht, wie unsere Gene reguliert werden. Vereinfacht gesagt, geht es bei der Epigenetik darum, wie Gene ein- oder ausgeschaltet werden. Oder, noch präziser: darum, wie die Aktivität von Genen gedrosselt oder hochgefahren wird.

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Nichts schadet der Gesundheit mehr als Rauchen. Kein Sport kann das kompensieren

Der mit Abstand wichtigste lebensverlängernde Lebensstilfaktor heißt: „Nicht Rauchen!“ Nichts schadet der Gesundheit so sehr und verkürzt das Leben so extrem wie das Rauchen. Neben den direkten Organschäden und den unschönen Folgen für Knochen und Gelenke sind mittlerweile dramatische epigenetische Wirkungen nachgewiesen: so zum Beispiel das Abschalten von Krebsschutzgenen. Klar ist mittlerweile auch: Sport – egal welcher – kann die Negativwirkungen des Rauchens in keiner Weise kompensieren. Jede Zigarette ist eine zuviel.

Etwa ebenso relevant wie Sport ist eine gesunde Ernährung, eng verknüpft mit der Vermeidung von starkem Übergewicht. Dabei geht es nicht nur um die erhöhte Gelenkbelastung, sondern auch um die Reduzierung von Eingeweidefett. Das lagert sich in und um die Organe der Bauchhöhle ein und schüttet entzündungsfördernde Botenstoffe aus, die mit einer Reihe schwerwiegender Krankheiten in Verbindung stehen. Die individuell geeignete, gesunde, Übergewicht vermeidende Ernährung ist wohl der am schwierigsten einzuhaltende Top-5-Lebenstilfaktor – es gibt einfach keine eindeutige Antwort darauf, was und wieviel man wovon essen darf. Darüber hinaus soll es schmackhaft und bekömmlich sein. Und die unzähligen Ernährungshypes führen meist eher in die Irre, als dass sie den Weg zu einer optimalen Ernährung weisen. Eine grobe Orientierung könnte so aussehen: Eine pflanzlich dominierte Ernährung ergänzt durch hochwertige Lebensmittel tierischer Natur – alles regionaler Provenienz – ist eine gesunde Basiskost. Alles Weitere ist individuelles Feintuning.

Alkohol in Maßen genießen

Mit etwas Abstand auf Platz 5 steht der Alkohol. Hier gilt die Paracelsus-Weisheit: „Die Dosis macht das Gift“. Dass Alkohol und Sport nicht unbedingt zusammenpassen, ist kein Geheimnis. Doch bestätigen die Studien, dass in diesem Punkt nicht die „Null-Toleranz“ wie beim Rauchen gilt. Wenngleich im unmittelbaren sportlichen Umfeld Verzicht geübt werden sollte, gehen nach gegenwärtigem Kenntnisstand von einem gelegentlich maßvollen Alkoholgenuss keine nachhaltigen gesundheitlichen oder lebensverkürzenden Wirkungen aus. Eine Tagesdosis von 20 Gramm Alkohol für Männer (1 großes Bier oder ¼ Liter Wein) und 10 Gramm für Frauen (1 kleines Bier, 1/8 Liter Wein) an maximal fünf Tagen pro Woche gelten als unbedenklich. Natürlich darf es auch ein bisschen weniger oder gar kein Alkohol sein.

Die „Top 5“ zu erfüllen und damit zumindest statistisch gesehen mehr als ein Jahrzehnt älter zu werden, ist also gar nicht so schwer: Als Feierabendjogger oder Maß haltender Marathoni bist du schon gut dabei. Wenn du dann noch das Rauchen lässt, nicht zu viel Junkfood und Süßigkeiten isst und aus dem Feierabendbier nicht regelmäßig zwei werden, hast du allerbeste Aussichten auf ein langes, gesundes Läuferleben.

So können unsere Gene durch unser Verhalten an- und ausgeschaltet werden

Biochemisch passiert Folgendes, wenn deine Aktivitäten dafür sorgen, dass deine Gene stark oder weniger stark wirken: Bestimmte chemische Moleküle, die als kleine Anhängsel an die Erbsubstanz DNA angedockt sind, können die Gene deaktivieren oder freigeben. Und was diese kleinen Anhängsel nun tun – drosseln oder hochfahren – wird maßgeblich durch unsere Lebensweise bestimmt.

Wir alle machen die Erfahrung, dass mit dem Älterwerden die Muskulatur etwas schlaffer wird und die Leistungsfähigkeit nachlässt. Nur: Wann man diese Erfahrung macht, ist schon sehr unterschiedlich. Warum ist der eine mit 50 „steinalt“, die andere mit 75 „fit wie Turnschuh“? Irgendwie ist es ja – zumindest unter Läufern – Konsens, dass Laufen jung hält. Was genau auf der Ebene der Gene passiert, wenn die Muskeln schwinden und der Atem kürzer wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Doch schon jetzt hat die Epigenetik für diese Phänomene einige aufschlussreiche Dinge herausgefunden.

Mit Sport lassen sich Gene umtrainieren, die für das Körperfett zuständig sind

Ein für das Altern unserer Zellen entscheidend verantwortlicher Faktor ist die Verkürzung der sogenannten „Telomere“. Darunter versteht man eine Art Schutzkappe an den Enden unserer DNA. Vergleichbar den beiden Buchdeckeln, die den geistigen Inhalt eines literarischen Werkes vor Beschädigung bewahren, schützen die Telomere die in unserer DNA als Gene gespeicherte Information. Und so wie Buchdeckel sich abnutzen, werden auch diese Telomer-Protektoren mit jeder Zellteilung im Laufe des Lebens immer kürzer. Bevor sie ganz aufgebraucht sind und den Genen Beschädigung droht, wird über ein Notfallprogramm die Zellteilung eingestellt oder sogar der Zelltod eingeleitet.

Gewebe in diesem Zustand erneuert sich nicht mehr und kann seine Funktion nicht mehr so wie in jungen Jahren erfüllen – es altert und mit ihm der dazugehörige Mensch. Die gute Nachricht ist: Laufen wirkt dem entgegen. Denn offenbar werden durch das regelmäßige Training jene Gene epigenetisch aktiviert, die zu einer verstärkten Herstellung des Enzyms Telomerase führen. Dieses Enzym „repariert“ die Telomer-Protektoren, arbeitet also deren Verkürzung entgegen, sodass die altersbedingte Einstellung der Zellteilung erst später erfolgt. Die Funktion und Regenerationsfähigkeit der Zellen bleibt länger erhalten.

Doch damit nicht genug. Laufen im Speziellen und Sport im Allgemeinen haben auch noch weitere, positive epigenetische Wirkungen auf unsere Gesundheit und den Alterungsprozess. Einen Großteil dieser Erkenntnisse verdanken wir den schwedischen Molekularbiologinnen Maléne Lindholm und Charlotte Ling. In unterschiedlichen Trainingsstudien wiesen sie nach, dass sich das Muster der epigenetischen Anhängsel mehrerer bekannter Gene durch regelmäßiges Training verändert. Mit anderen Worten: Durch Sport werden bestimmte Gene aktiver, andere werden gedrosselt.

Und diese Veränderungen im Verhalten der Gene gingen mit charakteristischen Umstellungen im Zellstoffwechsel einher: Trainierte Muskeln wurden leistungsfähiger und belastbarer; in nicht trainierten Muskeln blieben dagegen sowohl die epigenetischen Veränderungen als auch die Stoffwechselanpassungen aus. Auch in den Fettzellen tat sich Entscheidendes: Bei den sportlich Aktiven wurden Gene umprogrammiert, die für die Körperfettspeicherung verantwortlich sind. Bereits nach wenigen Wochen moderatem Ausdauertraining waren Gene, die für eine erhöhte Fetteinlagerung sorgen und damit die Entwicklung von Übergewicht und Diabetes forcieren, epigenetisch „abgeschaltet“. Laufen hält dich also nicht nur dadurch schlank, dass du jede Menge Kalorien verbrauchst. Sondern auch, indem es die Fetteinlagerung durch genetische Umprogrammierung stoppt. Und dafür musst du kein Marathoni sein: Die Wissenschaftlerinnen fanden heraus, dass schon mehrere 20-minütige Trainingseinheiten pro Woche reichen, um diesen Prozess zu initiieren.

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Laufen ist auch für die Gelenke ein Anti-Aging-Programm

Neben all diesen neuen Erkenntnissen verlieren die bekannten, positiven Wirkungen von Sport und Laufen nichts von Ihrer Bedeutung: Die Senkung von Blutdruck, Blutzucker- und Cholesterinspiegel zum Schutz von Herz und Blutgefäßen, die von Experten „Vaskularisierung“ genannte Gefäßneubildung zur Verbesserung der Nähr- und Sauerstoffversorgung aller Organe, die Stärkung des Immunsystems (sofern man nicht übertreibt), die verbesserte Wärmeregulation und nicht zuletzt die Gelenkgesundheit.

Tatsächlich entwickeln sogar Marathonläufer nur halb so oft eine Arthrose (Gelenkverschleiß) wie Inaktive. Das haben an der Thomas-Jefferson-Universität in Philadelphia ausgewertete Langzeituntersuchungen gezeigt. Das klingt erstaunlich, kommt für Mediziner aber nicht unerwartet. Bewegung ist der entscheidende Faktor, um Nährstoffe über die Gelenkschmiere in den stoßdämpfenden Gelenkknorpel einzumassieren. Ohne regelmäßige Bewegung „verhungert“ der Knorpel regelrecht und nutzt sich ab, bis die Knochen aufeinanderreiben. Das tut richtig weh und fördert die Immobilität. Wer sich dann noch weniger bewegt, verliert Muskelmasse. Und dieser Prozess trägt zum Alterungsprozess bei und ist eine der Hauptursachen für Gebrechlichkeit. Moderates Laufen wirkt also einer Arthrose entgegen und ist damit Anti-Aging für Gelenke und Muskeln.