Deutsche Marathon-Chancen
Melat Kejeta peilt in Berlin 2:22 Stunden an

| Text: Jörg Wenig | Fotos: imago images/Gora, SCC Events/Petko Beier

Beim BMW Berlin-Marathon wollen sich am Sonntag drei deutsche Läuferinnen und Läufer für Olympia in Peking empfehlen. Während Anna Hahner und Philipp Pflieger Zeiten im Bereich der Norm (2:29:30 bzw. 2:11:30 h) anpeilen, hat Melat Kejata Größeres vor: In ihrem ersten Marathon will sie Richtung 2:22 Stunden laufen.

Beim BMW Berlin-Marathon wollen sich am Sonntag drei deutsche Läuferinnen und Läufer für Olympia in Tokio empfehlen. Während Anna Hahner und Philipp Pflieger Zeiten im Bereich der Norm (2:29:30 bzw. 2:11:30 h) anpeilen, hat Melat Kejata Größeres vor: In ihrem ersten Marathon will sie Richtung 2:22 Stunden laufen. Damit würde sie auf Anhieb zur drittschnellsten deutschen Marathonläuferin aller Zeiten werden. Schnellere Zeiten erzielten lediglich die deutsche Rekordlerin Irina Mikitenko (2:19:19) und Uta Pippig, die auf der allerdings nicht rekordkonformen Strecke in Boston 1994 eine Zeit von 2:21:45 erreicht hatte. Das Rennen wird am Sonntagmorgen ab 9:00 Uhr live im Ersten übertragen, auf laufen.de bieten wir einen Live-Ticker mit allen Infos rund um die internationalen und deutschen Spitzenläuferinnen und -läufer an.

Melat Kejeta (Laufteam Kassel) hofft in Berlin auf ein sensationelles Debüt. Die 27-Jährige, die seit März die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, peilt in ihrem ersten Marathon eine Zeit von 2:22 Stunden an. „Ich werde alles versuchen, um eine sehr gute erste Bestzeit zu laufen. Mein Ziel sind 2:22 Stunden“, sagte Melat Kejeta auf der Pressekonferenz vor dem Rennen. 2018 hatte sie noch als Äthiopierin den Generali Berliner Halbmarathon in 69:04 Minuten gewonnen.

Die vom früheren Marathon-Bundestrainer Winfried Aufenanger betreute Athletin hat eine Halbmarathon-Bestzeit von 68:41 Minuten. Wenn sie dieses Potenzial bei ihrem Marathon-Debüt in Berlin nur halbwegs auf die 42,195 km übertragen kann, sollte sie auf jeden Fall deutlich unter der Olympia-Norm für Tokio 2020 bleiben, die vom Leichtathletik-Weltverband mit 2:29:30 Stunden festgelegt wurde.

Auch Anna Hahner will sich beim Berlin-Marathon für Olympia empfehlen

Diese Marke peilt auch Anna Hahner an. Für die 29-Jähige ist es bereits der fünfte Start beim BMW Berlin-Marathon. „Dieses Mal ist es für mich aber wie ein Heimspiel“, sagt sie. Seit Jahresbeginn startet sie für das SCC-Events Pro-Team, lebt hauptsächlich in München, ist aber regelmäßig auch zum Training in Berlin.

Nach einer längeren Verletzungspause und einem kompletten Neuaufbau ist sie noch nicht wieder in Topform. „Auch mit einer semi-spezifischen Vorbereitung - ich bin nicht mehr als 120 Kilometer pro Woche gelaufen, aber viel Rad gefahren - traue ich mir zu, die Olympia-Norm von 2:29:30 zu laufen“, sagte Anna Hahner, die in Berlin 2014 mit 2:26:44 Stunden ihre Bestzeit aufstellte.

An der Spitze des Frauenrennens will Gladys Cherono am Sonntag ein weiteres Stück Geschichte schreiben: Vor einem Jahr brach die Kenianerin beim BMW Berlin-Marathon den 13 Jahre alten Streckenrekord, nun könnte sie mit Triumph Nummer vier zur Rekord-Siegerin des Rennens werden. Bisher ging sie dreimal in der deutschen Hauptstadt an den Start, dreimal triumphierte sie. Damit steht sie jetzt in einer Reihe mit den Berliner Rekord-Siegerinnen Renata Kokowska (Polen), Uta Pippig (Berlin) und Aberu Kebede (Äthiopien), die das Rennen auch jeweils dreimal gewonnen haben.

Neunmal wurden beim Berlin-Marathon bisher Zeiten von unter 2:20 Stunden gelaufen. Darunter war 2001 der erste Lauf einer Frau unter der 2:20-Barriere: Die Japanerin Naoko Takahashi rannte damals 2:19:46. Die Chancen stehen gut, dass es am Sonntag die zehnte Zeit unter 2:20 in Berlin geben wird.

Philipp Pflieger will sich in starkem Feld für Olympia empfehlen

Die Olympia-Norm von 2:11:30 Stunden ist auch das große Ziel von Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg). Seine Bestzeit von 2:12:50 Stunden ist genau 80 Sekunden von der Olympia-Norm entfernt. Diesen persönlichen Rekord lief er 2015 in Berlin. Dadurch erhielt er damals den Startplatz bei den Spielen in Rio, wo er Platz 55 erreichte.

„Es ist eine ähnliche Situation wie 2015. Meine Vorbereitung lief gut, mein Plan ging zu 99 Prozent auf. Ich glaube, dass ich es schaffen kann, die Norm zu laufen. Ich werde die erste Hälfte entsprechend anlaufen und dann sehen, wie es geht“, sagte Philipp Pflieger, der auf der Pressekonferenz vor dem Berlin-Marathon sehr zufrieden mit seinen letzten Trainingseinheiten wirkte: „Vor zwei Wochen bin ich bei meinem letzten langen Lauf vor dem Rennen zunächst zwölf Kilometer in einer 3:23er-Pace pro Kilometer gelaufen und habe dann noch 20 Kilometer im 3:06er-Schnitt drangehängt. Dabei bin ich die ganze Zeit allein gelaufen. Da haber ich gemerkt, dass ich in Form bin.“

An der Spitze kündigt sich ein sehr schnelles und spannendes Männerrennen an. Im Jahr eins nach dem Berliner Fabel-Weltrekord des Kenianers Eliud Kipchoge, der 2018 eine Zeit von 2:01:39 Stunden erreichte, wird die globale Bestmarke kein Ziel sein. Doch nicht ausgeschlossen ist, dass die Jahresweltbestzeit, die Eliud Kipchoge mit 2:02:37 im April in London aufgestellt hat, in Gefahr gerät.

Der schnellste Läufer auf der Startliste ist Äthiopiens Superstar Kenenisa Bekele, der vor drei Jahren bei seinem Sieg in Berlin seine Bestzeit von 2:03:03 Stunden aufstellte. Es sind in erster Linie eine Reihe von Landsleuten, die den dreimaligen Langstrecken-Olympiasieger am Sonntag herausfordern wollen.

„Nach dem Fabel-Weltrekord von Eliud ist es schwierig, eine Schippe drauf zu legen“, sagte Race-Direktor Mark Milde. „Wir werden sicherlich nicht den Weltrekord angreifen und ein 2:01-Tempo anlaufen. Aber ich rechne mit einer kompakten Spitzengruppe, und die Marschrichtung wird eine Zeit von 2:03 Stunden sein.“ Mit der avisierten Halbmarathon-Durchgangszeit von 61:30 Minuten wäre die Jahresweltbestzeit erreichbar.

Achtmal in Folge wurde in Berlin in den vergangenen Jahren die weltweit schnellste Zeit des Jahres bei den Männern gelaufen - dies ist ein Rekord für sich. Der BMW Berlin-Marathon ist der mit Abstand schnellste Marathon der Welt. Noch nie allerdings war die aktuelle Bestzeit vor dem Rennen in Berlin so schnell wie in diesem Jahr: Eliud Kipchoge gewann im April den London-Marathon mit einem Streckenrekord von 2:02:37.

Kenenisa Bekele hofft, dass er am Sonntag an seine Leistung vom Berlin-Sieg 2016 anknüpfen kann. „Ich bin insgesamt gut vorbereitet, obwohl meine Trainingszeit mit drei Monaten vielleicht etwas zu kurz war für einen Marathon. Dies hängt mit einer Verletzung davor zusammen. Aber ich bin bereit für Sonntag und will etwas zeigen“, sagte der beste Bahn-Langstreckler und Crossläufer aller Zeiten, der zuletzt im Marathon jedoch nicht überzeugen konnte.

Acht der letzten neun Rennen in Berlin gewann ein Läufer aus Kenia. Der einzige, der in diesem Zeitraum seit 2010 die kenianische Siegesserie unterbrechen konnte, war Kenenisa Bekele 2016. Am Sonntag spricht vieles für einen äthiopischen Erfolg. Mit Leul Gebrselassie (2:04:02), Sisay Lemma (2:04:08) und Birhanu Legese (2:04:15) sind drei weitere Äthiopier mit Weltklasse-Bestzeiten am Start. „Ich habe mich fünf Monate lang auf dieses Rennen vorbereitet und freue mich, mit Kenenisa in einem Wettkampf zu sein - davon habe ich früher geträumt“, sagte Leul Gebrselassie, während der Tokio-Marathon-Sieger dieses Jahres, Birhanu Legese, erklärte: „Ich bin bereit für eine schnelle Zeit.“