Laufspaß zwischen Nord- und Ostsee

| von Christian Ermert (Text und Fotos)
Beim „Lauf zwischen den Meeren“ legen Staffeln an einem Tag den ganzen Weg von der Nord- zur Ostsee zurück. Dieses Jahr war auch laufen.de dabei.

Beim „Lauf zwischen den Meeren“ legen Staffeln an einem Tag den ganzen Weg von der Nord- zur Ostsee zurück. Und lernen auf den zehn Etappen die Schönheit Schleswig-Holsteins kennen. In diesem Jahr war laufen.de-Chefredakteur Christian Ermert dabei – in einem Team mit anderen Laufsport-Journalisten und einigen Mitgliedern der von Nike initiierten 10K11-Crew, die diesen Sommer so viele Kilometer laufen will, wie der Weg in die Olympia-Stadt Rio weit ist. Hier sein Bericht.

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Auf den Teamgeist kommt es an

Zu spät. Als Jana auf dem Sportplatz in Fleckeby ankommt, hat Jule schon die Wechselzone erreicht. Suchend schaut sie sich um. Doch da ist niemand, dem sie den Stab übergeben kann. Normalerweise würde sie hier warten, bis die nächste Staffelläuferin bereit ist, den Stab zu übernehmen. Aber sie weiß: Ihre Ablösung ist schnell, richtig schnell. Bestzeit auf 10 Kilometern: 33:02 Minuten.

Und so läuft Jule einfach weiter. Als das komplette Team den Sportplatz erreicht, sieht es nur noch, wie Jana über die Bahn flitzt und das Stadion verlässt – ohne Staffelstab, hinter ihrer Vorläuferin her. Ein paar Meter später hat sie Jule erreicht. Der Stab wird übergeben. Die beiden haben dafür gesorgt, dass das Team keine Minute liegenlässt, obwohl es die Wechselzone zu spät erreicht hat.

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Manche Wechsel gelingen, andere weniger

Der „Lauf zwischen den Meeren“ ist eben kein normales Lauf-Event, sondern auch eine logistische Herausforderung. Teams mit bis zu zehn Läufern teilen sich die fast 100 Kilometer lange Strecke, die von Husum an der Nordseeküste quer durch das nördliche Schleswig-Holstein bis ins Ostseebad Damp führt. Und wer – wie wir – jeden Läufer im Minibus begleitet und von Wechsel zu Wechsel fährt, muss ganz schön aufpassen, um rechtzeitig anzukommen.

In Fleckeby ist uns das nicht gelungen. Weil wir nicht die einzigen sind, die das Rennen im Auto begleiten, sind die Wege zu den Parkplätzen oft verstopft. Wer sich nicht richtig gut auskennt, ist im Nachteil. Dafür macht es riesigen Spaß, den ganzen Tag im Team unterwegs zu sein, den Kollegen vor dem Start die Nervosität zu nehmen, sie unterwegs anzufeuern und nach dem Rennen gemeinsam zu chillen.

Natürlich kann man beim dem langen Staffellauf auch ohne eigenes Fahrzeug mitmachen. Der Veranstalter lässt Busse fahren, mit denen die Läufer vom Zielort Damp aus zum jeweiligen Startpunkt gebracht werden. Nach der eigenen Etappe kann man dann wieder mit einem Bus zurück nach Damp fahren.

 

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Startschuss am Husumer Hafen

Aber egal, wie man seinen Staffellauf organisiert – zwischen den Meeren erleben alle einen tollen Lauftag. Und auf den zehn Etappen lernt man Schleswig-Holstein von seiner schönsten Seite kennen. Der Startschuss zur ersten Etappe fällt am Husumer Hafen. Die Möwen kreischen, es riecht nach Wattenmeer und Nordsee. Von dort führt der Weg ins Marschland. Die Strecke ist flach, bei Westwind ginge es zügig voran. Bei der Ausgabe 2016 weht der Wind allerdings aus der anderen Richtung. Das Laufen strengt an.

Richtung Osten wird es hügelig. Auf den Feldern blüht der Raps. Am Ende der dritten Etappe wartet ein Ort, der nach dem größten Bauwerk der Wikingerzeit benannt ist: Dannewerk. Die Spuren dieses Walls, der früher den Handelsweg zwischen Nord- und Ostsee schützte, sind an vielen Stellen zu sehen. Manchmal verläuft die Strecke auch direkt an den Überresten des Bauwerks.

Der „Lauf zwischen den Meeren“ verläuft dort, wo sich Nord- und Ostsee am nächsten sind. Im Westen reichen mit Eider und Treene zwei natürliche Wasserstraßen weit ins Land, im Osten die Eckernförder Bucht und die Schlei. Der Landweg dazwischen war für den Handel in früheren Jahrhunderten das, was heute der Nord-Ostsee-Kanal ist: Der schnellste Weg, Waren von der Ost- in die Nordsee bringen zu, ohne ganz Dänemark umschiffen zu müssen.

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Laufen, wo sonst Tornados starten

Eine einzigartige Laufstrecke steht den Läufern auf der vierten Etappe zur Verfügung: Die letzten drei Kilometer führen über die Start- und Landebahn des Fliegerhorstes Jagel. Dort sind Tornados der Bundeswehr stationiert, von denen zwei zu Beginn des Jahres zur Unterstützung des Kampfes gegen die Terrororganisation IS in die Türkei verlegt worden sind. Der Wechsel findet unmittelbar vor dem Kasernentor statt, die Läufer können sich einen der Kampfjets aus direkter Nähe anschauen.

Die schnellsten Staffeln brauchen für den kompletten, gut 95 Kilometer langen Weg nur fünfeinhalb Stunden. Die letzten kommen fünf Stunden später am Strand von Damp an, wo feiner Sand, die kühle Ostsee, leckeres Essen und Trinken und eine große Party mit Siegerehrung auf die über 700 Teams mit fast 7000 Läufer warten, die dieses Jahr dabei waren.

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Eine Medaille für jeden Finisher nach jeder Etappe

Erfunden wurde der Staffellauf übrigens 2006 – unter anderen von Thomas Wessinghage. Der ehemalige 5000-Meter-Europameister war damals als ärztlicher Direktor der Reha Klinik Damp. Bei der ersten Auflage vor zehn Jahren gingen grade mal 87 Staffeln an den Start. Die Veranstaltung war finanziell ein Desaster.

Aber Thomas Wessinghage war von dem Konzept genauso überzeugt wie Rainer Ziplinsky, der als Streckenchef schon beim ersten „Lauf zwischen den Meeren“ dabei war. Mittlerweile ist er mit „Zippels Läuferwelt“ – einer Kette von fünf Laufläden in Norddeutschland – Veranstalter. Der Lauf ist so bekannt, dass Teams aus ganz Deutschland anreisen und sich die Teilnehmerzahlen seit 2006 fast verzehnfacht haben. Und dieses Jahr gab es zum ersten Mal für jeden Läufer nach jeder Etappe eine Finisher-Medaille.

P.S.: Unser Team hat das Ziel als 68. erreicht und 7 Stunden 30 Minuten und 54 Sekunden für die 95,5 Kilometer benötigt. Und wir sind ein bisschen stolz.

Mehr Infos zum Lauf zwischen den Meeren gibt es hier.