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Halbmarathon-WM
Melat Kejeta holt sensationell Silber und pulverisiert den deutschen Rekord

| von Jörg Wenig

Melat Kejeta hat bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften im polnischen Gdynia für eine Sensation gesorgt. Die 28-jährige gewann die Silbermedaille mit einer deutschen Rekordzeit von 65:18 Minuten.

Die aus Äthiopien stammende Läuferin, die seit März 2019 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und für das Laufteam Kassel startet, war nur zwei Sekunden hinter der neuen Weltmeisterin Peres Jepchirchir im Ziel. Die Kenianerin stellte bei idealen Bedingungen an der Ostseeküste mit 65:16 einen Weltrekord für reine Frauenrennen auf. Auch Melat Kejeta und die drittplatzierte Yalemzerf Yehualaw (Äthiopien/65:19) blieben unter der bisherigen Marke von 65:34. Melat Kejeta unterbot den alten deutschen Rekord, den Uta Pippig 1995 mit 67:58 Minuten aufgestellt hatte, um fast drei Minuten. Ihre 10-km-Zwischenzeit von 30:47 Minuten sind ebenfalls neuer deutscher 10-km-Rekord. Gleich drei Topfavoritinnen stürzten in diesem Rennen und hatten damit keine Medaillenchance mehr. Hinter der viertplatzierten Zeineba Yimer (65:39) folgten die hoch eingeschätzten Ababel Yeshaneh (beide Äthiopien/65:41) und Joyciline Jepkosgei (Kenia/65:58), die beide im letzten Teil des Rennens stürzten.

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Deutsches Frauenteam gewinnt Sensations-Bronzemedaille

Melat Kejeta war die erste europäische Läuferin seit zwölf Jahren, die bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften eine Medaille gewann. 2008 wurde die aus Kenia stammende Lornah Kiplagat (Niederlande) Weltmeisterin über diese Distanz. Die beste deutsche Platzierung in der Geschichte dieser Titelkämpfe, die 1992 begann, erreichte zuvor Katrin Dörre-Heinig. Die heutige Marathon-Bundestrainerin war 1997 Sechste. „1:05:18 Stunden, das ist eine Hausnummer und absolute Weltspitze. Besser hätte es gar nicht laufen können. Ich fand vor allem den Mut beeindruckend, von Anfang an dieses hohe Tempo mitzugehen. Hut ab, sie hat alles richtig gemacht“, kommentierte Katrin Dörre-Heinig die Leistung von Melat Kejeta.

Melat Kejeta, die vom früheren Marathon-Bundestrainer Winfried Aufenanger in die internationale Spitze geführt wurde, brach in Gdynia bei ihrem Debüt im deutschen Nationaltrikot den 25 Jahre alten deutschen Rekord von Uta Pippig. Die Berlinerin war 1995 im japanischen Kyoto 67:58 gelaufen.

Melat Kejeta führte das deutsche Frauen-Team zudem zu einer ebenso sensationellen Bronze-Medaille hinter Äthiopien und Kenia. In der Mannschaft zeigte außer Melat Kejeta auch Laura Hottenrott (TV Wattenscheid) eine sehr starke Leistung. Sie steigerte sich auf der schnellen Strecke auf 70:49 Minuten und belegte damit Rang 26. Nicht an ihre persönliche Bestzeiten heran kamen Rabea und Deborah Schöneborn (beide LG Nord Berlin), die in 72:35 beziehungsweise 72:39 die Plätze 54 und 55 belegten. Fabienne Königstein (MTG Mannheim) lief auf Rang 87 in 77:03.

Im Rennen der Männer triumphierte anschließend Jacob Kiplimo (Uganda) mit einer Weltklassezeit und einem Meisterschaftsrekord von 58:49 Minuten. Als Zweiter folgte Kibiwott Kandie (Kenia/58:54), Dritter wurde Amedework Walelegn (Äthiopien/59:08). Rang vier belegte in seinem Debüt der 10.000-m-Weltrekordler Joshua Cheptegei mit 59:21. Eine überzeugende Leistung zeigte Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg), der mit einer sehr starken persönlichen Bestleistung von 61:36 Rang 35 belegte. Er stellte auch eine deutsche Jahresbestzeit auf. Amanal Petros (TV Wattenscheid) litt unter Seitenstechen und kam daher nur auf Platz 100 in 65:22 Minuten ins Ziel.

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So lief Melat Kejeta zur Silbermedaille

Bei kühlen Temperaturen von rund sieben Grad Celsius entwickelte sich bei den Frauen von Beginn an ein sehr schnelles Rennen. Eine zwölfköpfige Spitzengruppe hatte die 5-km-Marke nach 15:20 Minuten erreicht. Mit dabei war auch Melat Kejeta, die mit einer Bestzeit von 68:41 ins Rennen gegangen war. Überraschend ging sie dieses sehr hohe Tempo mit.

Kurz vor Kilometer zehn stürzte dann in einer engen Kurve die Titelverteidigerin Netsanet Gudeta, die in der Folge den Rückstand nicht mehr aufholen konnte. Sieben Läuferinnen erreichten dann die 10-km-Marke nach 30:47 Minuten. Diese Zeit wurde auch für Melat Kejeta gestoppt, so dass sie damit den deutschen Rekord von Irina Mikitenko gebrochen hat. Sie war 2008 in Karlsruhe 30:57 gelaufen.

Der nächste entscheidende Moment in diesem Rennen kam zwischen Kilometer 17 und 18. Nachdem Weltrekordlerin Ababel Yeshaneh (64:31 Minuten) die Initiative ergriffen hatte, stürzte sie zusammen mit Joyciline Jepkosgei. Die Kenianerin war ihrer Konkurrentin in die Ferse getreten. Und für beide war das Rennen um den Titel damit gelaufen. Sie konnten den Rückstand nicht mehr aufholen, denn die Spitzengruppe hielt das Tempo hoch. Zugleich fielen Zeineba Yimer und Yasemin Can (Türkei) zurück, so dass nur noch drei Läuferinnen vorne übrig blieben: Peres Jepchirchir, Yalemzerf Yehualaw und Melat Kejeta, die auch ein taktisch sehr starkes Rennen lief. Lange Zeit hielt sie sich am Ende der Gruppe laufend zurück - so gut es bei diesem Tempo ging.

Kurz vor dem Ziel sah es so aus als ob die Äthiopierin den WM-Titel gewinnen würde vor der Kenianerin und der Deutschen. Doch ein weiteres Missgeschick stellte diese Reihenfolge auf den Kopf. Vor der letzten Kurve weniger als 100 Meter vor dem Ziel bog der die Gruppe führende Radfahrer von der Strecke ab - kurzzeitig folgte ihm Yalemzerf Yehualaw in die falsche Richtung. Dadurch lief Peres Jepchirchir noch vorbei und triumphierte. Auf den letzten Metern überholte dann auch noch Melat Kejeta die enttäuschte Äthiopierin und rannte auf Rang zwei.

Hier kannst du dir die Rennen von Gdynia noch mal anschauen

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