EM Spezial: So liefen die Marathonrennen in Berlin

EM Spezial: So liefen die Marathonrennen in Berlin

| Text: Jörg Wenig | Fotos: BEM 2018/Getty Images, Norbert Wilhelmi, Imago

Bei den Europameisterschaften in Berlin gingen die Goldmedaillen im Marathon an den Belgier Koen Naert und an Volha Mazuronak aus Weißrussland. Der norwegische Europa-Rekordler Sondre Moen und der vermeintlich stärkste deutsche Läufer Philipp Pflieger kamen nicht ins Ziel.

Bei den Europameisterschaften in Berlin gingen die Goldmedaillen im Marathon an den Belgier Koen Naert und an Volha Mazuronak aus Weißrussland. Der norwegische Europa-Rekordler Sondre Moen und der vermeintlich stärkste deutsche Läufer Philipp Pflieger kamen nicht ins Ziel.

Der Belgier Koen Naert hat überraschend den Marathon bei den Europameisterschaften in Berlin gewonnen. Der 28-Jährige gehörte nicht zu den großen Favoriten, setzte sich aber in einem Hitzerennen mit 2:09:51 Stunden klar durch. Damit stellte Koen Naert sogar einen Europameisterschafts-Rekord auf. Die Silbermedaille gewann der Schweizer Tadesse Abraham mit 2:11:24, Dritter wurde Yassine Rachik (Italien) in 2:12:09. Als Vierter erreichte der Spanier Javier Guerra nach 2:12:22 das Ziel an der Kaiser Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in der westlichen Innenstadt. Bei dem sehr warmem Wetter in Berlin mit Temperaturen von über 20 Grad im Schatten gab es auch in der deutschen Reihenfolge eine Überraschung: Schnellster nationale Läufer war Tom Gröschel (TC Fiko Rostock), der einen sehr guten elften Platz in 2:15:48 belegte.

Unter zahlreichen Läufern, die bei den schweren Bedingungen nicht ins Ziel kamen, waren auch der norwegische Europa-Rekordler Sondre Moen und der vermeintlich stärkste deutsche Läufer Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg).

In der Europacup-Teamwertung - hier werden die Zeiten der jeweils drei besten Läufer eines Landes zusammengerechnet - siegte Italien vor Spanien. Die Bronzemedaille ging überraschend an das Team aus Österreich, das die Schweizer auf Platz vier verwies. Deutschlands Mannschaft belegte Rang sieben und platzierte sich damit im Mittelfeld.

Philipp Pflieger steigt mit Sprunggelenk-Problemen aus

Unter den Top-Ten waren am Sonntag Vormittag überraschend auch zwei Österreicher: Der aus Äthiopien stammende Lemawork Ketema lief lange Zeit ganz vorne mit und wurde schließlich Achter mit 2:13:22. Nur zwei Plätze hinter ihm wurde Peter Herzog in 2:15:29 Zehnter. Zusammen mit Christian Steinhammer (Platz 41 in 2:20:40) reichte das für die Team-Bronzemedaille.

Nach dem Ausfall von Philipp Pflieger war eine vordere Team-Platzierung für die deutsche Mannschaft nicht mehr möglich. Längere Zeit war er mit einem nicht allzu großen Abstand hinter den führenden Athleten gelaufen. Während die Spitzengruppe den Halbmarathonpunkt nach 65:54 Minuten erreichte, lag Pflieger zu diesem Zeitpunkt als bester Deutscher auf Platz 21 mit einer Zwischenzeit von 66:40. Doch rund zehn Kilometer vor dem Ziel ging er aus dem Rennen.

Hinterher begründete er das auf Instagram mit Probleme am linken Sprunggelenk und der Achillessehne, die bereits zwei Wochen vor der EM latent aufgetreten waren. „Ich hatte die Hoffnung, dass ich das Rennen damit noch durchstehe. Das war aber leider nicht der Fall." Ab Kilometer 15 sei das Sprunggelenk „schon ziemlich fest" gewesen. Von da an habe die die Achillessehne begonnen zu schmerzen. „Irgendwann hat sich das ganze linke Bein nur noch steif angefühlt und bei Kilometer 33 musste ich schweren Herzens das Rennen beenden."

Philipp Pflieger war begeistert von der der Stimmung an der Strecke und traurig, den Zuschauer keine Top-Leistung bieten zu können. „Einfach bitter, aber die Stimmung war der absolute Wahnsinn und hat mich lange getragen. So etwas habe ich noch nie erlebt."

Auch wenn Philipp Pflieger sein Tempo bei 30 Kilometer hätte weiterlaufen können, wäre er nicht unbedingt als bester Deutscher ins Ziel gekommen. Denn Tom Gröschel lief ein ausgezeichnetes Rennen und hatte den Abstand auf seinen nationalen Konkurrenten bei 31 km bereits auf 30 Sekunden reduziert. Wie schon bei seinem überraschenden Sieg bei den Deutschen Meisterschaften in Düsseldorf hat sich Tom Gröschel das Rennen sehr gut eingeteilt und in der zweiten Hälfte viele Plätze gut gemacht.

Lag er bei Kilometer 25 noch auf Platz 30 war er bei 30 km bereits 20. Weitere fünf Kilometer später passierte er die 35-km-Marke auf Rang 13. Der elfte EM-Platz im zweiten Marathon seiner Karriere ist eine sehr starke Leistung, die Hoffnung macht für die Zukunft. „Ich bin total zufrieden, es war die richtige Taktik. Auf der Startliste war ich unter den Top-30 mit meiner Zeit von Düsseldorf, nun bin ich Elfter! Das ist ein Riesenergebnis für mich“, sagte Tom Gröschel. „Mit der Zeit habe ich mich beim DLV für die Nominierung bedankt, weil ich gezeigt habe, dass ich es draufhabe.“

Jonas Koller (LG Telis Finanz Regensburg/Platz 28 in 2:19:16), Sebastian Reinwand (ART Düsseldorf/Platz 33 in 2:19:46) und Philipp Baar (ART Düsseldorf/Platz 38 in 2:19:59) blieben im Rahmen der Erwartungen. Als 46. war Marcus Schöfisch (lauftraining.com) nach 2:22:57 im Ziel, nachdem er im letzten Teil eingebrochen war.

Der Europameisterschafts-Marathon der Frauen endete mit einem Triumph der Favoritin: Volha Mazuronak (Weißrussland) gewann in einem bis zum Schluss spannenden und knappen Rennen die Goldmedaille. Dabei musste die 29-Jährige nicht nur gegen die Hitze und die Konkurrenz kämpfen sondern auch gegen ein zeitweiliges Nasenbluten im ersten Teil des Marathons. Kurz vor dem Ziel lief sie dann in der letzten Kurve zudem noch einige Meter in die falsche Richtung und verlor kurzzeitig wieder die Führung. Doch am Ende setzte sich Volha Mazuronak in 2:26:22 Stunden durch - angesichts des Wetters mit Schattentemperaturen von über 20 Grad Celsius ist dies eine gute Zeit.

Zweite wurde sensationell die Französin Clémence Calvin, die am Sonntag ihr Marathondebüt rannte und nur sechs Sekunden hinter der Siegerin in 2:26:28 Stunden das Ziel an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche erreichte. Bronze sicherte sich unerwartet die Tschechin Eva Vrabcová-Nyvltová, die mit 2:26:31 sogar einen nationalen Rekord aufstellte. Mit Maryna Damantsevich und Nastassia Ivanova folgten zwei weitere weißrussische Läuferinnen auf den Plätzen vier und fünf in 2:27:44 beziehungsweise 2:27:49 Stunden. Die Italienerin Sara Dossena wurde Sechste mit 2:27:53.

Überraschend war Fabienne Amrhein (MTG Mannheim) mit einem starken elften Rang in 2:33:44 Stunden die schnellste deutsche Läuferin beim EM-Marathon. Katharina Heinig (LG Eintracht Frankfurt) zeigte ebenso ein gutes Rennen und belegte Rang 16 mit 2:35:00 - einmal mehr wurde aber offensichtlich, dass sie keine Hitzeläuferin ist. Die dritte deutsche Läuferin im Rennen, Laura Hottenrott (TV Wattenscheid), hatte das Rennen bereits nach der 10-km-Marke aufgegeben. Aufgrund weiterer Ausfälle im Vorfeld war damit keine Team-Platzierung mehr möglich. Hierfür werden die besten drei Läuferinnen gewertet. Ein deutsches Trio hätte angesichts der guten Leistungen von Fabienne Amrhein und Katharina Heinig sehr gute Platzierungschancen gehabt. In dieser Marathon-Europacup-Wertung gewann Weißrussland vor Italien und Spanien.

Fabienne Amrhein, die erst vor knapp einem Jahr in Berlin ihr Marathondebüt gelaufen war und dabei eine Zeit von 2:34:14 Stunden erreicht hatte, lief ein mutiges Rennen. Die Deutsche Meisterin, die in Düsseldorf im April diesen Titel mit einer Steigerung auf 2:32:35 gewonnen hatte, lief am Sonntag lange Zeit in der Gruppe der Verfolgerinnen. Nach einer Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:15:35 Stunden konnte sie das Tempo in der deutlich wärmeren zweiten Hälfte zwar nicht mehr ganz halten, doch ihr elfter Platz im dritten Marathonrennen war beeindruckend und macht Hoffnung für die Zukunft.

„Der Plan ist aufgegangen, schnell anzulaufen. Ich hatte gehofft, eine gute Gruppe zu finden, weil es doch windig war. Das hat prima geklappt“, sagte die erst 25-jährige Fabienne Amrhein. „Der elfte Platz ist einfach super. Es hat Spaß gemacht, und die Stimmung war klasse. Bei 20 km habe ich mich gut gefühlt. Ich konnte noch rollen und Kräfte sparen. Zum Schluss habe ich alles gegeben. Mein Ziel vor dem Rennen war eine Top-20-Platzierung - wenn alles perfekt läuft, dann vielleicht ein zehnter Platz. Es ist bitter, dass Laura Hottenrott aufgeben musste. Wenn man nur zu dritt startet, ist das gefährlich für das Team.“

Ein solides Rennen lief auch Katharina Heinig. Die Tochter der früheren Weltklasseläuferin Katrin Dörre-Heinig und des Trainers Wolfgang Heinig musste allerdings relativ frühzeitig alleine laufen. Sie lag zeitweise nur rund eine halbe Minute hinter der Gruppe der Verfolgerinnen mit Fabienne Amrhein, erreichte diese jedoch nicht. „Ich bin schon happy, aber hätte gerne Fabienne noch erreicht. Es wurde total hart hinten raus. Die Stimmung war genial - im Ziel, an den Versorgungsständen, an vielen Stellen in der Stadt“, sagte Katharina Heinig. „Es war mein bestes Ergebnis bei einem Meisterschaftsrennen, aber ich bin einfach keine Hitzeläuferin.“