Tapering: In der Ruhe liegt die Kraft

| Text: Redaktion laufen.de | Fotos: Thinkstock
In den letzten Tagen vor dem Rennen kannst du mit zu viel Training kaputt machen, was du in den Monaten zuvor aufgebaut hast. Hier liest du, worauf du in d

In den letzten Tagen vor dem Rennen kannst du mit zu viel Training kaputt machen, was du in den Monaten zuvor aufgebaut hast. Hier liest du, worauf du in der Rennwoche achten musst.

In der letzten Woche vor einem Rennen solltest du deinen Trainingsumfang deutlich reduzieren. Man spricht von der „Tapering-Phase“. Vor einem Marathon reduzierst du vier Wochen lang Stück für Stück deinen Trainingsumfang. Vor einem Halbmarathon oder Zehn-Kilometer-Rennen dauert diese Phase zwei Wochen. In jedem Fall vergrößern sich die Kohlenhydratspeicher in der Muskulatur, wenn du nach hartem Training einen Gang zurückschaltest. Der Körper erholt sich. Deine Psyche ist bereit, Großes zu leisten. Jedes harte Training kurz vor dem Wettkampf würde deine Leistung senken.

Auch die Ernährung in den letzten Tagen vor dem Start ist wichtig: Um mit ideal gefüllten Speichern am Start zu stehen, solltest du in den letzten Tagen vor dem Wettkampf deine Kohlenhydratzufuhr noch einmal erhöhen. Die traditionelle Pasta-Party im Vorfeld reicht aber nicht. Besser ist es, sich schon in der letzten Vorbereitungswoche um eine regelmäßige, erhöhte Kohlenhydratzufuhr zu kümmern. Carbo-Loading ist das Schlüsselwort. Darunter versteht man das gezielte Auffüllen der Kohlenhydratspeicher, bevorzugt durch Nudeln, Reis oder Kartoffeln. Volle Speicher in Muskeln und Leber ermöglichen lange Ausdauerbelastungen. Die einfachste Methode des Carbo-Loading ist die Kohlenhydrat-Diät: Hierbei handelt es sich um die simple Erhöhung der Kohlenhydratzufuhr im Vergleich zu Fetten und Eiweiß in den letzten drei Tagen vor einem wichtigen Wettkampf. Das empfehlen wir den meisten Läufern, weil die nächsten beiden Methoden mit langen, intensiven Trainingseinheiten verbunden sind, die so kurz vor dem Wettkampf nur Profis verkraften.

Variante Nummer eins sieht drei oder vier Tage vor dem Wettkampf eine Entleerung der „Tanks“ durch einen intensiven, jedoch nicht zu langen Lauf vor. Direkt im Anschluss werden die Depots durch kohlenhydratreiche Kost wieder aufgefüllt.
Variante Nummer drei, die sogenannte Saltin-Diät, ist die extremste Form des Carbo-Loadings. Bei verringerter Kohlen-
hydratzufuhr und gleichzeitigem, hartem Training werden die Glykogendepots etwa vier Tage vor dem Wettkampf durch einen zusätzlichen extralangen Lauf fast völlig geleert. Erst danach beginnt das Carbo-Loading. Die Idee, die sich hinter der Saltin-Diät verbirgt: Durch den zeitweiligen Mangel an Kohlenhydraten muss sich der Körper umstellen, um den Energiemangel zu kompensieren. Steigt dann die Kohlenhydratzufuhr wieder an, werden die Kohlenhydrate vom Körper umgehend „gebunkert“. Das ist aber wirklich nur etwas für Profi-Läufer!

Zusätzlich zur erhöhten Kohlenhydratzufuhr solltest du in den letzten Tagen vor dem Wettkampf auch deine Flüssigkeitszufuhr erhöhen. Ein ausgeglichener Wasserhaushalt ist einer der Mosaiksteine für einen erfolgreichen Marathon. Und natürlich solltest du in der letzten Woche vor dem Rennen viel schlafen – das ist die beste Erholung, zumal die letzte Nacht vor dem Rennen ja meist kurz ist. Nervosität, eine fremde Umgebung und vielleicht ein früher Startschuss sorgen dafür. Das ist aber nicht schlimm, solange du in den Nächten zuvor ausreichend geschlafen hast.

Beim Training werden allerdings genau in dieser Phase viele Fehler gemacht. Diese bringen Anfänger womöglich um ihr erstes Marathon-Finish und ambitionierte Läufer um ihre neue Bestzeit, für die sie im Vorfeld monatelang hart trainiert haben. Du musst wissen: Nur ein vollständig erholter Körper kann die volle Leistung entfalten. Damit dies funktioniert, müssen Energiereserven angelegt werden und gegebenenfalls kleinste Verletzungen der Muskulatur (Mikro-Verletzungen) verheilen, welche bei hohen Trainingsumfängen entstehen können. Diese stellen im eigentlichen Training zwar noch kein Problem dar, würden am Leistungslimit aber schnell zu Überlastungen führen. Deshalb ist die „aktive Erholung“ so wichtig. Tapering  ist der Schlüssel zum Erfolg.

Die beste Methode: Tapering für den Marathon

Vier tolle Wochen 
Für Marathonläufer beginnt die Taperingphase schon vier Wochen vor dem Rennen. Das Training rückt in den Hintergrund, die Erholung übernimmt das Kommando. Das soll natürlich nicht heißen, dass du die Laufschuhe komplett in die Ecke stellst. Aber du musst den Gesamtumfang deutlich reduzieren, damit dein Körper all die Trainingsreize der letzten Wochen und Monate verarbeiten kann. Also werden die Trainingsläufe kürzer. Durch die einsetzende Erholung fühlst du, wie es von Tag zu Tag besser läuft. 

Der Testwettkampf
Dieses positive Gefühl solltest du auch für einen Testwettkampf nutzen, einen Halbmarathon kannst du idealerweise drei bis vier Wochen vor dem Marathon absolvieren, einen Zehn-Kilometer-Wettkampf zwei bis drei Wochen davor. Dieser Testwettkampf soll vor allem eins zeigen: Mein Training der letzten Monate hat funktioniert und ich bin fit für den Marathon. Ob es beim Test dann für eine neue Bestzeit reicht oder man einfach mal die geplante Durchgangszeit für den Marathon auf der halben Distanz testet, ist jedem selbst überlassen. Wichtig ist nur, dass du anschließend überzeugt von der eigenen Leistungsfähigkeit an der Startlinie des Marathons stehst. Selbstvertrauen hat noch keinem Läufer geschadet. 

Training lässt sich nicht nachholen
Damit ist auch klar, dass die Taperingphase nicht zum Nachholen eventuell ausgefallener Trainingseinheiten dient. Natürlich könntest du jetzt mit einem weiteren langen Lauf dein Gewissen beruhigen, doch dein Körper hätte keine Chance mehr, diesen Trainingsreiz umzusetzen. Vielmehr solltest du die gewonnene Zeit durch das reduzierte Training für all die Dinge nutzen, die in der langen Vorbereitungsphase zu kurz gekommen sind. Und achte darauf, dass du gesund bleibst, denn in den letzten Tagen könnte eine Erkältung das gesamte Marathonprojekt gefährden.