Kilian Jornet: Traillegende als Erdbebenhelfer in Nepal

| Text: Christian Ermert | Fotos: Salomon
Kilian Jornet wollte im Mai 2015 in Rekordzeit den Mount Everest besteigen. Das verhinderte das Erdbeben in Nepal. Der Trailläufer wurde zum Helfer.

Kilian Jornet ist erst 28 Jahre alt - und schon eine Trailrunning-Legende. Er hat alles gewonnen, was Läufer in den Bergen gewinnnen können. Im Mai 2015 wollte er in Rekordzeit den Mount Everest besteigen. Der höchste Berg der Welt ist der letzte, der ihm in seinem Projekt "Summits of my Life" noch fehlt. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, die höchsten Gipfel aller Kontinente in Rekordzeit zu besteigen. Am Mount Everest verhinderte dies das große Erdbeben in Nepal. Aus der Rekordbesteigung wurde eine Hilfsmission, über die der Spanier einen Film gemacht hat: Langtang. Hier spricht Kilian Jornet über seine Erlebnisse unmittelbar nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal.

Wie Kilian Jornet trainiert, kannst du hier auf Strava verfolgen.

Der Trailer zum Film: Kilian Jornet in Langtang

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Kilian Jornet zählt zu den besten Läufern unserer Zeit. So wie der ehemalige Marathon-Weltrekordler Haile Gebrselassie oder Doppel-Olympiasieger Mo Farah. Aber in der Laufszene ist Kilian Jornet nicht wirklich bekannt. Er bringt seine Höchstleistungen eben nicht im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit, sondern in der Abgeschiedenheit der ganz hohen Berge.

In der Welt der Abenteurer ist er dagegen eine ganz große Nummer: Das US-amerikanische Magazin „National Geographic“ zeichnete Kilian Jornet 2014 als Abenteurer des Jahres aus. Der Spanier wuchs auf 2000 Metern Höhe in einer Berghütte zwischen Andorra und Frankreich auf, stand mit sechs Jahren zum ersten Mal auf einem Viertausender und durchquerte mit zehn die Pyrenäen der Länge nach.

Nachdem er im Trailrunning und im Ski-Mountaineering – das sind Skirennen, die auf Berge und wieder hinab führen – so ziemlich alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt, begann er, die höchsten Berge aller Kontinente im Rekordtempo zu besteigen.

Jetzt fehlt ihm nur noch der höchste: Den Mount Everest wollte der 28-Jährige im Mai 2015 besteigen. Doch zwei Tage vor dem geplanten Abflug des Teams, zu dem neben Kilian Jornet der Alpinist Jordi Tosas und der Filmemacher Sébastien Montaz-Rosset gehören, bebte die Erde am 25. April in Nepal katastrophal. Fast 9000 Menschen starben, darunter auch zahlreiche Bergsteiger, die auf den Mount Everest wollten. Das Basislager wurde durch eine Lawine zerstört. Eine Besteigung des höchsten Berges der Welt war unmöglich.

Kilian Jornet und sein Team entschieden sich, dennoch nach Kathmandu zu reisen. Nicht um neue Rekorde aufzustellen und das per Film zu dokumentieren, sondern um anzupacken und zu helfen. Über die 20 Tage lange Hilfsaktion haben die drei einen Film gemacht, der mit zum Teil verstörenden Bildern zeigt, wie die Katastrophe das nepalesische Volk getroffen hat. Besonders im Langtang-Tal, nach dem der Film benannt ist.

 

"Nicht meine erste Begegnung mit dem Tod"

Kilian Jornet, was hast du empfunden, als du nach der Ankunft die Zerstörung in Kathmandu gesehen hast? Im Film ist zu sehen, wie ihr panisch aus einem Haus rennt, weil die Erde schon wieder bebt ...

Kilian Jornet:

… in der Hauptstadt wirkten die Zerstörungen auf mich gar nicht so schlimm. Einige große Häuser waren zusammengebrochen, aber viel übler hat es die Täler in den Bergen erwischt. Einige Dörfer waren einfach weg. Wenn du dort bist, um zu helfen, hast du aber gar nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, was du siehst. Du packst einfach mit an. Realisiert habe ich das alles erst nach meiner Rückkehr nach Europa. Da wird einem dann klar, dass die Probleme, die wir in Europa haben, nichts sind im Vergleich zu dem, was Nepal nach dem Beben durchgemacht hat.

Einige der völlig zerstörten Dörfer habt ihr als erste Helfer erreicht, weil sie nur zu Fuß erreichbar waren. Im Film sagt eine junge Frau zu euch: „Fotografiert alle, die tot sind.“ Sie wollte Gewissheit haben. Und ihr habt die Leichen fotografiert und die GPS-Daten des Fundorts notiert. Das muss eine grausame Erfahrung gewesen sein …

Kilian Jornet:

… natürlich. Aber es war nicht meine erste Begegnung mit dem Tod in den Bergen. Ich habe zuvor auch schon Unfälle erlebt, bei denen Freunde ums Leben gekommen sind. Und es ist ein großer Unterschied, ob du die Leiche eines Freundes findest oder die eines dir unbekannten Menschen. Bei einer so großen Katastrophe empfindet man vor Ort gar nicht so viel. Man arbeitet, um zu helfen. Was da passiert ist, habe ich erst zu Hause realisiert.

 

Langtang

Der Film über Kilian Jornets Hilfsmission

Filmemacher Sébastien Montaz-Rosset hat Kilian Jornet bei seiner Hilfsaktion in Nepal begleitet und einen 52-minütigen beeindruckenden, zum Teil auch verstörenden Film über die ersten Tage nach dem verheerenden Beben im Langtang-Tal im Himalaya gedreht. Mehr Informationen, Download und Spendenmöglichkeit für die Erdbebenopfer unter summitsofmylife.com

 

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Filmemacher Jordi Tossas kennt Nepal bestens

Jordi Tosas hatte das Langtan-Tal im Himalaya an der Grenze zu Tibet nur wenige Wochen vor der geplanten Everest-Besteigung im Winter besucht. Im Film ist zu sehen, wie er mit den Bewohnern des Tals Ski fährt, isst, feiert und lebt. Die Bilder der fröhlichen Menschen und die des Todes und der Zerstörung, die nur kurz darauf im selben Dorf entstanden sind, zählen zu den erschütterndsten Szenen im Film.

Auch in der größten Not sind die Menschen in Nepal bereit zu teilen

Haben die Erfahrungen in Nepal nach dem Erdbeben dein Leben verändert?

Kilian Jornet:

Ja, sie haben die Perspektive verändert, mit der ich auf viele Dinge blicke. Am meisten beeindruckt haben mich allerdings nicht die Zerstörungen, sondern die Reaktion der überlebenden Menschen. Auch in der größten Not waren sie bereit, mit Fremden zu teilen. Da waren Leute, die hatten alles verloren und nichts zu essen. Wenn wir denen ein bisschen Reis gebracht haben, wollten sie uns noch davon abgeben. Wir mussten uns mit Händen und Füßen wehren, denn wir hatten ja die übliche Expeditions-Ernährung mit Riegeln und Trekking-Mahlzeiten für uns dabei. Sie haben uns auch eingeladen, bei ihnen zu wohnen. Und nach den ersten schlimmen Tagen, als das ganze Land unter einer Decke von Traurigkeit lag, fanden die Menschen auch Stück für Stück ihr Lachen und ihren Optimismus wieder. Das war die wichtigste Erfahrung unserer Hilfsaktion, und davon können wir Europäer sehr viel lernen.

Das Projekt Summits of my life

Der Mount Everest – mit 8848 Metern der höchste Berg der Welt – ist der letzte Gipfel, der Kilian Jornet in seinem Projekt „Summits of my Life“ noch fehlt. Von 2012 bis 2014 hat der Spanier mit dem Montblanc (Frankreich/4810 m), dem Matterhorn (Schweiz/4478 m), dem Elbrus (Russland/5642 m), dem Denali (früher Mount McKinley, USA/6190 m) und dem Aconcagua (Argentinien/6962 m) die höchsten und den wohl schönsten Gipfel aller Kontinente in Rekordzeiten bezwungen. Das Projekt wird unterstützt von Salomon.