Nach dem Rennen in Enschede
Fast alles klar bei der deutschen Olympia-Qualifikation im Marathon

| von Jörg Wenig (Text) & Norbert Wilhelmi (Fotos)

Nach ihrem Sieg in Enschede wird Katharina Steinruck bei Olympia zusammen mit Melat Kejeta ein deutsches Duo bilden. Ob der dritte Startplatz an Debbie Schöneborn geht, ist noch nicht ganz sicher.

Keine Veränderungen bei der Verteilung der derzeitigen Startplätze, aber doch wesentlich mehr Klarheit brachte das Marathon-Eliterennen in Enschede am Sonntag bezüglich der deutschen Olympia-Qualifikation. Während bei den Männern nun neben Amanal Petros und Richard Ringer auch Hendrik Pfeiffer von einer Nominierung ausgehen kann, gibt es bei den Frauen noch ein kleines Fragezeichen. Wie schon vor dem Wochenende sind Melat Kejeta, Katharina Steinruck und Deborah Schöneborn weiterhin gesetzt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es im Mai bei einem der geplanten Eliterennen noch einen Qualifikationsversuch geben wird. Die große Gewinnerin des Enschede-Rennens war dabei natürlich Katharina Steinruck, die sich mit einer Steigerung auf 2:25:59 Stunden als Siegerin wieder auf Platz zwei in der Rangfolge der Olympia-Qualifikation schob.

Bei den Männern ist keiner mehr übrig, der in den nächsten Wochen noch laufen könnte und dem man zutrauen könnte, die Zeit von Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid/2:10:18) zu unterbieten. Der frühere deutsche Marathon-Rekordler Arne Gabius (Therapie Reha Bottwartal) hatte nach dem misslungenen Rennen in Siena erklärt, dass er keinen weiteren Versuch mehr starten wird. Zuvor hatte Philipp Pflieger (LT Haspa Marathon Hamburg) verletzungsbedingt seinen Startverzicht im Frühjahr bekannt gegeben. Ein Überraschungs-Coup hätte vielleicht Homiyu Tesfaye (TSV Pfungstadt) starten können. Doch nach einer durchaus vielversprechenden Straßenlauf-Episode wendet er sich wieder den Mittelstrecken zu und ist zurzeit weit weg von seinem ursprünglichen Leistungsvermögen.

Bei den Frauen muss man wohl tatsächlich noch das Ende des Qualifikationszeitraumes Ende Mai abwarten, um wirklich Klarheit zu haben. Sicher ist, dass weder Fabienne Königstein (MTG Mannheim) noch Anna oder Lisa Hahner (SCC Berlin) im Frühjahr Marathon laufen werden. Miriam Dattke ist verletzt ausgefallen und peilt den Olympiastart auf der Bahn ein. Übrig bleibt also nur Anja Scherl (beide LG Telis Finanz Regensburg). Es ist fünf Jahre her, dass sie sich in Hamburg sensationell um fast neun Minuten steigerte und mit 2:27:50 für Olympia in Rio de Janeiro qualifizierte. Im aktuellen Qualifikationszeitraum erreichte Anja Scherl bisher 2:28:25. Beim Marathon in Valencia im vergangenen Dezember kam sie nicht richtig ins Rennen und gab frühzeitig auf. Seitdem ist Anja Scherl nicht mehr gestartet. Startet sie im Mai in Kopenhagen, Mailand oder in Österreich einen Last-Minute-Versuch? „Wann und wo ich meinen nächsten Marathon laufe, steht im Moment noch nicht fest“, schrieb Anja Scherl auf Anfrage.

Ist Deborah Schöneborns Japan-Ticket noch in Gefahr?

Theoretisch wäre eine Zeit von unter 2:26:55 Stunden nötig, um Deborah Schöneborn (LG Nord Berlin) noch zu verdrängen. Die Berlinerin hat bereits einen nervenaufreibenden Marathon-Tag hinter sich, da sie in Enschede in der Folge einer Fußverletzung nicht starten konnte und das Rennen aus der Ferne verfolgte. „Ich habe den Live-Stream geschaut und dann immer auf die Zwischenzeiten gewartet. Das war viel schlimmer als wenn ich selber gelaufen wäre - ich hatte einen Puls von 200“, sagte Deborah Schöneborn. Lange Zeit lief neben Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt) auch Laura Hottenrott (PSV Grün-Weiß Kassel) ein Tempo für eine Zielzeit von unter 2:26:55. Am Ende verpasste Deborahs Zwillingsschwester Rabea Schöneborn diese Zeit nur um acht Sekunden. „Unser Ziel war es natürlich, dass wir beide bei Olympia starten können. Und Rabea hat es genauso verdient wie ich“, sagte Deborah Schöneborn, die das Geschehen nun weiter beobachten wird und notfalls auch selbst noch einmal an Start gehen würde: „Ich bin bereit, wenn ich noch laufen muss.“

Ist jemals eine Frau so dick angezogen einen so schnellen Marathon gelaufen?

So spekulierte Ex-Weltklasseläufer Steve Cram im englischen Kommentar des Livestreams aus Enschede über Katharina Steinruck

Zu stark für ihre Konkurrentinnen war Katharina Steinruck, die in Enschede zur deutschen „Olympia-Norm-Rekordlerin“ wurde. Gleich dreimal lief die Frankfurterin im Qualifikationszeitraum nun schon unter der Richtzeit von 2:29:30. Ihre Steigerung war keine Überraschung. Überraschend war nur, in welcher Kleidung sie zur neuen Bestzeit rannte: Dick eingepackt mit langer Tight, einem Langarm-Shirt und Handschuhen lief die Frankfurterin die komplette Strecke. Die britischen Kommentatoren des englischen Live-Streams, darunter der Ex-Weltklasseläufer Steve Cram, spekulierten sogar, ob jemals eine Frau so dick angezogen einen schnelleren Marathon gelaufen ist.

Alleine die Kleidung lässt Raum für weitere Verbesserungen. Traut sich Katharina Steinruck nun sogar zu, den Familien-Rekord ihrer Mutter Katrin Dörre-Heinig (2:24:35 Stunden) anzugreifen „Das ist ein schönes Ziel - und eine super Herausforderung“, antwortet Katharina Steinruck.

Topzeiten der deutschen Marathonläufer*innen in der Olympia-Qualifikationsphase

Die Qualifikationsphase begann im Januar 2019, wurde dann 2020 aufgrund der Corona-Pandemie von April bis September ausgesetzt und läuft noch bis Ende Mai 2021. Die internationalen Olympia-Normen stehen bei 2:11:30 (Männer) beziehungsweise 2:29:30 Stunden (Frauen). Maximal drei Läufer pro Nation können bei Olympia starten.

Männer

  • 2:07:18 Amanal Petros (TV Wattenscheid – Valencia/6.12.2020)
  • 2:08:49 Richard Ringer (LC Rehlingen – Siena/11.4.2021)
  • 2:10:18 Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid - Sevilla/23.2.2020)
  • 2:10:29 Petros (TV Wattenscheid – Valencia/1.12.2019)
  • 2:10:48 Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg – Dresden/21.3.2021)
  • 2:10:59 Ringer (LC Rehlingen – Valencia/6.12.2020)
  • 2:12:15 Philipp Pflieger (LT Haspa Marathon Hamburg – Valencia/6.12.2020)
  • 2:12:57 Arne Gabius (Therapie Reha Bottwartal - New York/3.11.2019)
  • 2:13:49 Tom Gröschel (TC Fiko Rostock – Düsseldorf/28.4.2019)
  • 2:14:25 Gabius (Therapie Reha Bottwartal - London/4.10.2020)
  • 2:14:29 Gabius (Therapie Reha Bottwartal - Hannover/7.4.2019)
  • 2:14:54 Jens Nerkamp (Laufteam Kassel – Berlin/29.9.2019)
  • 2:15:19 Pfeiffer (TV Wattenscheid – Köln/13.10.2019)
  • 2:16:09 Simon Stützel (LG Region Karlsruhe – Berlin/29.9.2019)

Frauen

  • 2:23:57 Melat Kejeta (Laufteam Kassel – Berlin/29.9.2019)
  • 2:25:59 Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt – Enschede/18.4.2021)
  • 2:26:55 Deborah Schöneborn (LG Nord Berlin – Valencia/6.12.2020)
  • 2:27:03 Rabea Schöneborn (LG Nord Berlin – Enschede/18.4.2021)
  • 2:27:26 Steinruck (Eintracht Frankfurt - Frankfurt/27.10.2019)
  • 2:28:02 Laura Hottenrott (PSV Grün-Weiß Kassel - Enschede/18.4.2021)
  • 2:28:25 Anja Scherl (LG Telis Finanz Regensburg – Sevilla/23.2.2020)
  • 2:28:42 R. Schöneborn (LG Nord Berlin - Valencia/6.12.2020)
  • 2:28:48 Steinruck (Eintracht Frankfurt – Osaka/26.1.2020)
  • 2:31:18 D. Schöneborn (LG Nord Berlin – Köln/13.10.2019)
  • 2:32:06 Anke Esser (TV Friesen Telgte – Chicago/13.10.2019)
  • 2:32:31 Scherl (LG Telis Finanz Regensburg – Hannover/7.4.2019)
  • 2:32:55 Scherl (LG Telis Finanz Regensburg – Düsseldorf/28.42019)
  • 2:35:33 Stefanie Doll (SV Kirchzarten - Berlin/29.9.2019)