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Auf dem Weg nach Japan
Miriam Dattke: „Olympia ist noch ein Traumziel für mich“

| Interview: Franziska Dietz

Miriam Dattke war 2020 hinter der WM-Zweiten Melat Kejeta die zweitschnellste Deutsche im Halbmarathon. Am 21. März will sie in Dresden ihren ersten Marathon laufen. Mit Olympia-Chancen.

Wir stellen Läufer*innen vor, die gute Chancen haben, dieses Jahr bei Olympia in Japan an den Start zu gehen. Heute: Miriam Dattke (LG Telis Finanz Regensburg), die am 21. März in Dresden gleich in ihrem ersten Marathon die Olympia-Qualifikation schaffen kann. Das trauen der 22-Jährigen die Experten zu, seitdem sie vergangenen November den Halbmarathon in Dresden mit einer Steigerung auf 69:42 Minuten gewonnen hat. Wenn sie diese Leistung am 21. März in Dresden auf Anhieb auf die Marathondistanz übertragen kann, könnte sie die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Japan noch schaffen. Hier ist zurzeit Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt) mit 2:27:26 Stunden die Nummer drei im Rennen um die Olympia-Startplätze. Wenn Miriam Dattke bei Olympia starten will, muss sie zumindest deren Zeit unterbieten. Wir haben mit der Athletin über ihre Anfänge im Laufsport, ihr Training und ihre langfristigen Pläne gesprochen.

„Ich betrachte es als Glück, erst spät mit dem Laufen als Leistungssport begonnen zu haben“

Miriam, wie bist du eigentlich zum Laufen gekommen?
Miriam Dattke: Ich habe in Berlin einen Schullauf mitgemacht. Zu dem Zeitpunkt war ich 15 oder 16 Jahre alt. Bei dem Lauf war ich ganz gut. Da hat mich mein erster Trainer angesprochen und gefragt, ob ich Lust habe, ein Lauftraining zu besuchen. So hat sich das ergeben.

Warst du vorher in der Leichtathletik aktiv?
Miriam Dattke: Nein, Leichtathletik habe ich gar nicht gemacht. Als Kind habe ich Basketball gespielt und bin geritten. Aber Laufen war erste Sportart, die ich ernsthaft ausgeübt habe.

Und dann bist du einfach drangeblieben?
Miriam Dattke: Es hat sich mit der Zeit so ergeben, dass ich erst zwei- bis dreimal die Woche gelaufen bin. Dann wurden daraus fünfmal die Woche Training und irgendwann täglich. Als ich in die Oberstufe gekommen bin, bin ich auf die Sportschule gewechselt. Da hat es angefangen, dass ich das Laufen leistungssportorientiert gemacht habe. Da war ich ungefähr 17 Jahre alt.

Für eine Profi-Läuferin ein ziemlich später Einstieg ins Leistungstraining …
Miriam Dattke: … ich betrachte es als Glück, dass ich relativ spät damit begonnen habe. Denn wer weiß, ob ich sonst überhaupt die Motivation gehabt hätte, so lange dabei zu bleiben. Allerdings habe ich schon ein paar Schwächen, weil ich eben so spät begonnen habe. Für die Schnelligkeit beispielsweise hätte man einfach mehr tun müssen im jungen Alter. Da fehlt mir ein bisschen was, aber für die Langstrecke reicht es.

Wie sieht dein Trainingsalltag bei deinem Coach Kurt Ring aus?
Miriam Dattke: Normalerweise haben wir viermal pro Woche geregeltes Gruppentraining, bei dem Kurt Ring dabei ist. Dazu zählt auch die Schwerpunkteinheit am Wochenende, wenn wir uns entweder zu Bergläufen oder einem langen Lauf treffen. An den anderen Tagen treffe ich mich entweder mit den anderen oder laufe allein. Aktuell trainieren wir wegen Corona aber selbstverständlich gar nicht in der Gruppe.

Welche anderen Trainingsinhalte sind dir neben dem Laufen wichtig?
Miriam Dattke: Ich habe pro Woche neun bis zehn Laufeinheiten auf dem Plan. Außerdem absolviere ich dreimal pro Woche Athletiktraining – entweder allein oder in einer Physiotherapiepraxis, die auch Krafttraining anbietet. Radfahren und Schwimmen ist nicht in meinem Trainingsplan integriert.

Bleibt neben dem intensiven und zeitaufwendigen Training noch Zeit für Beruf, Uni oder Ausbildung?
Miriam Dattke: Ich mache aktuell ein Fernstudium im Bereich internationales Management. Das Studium ist speziell für Spitzensportler ausgelegt. Dadurch kann ich mir die Zeit sehr frei einteilen. Das hat schon seine Vorteile, wenn man alle anderen Termine und Verpflichtungen um das Training herum planen kann und alles daheim machen kann. Ich habe zwar auch immer wieder Präsenzphasen, aber im Großen und Ganzen ist das eine große Erleichterung gegenüber dem Jurastudium, das ich nach dem Abi zunächst begonnen hatte. Nach fünf Semestern habe ich gemerkt, dass dieses Studium plus Hochleistungssport für mich zu viel war. Ich hatte nicht mehr so viel Freude an Jura und habe meine Zukunft nicht mehr in einem juristischen Beruf gesehen.

Wie lange musst du noch studieren?
Miriam Dattke: Ich habe zwei Semester absolviert. Da das Studium nur ein Teilzeitstudium ist, liegt die Regelstudienzeit bei zehn Semester.

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„Ich bin wegen des Trainings bei Kurt Ring von Berlin nach Regensburg gezogen“

Du kommst ja ursprünglich aus Berlin. Bist du nur wegen des Sports nach Regensburg gezogen?
Miriam Dattke: Nach einem Jahr Fernbetreuung durch Kurt Ring und einigem Pendeln zwischen Regensburg und Berlin, wollte ich bei ihm vor Ort trainieren.

Wie kommst du mit der aktuellen Corona-Situation zurecht?
Miriam Dattke: Ich versuche positiv zu sehen, dass ich ohne viele Wettkämpfe jetzt die Zeit habe, mich ganz auf das Training zu konzentrieren. Normalerweise sind das ganze Jahr über Rennen, so dass die wichtige Arbeit an Grundlagen immer wieder durch Wettkämpfe unterbrochen wird. Ich denke, dass sich die Situation auf die langfristige Entwicklung positiv auswirken wird.

Welche Tipps hast du zum Thema Durchhalten? Wie schafft man es, das für sein Ziel notwendige Tempo im Wettkampf von Anfang bis Ende durchzuziehen? Irgendwann hat man ja immer das Gefühl, nicht mehr zu können …
Miriam Dattke: Bei uns Profis gibt der Trainer die Zeiten vor, mit denen wir unser Rennen anlaufen. Er weiß, wie wir trainiert haben, und kann einschätzen, welche Geschwindigkeit wir auf der jeweiligen Strecke durchhalten können. Und wir üben im Training ja auch sehr oft, ein hohes Tempo lange zu halten. Das ist ein Vorteil gegenüber Hobbyläufern, die sich ja selbst überlegen müssen, welches Tempo für sie realistisch ist. Im Rennen muss man dann aber auch in sich hineinhören und rechtzeitig reagieren, wenn man merkt, dass die Tempovorgabe doch etwas zu schnell ist. Man sollte dann nicht aus falschem Stolz so lange wie möglich bei diesem Tempo bleiben. Das ist Quatsch, denn danach geht es nur noch rückwärts.

Hattest du mal eine ernsthafte Verletzung?
Miriam Dattke: Oh ja! Mich hat eine Entzündung der Sehnenplatte unter dem Fuß schon mal ein Jahr lang komplett rausgeworfen. Vergangenes Jahr hat dann eine Entzündung am Achillessehnenansatz dafür gesorgt, dass ich im Sommer 2020 keine Wettkämpfe machen konnte. Aber es fand ja sowieso kaum etwas statt. Um diese Verletzung auszukurieren, war 2020 ein ganz gutes Jahr.

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Um das Marathon-Traumziel Olympia 2021 zu erreichen, muss Miriam Dattke auf Anhieb schneller als Katharina Steinruck sein

Was sind deine Ziele für 2021?
Miriam Dattke:
Ich würde schon gerne bei Olympia starten, das ist zwar noch ein Traumziel für mich, sowohl im Marathon als auch über 10.000 Meter. Ich möchte mich aber auf jeden Fall auch über die 10.000 Meter weiter verbessern und im Marathon Richtung 2:25 Stunden laufen.

Du bist auch auf Instagram und postest viele Beiträge für deinen Ausrüster Adidas. Wie wichtig ist Social Media für dich?
Miriam Dattke: Ich teile schon ganz gerne etwas aus meinem Training und freue mich über nette Kommentare oder Fragen. So kann ich auch sehen, dass Leute an dem Laufsport interessiert sind. Aber eine große Rolle spielt das in meinem Leben jetzt nicht. Ich mache Instagram nebenbei und bin auch mal ein paar Tage nicht aktiv. Ich muss ja auch trainieren und studieren. Dennoch finde ich den Austausch toll, da sich viele Menschen gar nichts unter professionellem Laufsport vorstellen können.

Wie stellst du dir dein Leben in zehn Jahren vor?
Miriam Dattke: Dann bin ich 32 Jahre alt. Ich hoffe, dass ich dann Marathonläuferin bin und mein Studium abgeschlossen habe. Ich möchte mich nach dem Studium gerne mal nur auf den Sport konzentrieren, bevor ich dann mit dem richtigen Arbeiten anfange.