Jan Fitschen: Vom Hochgefühl, Kenias Asse zu überholen

| Jan Fitschen | Foto: Norbert Wilhelmi
laufen.de-Experte Jan Fitschen hat ein Buch über Kenias Laufgeheimnisse zu schreiben. Hier kannst du ein Kapitel aus dem Buch lesen.

laufen.de-Experte Jan Fitschen hat gerade seine Karriere im Leistungssport beendet. Zuletzt war der 10.000-Meter-Europameister von 2006 ständig verletzt. Die Zwangspause hat er genutzt, um ein Buch über Kenias Laufgeheimnisse zu schreiben. Hier kannst du ein Kapitel aus dem Buch lesen, in dem du erfährst, was für Hochgefühle es deutschen Spitzenläufern im Trainingslager bereitet, wenn sie beim Joggen eine Gruppe ruhig daher trabende Kenia-Athleten überholt.

Nach der ersten morgendlichen Dauerlauferfahrung im kenianischen Pulk heute früh absolvieren wir am Nachmittag nur noch eine kleine Runde. Unsere schweren Beine erinnern uns stolz an das heute bereits vollbrachte Supertraining. Das war heute früh um sechs Kenia live und extrem. Das ist aber nichts für jeden Tag. Zumindest nicht für mich.

Der lockere Nachmittags-Dauerlauf ist besonders schön und entspannt. Hier ist es möglich, wenn es denn der Trainingsplan der verschieden Gruppen zulässt, auch mit den ganzen anderen Läufern einmal eine Runde zu drehen. Heute sind zum Beispiel Falk Cierpinski, Martin Beckmann, Sabrina Mockenhaupt und die Hahners dabei. Wie auch viele andere Läufer aus dem deutschen Team nutzen auch sie regelmäßig die Höhe Itens, um an ihrer Grundlagenausdauer zu feilen oder sich auf die verschiedenen Saisonhöhepunkte vorzubereiten.

Jan Fitschens Buch

Wunderläuferland Kenia

Jeder unserer achtzehn Millionen Freizeitläufer in Deutschland möchte besser werden und schneller und leichter laufen können. laufen.de-Experte Jan Fitschen als Profi-Läufer auch. In „Wunderläuferland Kenia“ entschlüsselt er auf humorvolle Art die 42,195 Erfolgsrezepte der Kenianer, während um ihn herum der ganz normale Trainingslagerwahnsinn tobt. Denn das wollen wir alle wissen: „Warum verdammt sind die so schnell?!“, und vor allem: „Was können wir, vom Laufanfänger bis zum Profi, uns davon abgucken?” Mit den schönsten Bildern von laufen.de-Fotograf Norbert Wilhelmi.

19,80 €

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Halluzinationen? Zu viel afrikanische Sonne?

Die Stimmung ist gut, beim Joggen quatscht es sich so herrlich befreit. Die Beine fühlen sich nach den ersten Kilometern gar nicht mehr so schwer an. Ausnahmsweise gibt es auch keinen, der ständig auf die GPS-Uhr schaut und Stress macht. Fast alle Spitzenläufer haben eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie genau für sie das ideale Training aussieht. Daher ist es oft nicht besonders einfach, zusammen etwas zu planen. Ich genieße diese gemeinsamen Einheiten immer sehr. Es ist doch immer wieder schön, zu erfahren, dass man mit all seinen Macken als Laufsportler nicht alleine dasteht.

Nach ungefähr fünf Kilometern dann das komplett Unerwartete. Habe ich etwa Halluzinationen? Oder zu viel Sonne abbekommen? Wenn ich es mir nicht einbilde, kommen wir trotz unseres sehr gemütlichen Tempos der vor uns laufenden Gruppe tatsächlich näher. Und dabei handelt es sich nicht etwa um muzungus – lahme Flachlandbewohner wie uns. Das scheinen wirklich waschechte Kenianer zu sein. Kenianer, die nicht etwa spazieren gehen, sondern tatsächlich auch laufen. Ganz normal, mit Laufschuhen und allem, was dazugehört. Wer hätte das gedacht?

Einige Mitglieder unserer Gruppe sind genauso erstaunt wie ich, jedoch nicht alle. »Doch, doch, das machen die hier häufiger. Besonders nach richtig hartem Intervall-Training. Da wird nur extrem pole, pole, also sehr langsam gelaufen.«

Mit Jan Fitschen nach Kenia

Wunderläuferland Kenia: Die Reise

Hast du schon immer davon geträumt, in das Land der Wunderläufer zu reisen, um dort mit den Champions oder zumindest auf demselben Sportplatz und denselben Staubpisten zu trainieren? Laufprofi Jan Fitschen macht es möglich. In einer exklusiven Kleingruppe mit maximal 15 Teilnehmern fliegst du nach Kenia und wirst die gesamte Reise von Europameister Jan Fitschen und einem weiteren Coach, deinem persönlichen Trainerteam, erstklassig betreut. Als Erstes erkundest du die reiche Tierwelt der kenianischen Nationalparks. Nach der so spielend erreichten Höhenanpassung geht es in die Heimat der Spitzensportler – in das auf 2400 Meter Höhe gelegene Iten. Professionelles Training mit Läufern vor Ort, anfeuernde Rufe der Kinder am Straßenrand – „Mzungu, Mzungu!“ – und ein herrlicher Einblick in das Leben im exotischen Kenia erwartet dich.

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Beflügelt vom Überholmanöver

Wir ziehen vorbei und versuchen dabei, die Füße nur ganz zart aufzusetzen. Einmal beim Laufen so klingen wie ein Kenianer. Ganz locker und leicht. Diesmal sind wir es, die nur ganz leise atmen. Nur unsere Gespräche, die sind deutlich hörbar. Damit wollen wir unterstreichen, wie locker uns das Laufen fällt.

Nach dem Überholmanöver fühlen wir uns beflügelt. Auch wenn es albern ist und wir über uns selbst lachen müssen: So etwas motiviert. Also ist auch das eine Legende, dass Kenianer nie langsam laufen und immer unbegrenzte Energie zur Verfügung haben. Sie brauchen genau wie wir lockere, entspannte Einheiten, bei denen sich Körper und Geist erholen können. Wie ungemein beruhigend.

In den meisten Fällen läuft das hier aber anders ab. Wenn wir beim normalen Dauerlauf die seltene Gelegenheit bekommen, zu einem vor uns laufenden Kenianer aufzuschließen, mobilisiert der noch einmal alle Kräfte, um mitzuhalten oder vorneweg zu laufen – selbst wenn er eigentlich schon total k. o. ist. Da sind wir uns länderübergreifend einig: überholt zu werden, ist uncool.

Bei dieser lockeren Einheit ist es aber offensichtlich sogar den Kenianern egal, ob und von wem sie überholt werden. Da dürfen selbst wir vorbeiziehen und werden noch freundlich gegrüßt. Fazit: Auch für die Kenianer ist es wichtig die Dauerläufe variabel zu gestalten. Am Morgen stand noch ein knallhartes Ausscheidungsrennen an, während am Nachmittag das genaue Gegenteil angesagt ist: immer schön locker.

So können wir uns ziemlich sicher sein, im gemütlichen Tempo noch immer schneller zu sein, als es mancher kenianische Weltrekordhalter bei seinem »Easy Jog« ist. Das ist schon ein sehr gutes Gefühl. Wenn ich in der Heimat ab und zu eine Runde mit meiner Frau Heike laufe, dann kann ich das ganz getrost auch als kenianischen Lauf verbuchen. Denn sie ist zwar zum Glück ein bisschen langsamer als ich, aber doch mindestens so schnell wie die Gruppe, die wir heute überholt haben.

Obwohl es ein wenig albern erscheint, freuen wir uns heute, die Kenianer so hinter uns gelassen zu haben. Zurück in unsere Unterkunft sind wir uns einig: Dies war ein weiterer sehr gelungener Tag. Nach den ganzen Erfolgserlebnissen erscheint uns das Trainingslager gleich viel angenehmer. Was für das Leben gilt, das gilt genauso für den Sport: Du musst auch die ganz, ganz kleinen Triumphe feiern. Und einen solchen haben wir soeben erlebt.