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Die Kaffee-Kontroverse: Ist Kaffee vor dem Sport gesund?
Kein Getränk ist in Deutschland so beliebt wie Kaffee. Auch vor dem Sport verlassen sich viele auf den Energizer. Dennoch kommt die Frage auf, ob Kaffee gesund ist. Alle wichtigen Infos gibt's hier.
Mal ist er pechschwarz, mal trägt er ein weißes Krönchen aus Milchschaum. Im Sommer trinken wir ihn kalt und mit Strohhalm und im Winter können wir uns am heißen Becher die Hände aufwärmen. Und ganz wichtig: Es gibt ihn an jeder Ecke! Die Rede ist vom Lieblingsgetränk der Deutschen: Kaffee. Durchschnittlich trinken wir pro Tag drei bis vier Tassen des aromatischen Gebräus. Die Präferenzen könnten dabei nicht unterschiedlicher sein. Vom Americano über Flat White oder Frappuccino ist alles dabei.
Trotzdem gilt besonders in der Lauf-Community: Egal wie du deinen Kaffee trinkst, Hauptsache du trinkst ihn reichlich! Umfragen zufolge geben bis zu 89 Prozent der Teilnehmenden von sportlichen Ausdauerevents an, vor dem Sport Kaffee konsumiert zu haben. Egal ob am frühen Morgen vor einem langen Lauf oder nach einem anstrengenden Workout zur Belohnung, viele entwickeln ein Kaffeeritual rund ums Training. Doch steckt mehr als reiner Genuss dahinter? Und wie viel bringt Kaffee vor dem Sport wirklich?

Kaffee als Droge? Das Kaffeeverbot im Spitzensport
Kaffee und Sport haben eine turbulente Beziehung, denn die beiden verbindet ein gutes Stück Sportgeschichte. Ganze 20 Jahre lang war es verboten Kaffee vor dem Sport, genauer gesagt vor Events im Spitzensport zu konsumieren. Noch bis 2004 war Koffein von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) als verbotene Substanz gelistet, weil nicht genug über die Wirkungsweise bekannt war. Dabei beauftragte niemand weniger als Dichter Johann Wolfgang von Goethe schon 1819 den Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge mit der Erforschung der Kaffeebohne.
Für die WADA war der Effekt von Kaffee zum Zeitpunkt des Verbots 1984 noch nicht hinreichend erforscht und so landete es zusammen mit synthetischen Doping-Mitteln auf der Liste der verbotenen Substanzen. Mittlerweile wissen wir viel mehr über die genaue Wirkungsweise von Koffein. Deshalb dürfen Athletinnen und Athleten auch vor dem Wettkampf wieder genüsslich eine Tasse trinken, ohne sich vor einem sportlichen Ausschluss zu fürchten. Und das Milchschaumhäubchen: Kaffee scheint sich positiv auf Leistungen im Ausdauersport auszuwirken!
Das passiert, wenn du Kaffee trinkst
Koffein löst bei Menschen unterschiedlich starke körperliche Reaktionen aus. Die meisten beschreiben, sich nach einer Tasse Kaffee wacher zu fühlen. Allerdings gibt es auch Personen, die nach dem Konsum von Kaffee an Nervosität, Schweißausbrüchen oder Schlaflosigkeit leiden. Doch woran liegt das?
Seine Funktion als Wachmacher verdankt Koffein seiner molekularen Form und einem bestimmten „neuronalen Trick-Betrug*. Jede unserer Aktivitäten wird aus der menschlichen Steuerzentrale, dem Gehirn koordiniert. Dabei spielen Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, eine entscheidende Rolle. Sie übermitteln elektrische Reize wie kleine Briefträger von einer Nervenzelle zur anderen und sorgen so dafür, dass das Signal an der richtigen Stelle ankommt. Koffein selbst ist zwar kein solcher Botenstoff, sieht aber strukturell dem Neurotransmitter Adenosin zum Verwechseln ähnlich. Adenosin wird immer dann ausgeschüttet, wenn dem Nervensystem die Überanstrengung droht. Eine hohe Adenosin-Konzentration führt zum Abfall des Blutdrucks und der Verlangsamung der Herzfrequenz. Der Botenstoff hat also eine beruhigende Wirkung auf den Körper. Während einer intensiven Sporteinheit zum Beispiel kann mehr Adenosin ausgeschüttet werden, um den Körper wieder herunter zu regulieren
Hier kommt das Koffein ins Spiel. Wenn Koffein die Adenosin-Rezeptoren belegt hat, kann der Neurotransmitter seine beruhigende Wirkung nicht mehr entfalten. Das Ergebnis: Der Körper bleibt länger auf zack. Somit hat Koffein keine eigene Wirkung, es blockiert stattdessen als „Antagonist“ die Wirkung anderer Stoffe im Gehirn. Dennoch ist Koffein keine Droge. Denn um diese Leistungssteigerung überhaupt zu erreichen, müssen drei Faktoren beachtet werden.

1. Die richtige Dosierung vor dem Sport
Die meisten Studien zeigen, dass eine Koffein-Dosis von drei bis sechs Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht vor dem Sport den größten Benefit für die athletische Leistung bringen. Ab einer Schwelle von circa neun mg/kg Körpergewicht überwiegen dann meist Nebenwirkungen. Wie viel Koffein du wirklich brauchst, um eine Leistungssteigerung zu erzielen hängt von der persönlichen Genetik ab und davon wie regelmäßig du Kaffee trinkst. Manche Menschen reagieren ihr Leben lang sensibler auf Koffein und merken auch mit einer geringen Dosis einen großen Unterschied, andere bauen den Stoff sehr schnell wieder ab. Bei Frauen haben außerdem die unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklus einen Einfluss auf die Absorbierung von Koffein.
Die optimale Dosierung gestaltet sich in der Praxis als schwierig. Gehen wir von der geringsten Dosis für einen 60 Kilogramm schweren Menschen aus, bräuchte dieser schon 180 Milligramm Koffein, um davon beim Training oder Wettkampf zu profitieren. Eine durchschnittliche Tasse Kaffee, von etwa 240 Millilitern enthält in der Regel 60 bis 120 Milligramm Koffein. Abhängig ist das vor allem vom Mahlgrad und der Zubereitung. Es bräuchte also bei vielen Variationen des Getränks -besonders wenn sie mit Milch getrunken werden- eine größere Menge, um mit Kaffee vor dem Sport überhaupt in den Idealbereich zu kommen. Deswegen setzen viele Top-Athletinnen und -Athleten mittlerweile auf Koffein-Tabletten, Kaugummis, Pre-Workout Pulver oder Gele, deren exakter Koffeingehalt messbar ist.

2. Der richtige Zeitpunkt
Durchschnittlich erreicht Koffein nach 30 bis 60 Minuten seine höchste Konzentration. Deshalb wird empfohlen Kaffee mindestens eine halbe Stunde vor dem Sport zu konsumieren. Danach baut sich die Substanz unterschiedlich schnell ab. Bei manchen Menschen dauert es nur eineinhalb, bei anderen bis zu neuneinhalb Stunden. Besonders interessant für Läuferinnen und Läufer über Langdistanzen: Einige Studien zeigen, dass die Kombination mit komplexen Kohlenhydraten die Freisetzung von Koffein verlangsamen und damit zu längeren Effekten, ohne einen plötzlichen „Crash“ führen kann.
Auch nach dem Training ist Kaffee eine gute Idee. Besonders in Kombination mit Kuchen! Koffein hat nämlich eine positive Auswirkung auf die Glykogen Re-Synthese. Nachdem die Glykogen-, also Energiespeicher in den Muskeln, im Gehirn und in den Organen währende des Sports geleert wurden, müssen sie wieder aufgefüllt werden. Besonders schnell werden dabei einfache Kohlenhydrate absorbiert. Der Kaffee kann den Prozess der Glykogen-Bildung bis zu 66% beschleunigen und potenziell die Recovery-Zeit verkürzen. Eine solche optimierte Glykogen Re-Synthese soll auch muskuläre Schäden vorbeugen können. Allerdings ist die Faktenlage dazu noch nicht ausgereift.
3. Die persönliche Veranlagung
Lange Zeit hielt sich das hartnäckige Gerücht Kaffee sei schlecht fürs Herz und sollte nur mit Vorsicht genossen werden. Heute wissen wir aus einer 2024 im European Heart Journal veröffentlichten Langzeitstudie, dass vor allem der Zeitpunkt des Konsums wichtig ist. Personen, die ihren Kaffee vorrangig morgens und vormittags trinken, haben sogar ein um 31 Prozent geringeres Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erkranken als Nicht-Kaffeetrinker. Eine Studie der Harvard University aus diesem Jahr zeigt, dass auch die Zubereitung einen erheblichen Unterschied für die Gesundheit macht. Als besonders gesund hat sich der klassische Filterkaffee herausgestellt.
Dennoch verengt Koffein die Blutgefäße leicht, wodurch die Durchblutung erhöht wird. Für Menschen, die zu hohem Blutdruck neigen, ist Kaffee als Leistungs-Booster deshalb nicht geeignet. Dasselbe gilt für Menschen mit sensiblem Darm. Der Magen-Darm-Trakt wird beim Laufen bereits stark beansprucht. Kaffee regt die Verdauung weiter an, indem er die Produktion von Magensäure fördert. Und beim Laufen Sodbrennen zu bekommen ist wirklich das Letzte, was man sich wünscht.

Fazit: Wundermittel oder überbewertet?
Kaffee birgt für die durchschnittlich sportliche Person ein gewisses Potential zur Leistungssteigerung, jedenfalls für ein natürliches Ergänzungsmittel. Allerdings ist der Koffein Konsum in der Community so verbreitet, dass du dadurch nicht dein nächstes Rennen gewinnen wirst. Sorry! Stattdessen lohnt es sich aber vor und nach deinen Trainingseinheiten mit verschiedenen Varianten zu experimentieren und dabei den eigenen Körper zu beobachten. Mal ein starker, aromatischer Espresso vor einem schnellen Lauf oder ein leckeres Käffchen mit einem Schuss Milch nach dem langen Lauf mit Freunden. Vielleicht mit einem belegten Brot oder ab und zu einem Stück Kuchen dazu? Trau dich ruhig deine ganz individuelle Routine zu finden. Eins ist aber sicher: Kaffee ist aus der Lauf-Community nicht mehr wegzudenken.