Vor dem Hamburg-Marathon
Deutschlands Marathon-Asse kämpfen um die Teilnahme bei Europa- und Weltmeisterschaften 2022

| Text: Jörg Wenig | Fotos: Jörg Brockstedt (MHV), Norbert Wilhelmi

In diesem Sommer stehen gleich zwei wichtige Meisterschaften für Deutschlands Marathonläufer*innen an: Die EM in München und die WM in Eugene/USA.

Der Haspa Marathon Hamburg ist am Sonntag für eine Reihe von deutschen Läufern die letzte realistische Chance, noch eine Norm für die Welt- oder Europameisterschaften im Sommer zu erreichen beziehungsweise die Position innerhalb der Rangliste zu verbessern. Denn sechs Tage später endet am 30. April der Qualifikationszeitraum. Am 2. und 3. Mai will der Deutsche Leichtathletik-Verband die Nominierungen für die WM beziehungsweise EM bekannt geben.

Davon ausgehend, dass der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) komplette Teams für den Europameisterschafts-Marathon in München nominiert, können jeweils sechs Männer und sechs Frauen bei der Heim-EM starten. Für die WM in Eugene (USA) können jeweils drei Starter nominiert werden.

Für die Weltmeisterschaften gelten internationale Normen von 2:11:30 Stunden bei den Männern und 2:29:30 bei den Frauen. Hier begann der Qualifikationszeitraum bereits am 30. November 2020, für die EM begann dieser am 27. Januar 2021. Beide Zeiträume enden am kommenden Sonnabend. Für die Europameisterschaften gelten Zeiten von 2:14:30 beziehungsweise 2:32:00. Es gibt hier eine B-Norm für die Team-Nominierung von 2:16:00 beziehungsweise 2:34:00. Da jeweils vier Männer und vier Frauen die EM-Normen erreicht haben, könnten auch zwei weitere Athleten ohne Norm nominiert werden.

Dies wird aber aufgrund der Anzahl der Norm-Erfüllungen kaum relevant sein. Zu beachten ist, dass nur offizielle Brutto-Zeiten international anerkannt werden - keine Netto-Zeiten, wie sie in manchen Listen nach wie vor auftauchen.

Würden die deutschen Teams in München im Sommer in Bestbesetzung antreten, hätten sie zumindest in den Mannschafts-Wettbewerben (Europa-Cup-Wertung) gute Medaillenchancen. Ob dies der Fall ist, ist jedoch fraglich. In München zeichnet sich aufgrund unverständlicher Startzeiten von 10.30 Uhr (Frauen) und 11.30 Uhr (Männer) am 15. August ein Hitzerennen ab. Proteste bei European Athletics, dem europäischen Leichtahtletik-Verband, haben bisher keinen Erfolg gehabt.

Die deutschen Top-Läufer haben bei change.org eine Petition mit dem Titel #AthletesHealthFirstTeamGER initiiert, um mit möglichst vielen Unterschriften Druck auf die verantwortlichen Funktionäre von European Athletics auszuüben. Die Petition kann hier eingesehen und unterstützt werden.

Da bei der WM in den USA früh morgens um 6.15 Uhr gestartet wird und somit mit kühleren Temperaturen zu rechnen ist, sind einige Athleten noch unentschlossen, wo sie starten werden.

Katharina Steinruck schnellste deutsche Frau im Nominierungszeitraum

Bei den Frauen dürfte sich in Hamburg die Qualifikations-Situation nicht wesentlich verändern. Für Deborah Schöneborn (SCC Berlin) geht es allerdings darum, sich im Ranking nach vorne zu schieben, um den avisierten Startplatz bei der EM sicher zu haben. Pech haben könnte Kristina Hendel (LG Braunschweig), der nach ihren Leistungen der letzten Zeit am Sonntag eine gute Steigerung ihrer Bestzeit von 2:27:31 zuzutrauen ist. Sie hat zwar die deutsche Staatsbürgerschaft seit 2021, ist jedoch international weiterhin nur für Kroatien startberechtigt. Es ist nicht klar, warum sie auf einer jüngsten Liste mit genehmigten Nationen-Wechseln des internationalen Leichtathletik-Verbandes World Athletics nicht aufgeführt war. Wenn sie bei der EM nicht für Deutschland laufen kann, wäre dies eine Schwächung des deutschen Teams. Kurzfristig aufgrund einer Corona-Infektion passen musste für das Rennen in Hamburg die Deutsche Meisterin des vergangenen Jahres, Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg).

Amanal Petros führt das Feld der Kandidaten an

Bei den Männern könnte in Hamburg noch mehr Bewegung in den Qualifikationsprozess kommen. Johannes Motschmann will nach der EM- nun auch die WM-Norm unterbieten, Philipp Pflieger (beide SCC Berlin) muss sich steigern, um einen EM-Startplatz sicher zu erreichen. Hinzu kommen zwei Debütanten, die durchaus ebenfalls in relevante Zeitbereiche laufen können. Vor allen gilt dies für Filimon Abraham (LG Telis Finanz Regensburg), der sich im Februar beim Neapel-Halbmarathon auf 62:35 steigerte. Er könnte in Hamburg für eine Überraschung sorgen.

Mit Florian Röser (TV Konstanz) ist ein zweiter deutscher Debütant im Rennen. Er lief bei den Deutschen Halbmarathon-Meisterschaften in Hamburg im vergangenen Jahr als Sechster 63:14. Mit einer solchen Zeit hat er ebenfalls das Potenzial, einen EM-Startplatz im Marathon zu erreichen. Außerdem ist Tim Ramdane Cherif (LG Telis Finanz Regensburg) im Rennen, der im Marathon zwar bisher nur eine Zeit von 2:20:14 aufweist, im Halbmarathon aber 63:34 gelaufen ist. Schnellster Deutscher ist derzeit Amanal Petros mit seiner Rekordzeit (2:06:27 h) aus Dezember 2021.

Norm-Erfüllungen deutscher Marathonläufer in den Qualifikationszeiträumen

MÄNNER

2:06:27           Amanal Petros           TV Wattenscheid                    Valencia          5.12.2021

2:08:49           Richard Ringer           LC Rehlingen                           Siena              11.4.2021

2:10:48           Simon Boch                LG Telis Finanz Regensburg    Dresden          21.3.2021

2:10:59            Hendrik Pfeiffer          TV Wattenscheid                    Hannover        3.4.2022

2:11:03            Tom Gröschel             TC Fiko Rostock                      Valencia          5.12.2021

2:12:18            Johannes Motschmann  SCC Berlin                          Rotterdam      24.10.2021

2:13:02            Konstantin Wedel       LG Telis Finanz Regensburg    Sevilla             20.2.2022

2:14:43            Frank Schauer           Tangermünde Elbdeichmar.  Hannover        3.4.2022

2:15:01            Philipp Pflieger           LT Haspa Marathon Hamburg Berlin                      26.9.2021

2:15:04            Erik Hille                     LG Telis Finanz Regensburg    Hannover        3.4.2022

2:15:05            Marcus Schöfisch       Lauftraining.com, Leipzig Hannover        3.4.2022

2:15:07            Nic Ihlow                     Lauftraining.com, Leipzig Hannover        3.4.2022

FRAUEN

2:25:59           Katharina Steinruck   Eintracht Frankfurt                 Enschede       18.4.2021

2:26:50           Miriam Dattke             LG Telis Finanz Regensburg    Sevilla                         20.2.2022

2:26:50           Domenika Mayer        LG Telis Finanz Regensburg    Hannover        3.4.2022

2:26:55*         Deborah Schöneborn LG Nord Berlin                       Valencia          6.12.2020

2:27:03           Rabea Schöneborn    LG Nord Berlin                       Enschede       18.4.2021

2:27:31           Kristina Hendel           LG Braunschweig                   Essen             10.10.2021

2:28:02           Laura Hottenrott         PSV Grün-Weiß Kassel Enschede       18.4.2021

2:29:16           Melat Kejeta               Laufteam Kassen                   Sapporo/JPN  7.8.2021

2:32:26           Anja Scherl                 LG Telis Finanz Regensburg    Fürstenfeld/AUT  23.5.2021

2:33:08*          Deborah Schöneborn LG Nord Berlin                       Sapporo/JPN  7.8.2021

 

*Deborah Schöneborn lief am 6.12.2020 in Valencia 2:26:55 Stunden und hat damit aufgrund des etwas früher beginnenden WM-Qualifikationszeitraumes die WM-Norm erfüllt. Für die EM hat sie bei Olympia in Sapporo die Team-Norm erfüllt.