Kolumne „Der Weltläufer“: Tragischer Tod beim Trans-Australian-Race

| Stefan Schlett
Einmal quer durch Australien. 4355 Kilometer in 65 Tagen - selbstverständlich zu Fuß. Stefan Schlett war beim Trans-Australian-Footrace dabei.

Einmal quer durch Australien. 4355 Kilometer in 65 Tagen - selbstverständlich zu Fuß. Stefan Schlett war 2001 beim bisher einzigen Trans-Australian-Footrace dabei. In seiner Kolumne erzählt er von dem Rennen, das von einem tragischen Unglück überschattet wurde.

Morgens um 5:20 Uhr - bei Kilometer 1930,2 - war er tot. Bryan Smith starb in der australischen Einöde beim „Race of Fire“, einem 65-tägigen Ultralauf über 4355 Kilometer von Perth nach Canberra. Der 57-jährige Australier war der erfolgreichste Ultraläufer seines Landes. Doch an diesem Tag im Februar 2001, nach 27 Tagen im menschenleeren Backofen Südaustraliens, mit Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius, fiel er kurz nach dem Start der 28. Etappe einfach um - und wachte nicht mehr auf. Ein Arzt konnte nur noch seinen Tod feststellen. Dabei waren die 16 verbliebenen Legionäre des ersten (und bis heute einzigen) Trans-Australia-Footrace morgens noch hoffnungsvoll in die Dunkelheit gestartet. Nach weit mehr als tausend Kilometern durch die Nullarbor Plains, einer baumlosen Halbwüste ohne jegliche Siedlung, sollten wir heute nach 16 Tagen erstmals wieder eine Kleinstadt erreichen.

Stefan Schlett

Stefan Schlett läuft seit mehr als 30 Jahren bei extremen Events rund um den Globus. In 86 Ländern der Erde hat er an mehr als 1200 Wettkämpfen teilgenommen. Fast 500 Rennen davon waren Läufe über die Ultra-Distanz. In seiner Kolumne erzählt er von seinen Laufabenteuern.

Die vergangenen Wochen waren weniger ein Rennen, sondern eher eine Durchschlage-Übung. Daher freuten wir uns umso mehr auf frisches Wasser, Leben, Menschen, Einkaufsmöglichkeiten, Bier vom Fass und eine Pizzeria. Bryan Smith sollte das jedoch nicht mehr erleben. Nach seinem Tod wurde das Rennen zunächst abgebrochen, alle Teilnehmer ins Etappenziel nach Ceduna gefahren. Mit 2200 Einwohnern für westliche Verhältnisse eher eine Ortschaft, geht Ceduna in einem Land mit durchschnittlich 3,1 Einwohnern pro Quadratkilometer auch gerne mal als Kleinstadt durch. Und so skurril das auch klingen mag: Ceduna bedeutet in der Sprache der Aborigines „Ruheplatz“. Diesen hatte Bryan mittlerweile in der Kühlkammer des örtlichen Hospitals gefunden, wo wir ihm alle die letzte Ehre erwiesen, bevor seine Leiche am selben Abend zur Obduktion nach Adelaide geflogen wurde.

Der Mann aus Victoria galt als ausgesprochener Gentleman in der Szene und war einer der feinsten und anständigsten Sportler, denen ich jemals begegnet bin. Teilnehmer und Renndirektoren heulten Rotz und Wasser. Leider hatte ich in meiner bis dahin schon zwei Jahrzehnte währenden Karriere bereits ein halbes Dutzend ähnlicher Unglücke miterleben müssen - und sah das ganze eher nüchtern. Fakt war: Bryan starb bei der Ausübung seiner Leidenschaft, ohne zu leiden. Er hatte ein erfülltes Leben, eine glückliche Ehe, feierte in seinem Sport riesige Erfolge und bereiste die Welt. Eigentlich ein schöner Tod – nur leider ein paar Jahrzehnte zu früh.

Am 30. Tag des Race of Fire versammelten sich 15 von der Hitze des Roten Kontinents gezeichnete Extremläufer stumm am Start von Bryan Smiths Todesstelle, wo mittlerweile ein simples Holzkreuz errichtet worden war. Bei dieser Etappe wurde der zweitausendste Kilometer überschritten. Ohne diese beiden Ruhetage hätten vielleicht noch weitere Läufer dran glauben müssen. So waren wir auch drei Wochen später, als wir Melton (bei Melbourne) erreichten, die Heimatstadt von Bryan Smith und Ziel der 51. Etappe, noch alle komplett.