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Laufabsagen
Die Laufszene in der Corona-Krise

| Text: Jörg Wenig/Christian Ermert | Fotos: SCC Events/Sportograf, imago images/Gora

Der sich ausbreitende Coronavirus hat zur Folge, dass in Deutschland immer mehr Laufveranstaltungen abgesagt oder verlegt werden müssen. Mit Haspa Marathon Hamburg und dem Generali Berliner Halbmarathon hat es jetzt auch die ersten großen internationalen Frühjahrsrennen in Deutschland getroffen.

Der Text wurde am 14. März aktualisiert.

Das sich ausbreitende Coronavirus hat zur Folge, dass immer mehr Laufveranstaltungen abgesagt oder verlegt werden müssen. Mit dem Haspa Marathon Hamburg und dem Generali Berliner Halbmarathon hat es jetzt auch die ersten großen internationalen Frühjahrsrennen in Deutschland getroffen. Nach Beschlüssen der Gesundheitsverwaltungen in Hamburg und Berlin dürfen zunächst bis zum 30. April (Hamburg) beziehungsweise 19. April (Berlin) keine Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern mehr stattfinden. In Berlin enden am 19. April die Osterferien. Der Halbmarathon sollte am 5. April stattfinden. Der Hamburg-Marathon war für den 19. April geplant. Zudem wurde der Wien-Marathon, der ebenfalls am 19. April stattfinden sollte, abgesagt. In den Herbst verschoben wurden unterdessen die World Marathon Majors-Läufe in London und Boston.

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London-Marathon auf den 4. Oktober verschoben

Auch der London-Marathon wird am 26. April nicht stattfinden. Nachdem in Großbritannien gestern eine Reihe von hochkarätigen Sportveranstaltungen abgesagt wurden - darunter alle Spiele der Premier League und das einzige zunächst noch angesetzte Rugby-Spiel im Six Nations-Turnier -, gaben die Veranstalter des Rennens am frühen Abend bekannt, dass sie den London-Marathon auf den 4. Oktober verschoben haben.
 
Damit hat der sich ausbreitende Coronavirus auch den hochkarätigsten City-Marathon des Jahres gestoppt. „Die Welt befindet sich in einer beispiellosen Situation, und die Gesundheit der Bevölkerung hat Priorität. Wir wissen, wie enttäuschend diese Nachricht für viele sein wird“, sagte Race-Direktor Hugh Brasher, der sich zugleich bei den beteiligten Institutionen bedankte, mit deren Unterstützung der Ersatztermin am 4. Oktober realisiert werden konnte. Der London-Marathon feiert in diesem Jahr sein 40. Jubiläum.
 
Inwieweit das Rennen spitzensportlich derart stark besetzt sein wird wie für den April-Termin geplant, erscheint allerdings fraglich. In erster Linie wird dies von den Olympischen Spielen abhängen, die im Sommer in Japan geplant sind. Sollte Olympia wie geplant über die Bühne gehen und nicht verschoben werden, was zurzeit nicht absehbar ist, dürfte es in London sicherlich nicht zum Duell der Superstars Eliud Kipchoge (Kenia) und Kenenisa Bekele (Äthiopien) kommen.
 
Für Olympiasieger Kipchoge ist es in diesem Jahr das große Ziel, die olympische Marathon-Goldmedaille zum zweiten Mal in Folge zu gewinnen. Bekele könnte Kipchoge entweder in Japan bei den Spielen herausfordern oder sich für eine erneute Weltrekordjagd über die 42,195-km-Distanz entscheiden. Entscheidet er sich für einen Rekordversuch wäre wohl eher der BMW Berlin-Marathon am 27. September die erste Wahl für den Äthiopier, der als erster Läufer der Leichtathletik-Geschichte die reelle Chance hat, die Weltrekorde über 5.000 m, 10.000 m und im Marathon gleichzeitig zu halten. Im vergangenen Jahr hat er in Berlin überrascht und mit einer Zeit von 2:01:41 Stunden den Weltrekord von Eliud Kipchoge um nur zwei Sekunden verpasst.

Auch der Boston-Marathon wird aller Voraussicht nach am 20. April nicht stattfinden. Damit stoppt die Coronavirus-Krise auch die bedeutendste Laufveranstaltung in Amerika in diesem Frühjahr. Das Rennen gehört zur World Marathon Majors-Serie (WMM). Während es vom Veranstalter noch keine offizielle Stellungnahme gibt und das Rennen für den 20. April noch nicht ab gesagt wurde, wird in den USA berichtet, dass offenbar versucht wird, den Lauf in den September zu verschieben. Dabei soll angeblich der traditionelle Montags-Termin beibehalten werden. Der Boston-Marathon würde in diesem Jahr zum 124. Mal stattfinden. Der Lauf ist noch nie ausgefallen. Selbst zu Kriegszeiten fand in Boston ein Marathon statt.

Nachdem am vergangenen Sonntag noch der Halbmarathon in Den Haag mit über 40.000 Anmeldungen stattgefunden hatte, haben die Veranstalter des Rotterdam-Marathons inzwischen bekannt gegeben, dass ihr Rennen am 5. April nicht stattfinden wird. Die Holländer wollen den Traditions-Marathon zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Jahr nachholen.

Bereits abgesagt ist auch der Freiburg-Marathon, in dessen Rahmen am 29. März die Deutschen Halbmarathon-Meisterschaften geplant waren. Verschoben wird der Paderborner Osterlauf, der für den 11. April terminiert war. Die Veranstalter bemühen sich zurzeit darum, ein neues Datum in diesem Jahr anbieten zu können. Ausfallen werden auch der Prag-Halbmarathon am 28. März und der Istanbul-Marathon am 5. April. Das Rennen in der Türkei soll am 20. September nachgeholt werden, die Tschechen suchen noch nach einem Ersatztermin. Auch in den USA gab es die erste Absage eines großen internationalen Lauf-Events: Der New York-Halbmarathon, der am Sonntag (15. März) stattfinden sollte, fällt aus.

Noch nicht klar ist, wie es mit den Läufen Ende April aussieht: Am 26. April steht der hochkarätigste Frühjahrs-Marathon in London auf dem Programm. Am gleichen Tag sind in Deutschland die Marathonläufe in Hannover und Düsseldorf geplant. Allerdings gehen große Teile der Laufszene aktuell davon aus, dass sich die Situation im April kaum verbessern dürfte, sodass noch mehr Absagen und Verschiebungen zu erwarten sind.

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Was bedeuten die Absagen für die Startgelder der Teilnehmer?

Wenn eine Laufveranstaltung abgesagt werden muss, nachdem sie von den Behörden verboten worden ist, bestehen für die Teilnehmer nur geringe Chancen, ihr Startgeld zurückzuerhalten. Die meisten Veranstaltungen führen in ihren Teilnahmebedingungen Klauseln, mit denen die Rückerstattung der Teilnehmergebühren für den Fall geregelt ist, dass der Ausfall des Events nicht vom Veranstalter zu vertreten ist. Bei den meisten Events wird die Rückerstattung der Startgelder ausgeschlossen. Gerade in der aktuellen Corona-Krise halten wir diese Regelungen für angemessen, denn die massenweise Rückerstattung bezahlter Startgelder würde Veranstaltungen, die bereit hohe Kosten für die Organisation des Events hatten, wohl in Existenznöte treiben. Wir halten den Verzicht auf die Rückerstattung gezahlter Startgelder darüber hinaus auch für korrekt, weil so jeder einzelne einen Beitrag zur Eindämmung der Coronakrise leisten kann, ohne dass die Laufszene bleibende Schäden davon tragen muss.

Ausreiseverbot für kenianische Läufer

Inzwischen wurde bekannt, dass der kenianische Leichtathletik-Verband seine Topläufer bis auf weiteres nicht mehr für internationale Rennen freigibt. Sie sollen nicht mehr aus dem Land ausreisen, die Manager werden aufgefordert entsprechende Buchungen zu stornieren. Dies gilt auch für Betreuer und Trainer. Die Regelung gilt bis auf weiteres, soll aber zumindest einen Monat Bestand haben.

Der Hamburg-Marathon bestätigte die Absage für den 19. April auf seiner Webseite und erklärte dabei, dass nach einem Ersatz-Termin gesucht wird. Das Rennen könnte also in diesem Jahr noch stattfinden - entweder später im Frühjahr oder im Herbst. Die Hamburger nahmen wie folgt Stellung zur aktuellen Situation: „Die Hamburger Gesundheitsbehörde hat heute per offizieller Pressemeldung angekündigt, sämtliche Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern bis einschließlich 30. April zu untersagen. Damit ist es offiziell, dass der 35. Haspa Marathon Hamburg nicht, wie geplant, am 19. April 2020 stattfinden wird. Gleiches gilt entsprechend für Das Zehntel am 18. April. Dies bedeutet allerdings keine finale Absage der Veranstaltung. Wir bemühen uns derzeit mit Nachdruck um einen alternativen Veranstaltungstermin in 2020 und stehen dazu mit sämtlichen relevanten Stellen der Stadt im Austausch.“ Beim Hamburg-Marathon wollten eine Reihe von nationalen und internationalen Topathleten die internationalen Normen für die Olympischen Spiele in Japan unterbieten.

Die Veranstalter des Berliner Halbmarathons haben ihr Rennen nach dem Beschluss der Gesundheitsverwaltung noch nicht offiziell abgesagt. Allerdings ist dies offenbar nur noch eine Formsache. Auf ihrer Webseite gaben die Berliner bekannt: „Die heutige Information (11. März, 12:30 Uhr) der Berliner Gesundheitsverwaltung, Großveranstaltungen ab 1.000 Personen bis zum Ende der Osterferien zu untersagen, wird nach Aussage der dort verantwortlichen Personen nun zunächst mit den zuständigen Bezirksbehörden abgestimmt, um eine Rechtssicherheit bezüglich einer Absage herzustellen. Wir stehen weiterhin in engem Kontakt zu den Behörden und werden nach Erhalt eines amtlichen Schreibens entsprechend reagieren und informieren.“ Möglich wäre theoretisch auch eine Verlegung des Rennens auf einen späteren Termin.

Über 28.000 Läufer hatten im vergangenen Jahr beim Berliner Halbmarathon das Ziel erreicht. Damit gehört das Rennen zu den größten Läufen der Welt über diese Distanz. Spitzensportlich ist der Berliner Halbmarathon das hochklassigste Rennen über die „halbe Distanz“ in Deutschland.

Wien-Absage trifft Arne Gabius

Die Absage des Vienna City Marathons trifft auch den deutschen Rekordhalter Arne Gabius (Verein Therapie Reha Bottwartal/2:08:33), der sich bei dem Rennen für den olympischen Marathon im Sommer in Japan qualifizieren wollte. In Wien plante zudem die derzeit schnellste deutsche Marathonläuferin, Melat Kejeta (Laufteam Kassel), zu starten. Sie war in Berlin im vergangenen Jahr 2:23:57 gelaufen.

In einer Mitteilung auf der Webseite des Vienna City Marathon heißt es: "Wir waren zerrissen in den letzten Tagen. Bis zuletzt wollten wir den 37. Vienna City Marathon (VCM) unbedingt durchführen und haben euch das auch gesagt. Eure Rückmeldungen dazu haben uns gestärkt. Dennoch haben wir gemerkt, wie sich die Situation verändert hat. Europa ist in einer Ausnahmesituation. In Österreich und mehreren anderen Ländern wurden weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 gesetzt. Wir haben mit voller Kraft eine Veranstaltung geplant, deren Realisierung immer mehr in Frage gestanden ist. Es ist dies die vielleicht schwerste Mitteilung, die wir in Zusammenhang mit dem VCM je machen mussten. Doch es ist, was es ist. Der Vienna City Marathon 2020 wird nicht stattfinden.“

„Wir bedauern es außerordentlich für alle Hobbyläufer, für alle Topathleten und für alle unsere Mitarbeiter, die sich seit Monaten mit großem Einsatz auf die Veranstaltung vorbereitet haben. Im Licht einer länderübergreifend bestehenden Gesundheitskrise sowie aus Verantwortung gegenüber allen Läuferinnen und Läufern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der gesamten Bevölkerung können wir nicht anders, als von einer Durchführung des VCM abzusehen“, sagt Veranstalter Wolfgang Konrad.