Ratgeber

Frau Schmitts Kolumne
Na dann Prost!

| Text: Heidi Schmitt | Grafik: Adobe Stock/GiZGRAPHICS

Heidi Schmitt ist Läuferin und Autorin aus Leidenschaft. In ihrer Kolumne schreibt sie über das, was sie beim Laufen erlebt. Diesmal: Wieso trinken beim Laufen heute ein Fashion-Statement ist.

Wer leichter ist, läuft schneller. Zumindest theoretisch. Nicht umsonst prägte Manfred Steffny seinerzeit den Spruch, dass vorne im Feld die Bleistifte und hinten die Radiergummis zu finden sind.

Allerdings scheint es nicht immer günstig zu sein, leichter zu werden. Verliert man beim Laufen reichlich Schweiß (und damit auch an Gewicht), wird man langsamer. Oder „leistungsgemindert“, wie wir Kenner sagen. Deshalb ist in diesen Wochen auch überall davon zu lesen, dass man das, was beim Laufen aus den Poren schießt, möglichst schnell und noch unterwegs zu ersetzen habe. Das war nicht schon immer so.

„Zweckmäßigen Austrocknung“ – really?!

James E. Sullivan, umstrittener Sportfunktionär und verantwortlich für die Olympischen Spiele 1904 in den USA, war ein leidenschaftlicher Verfechter der „zweckmäßigen Austrocknung“, die bei Läufern angeblich leistungssteigernd wirke. So gab es beim legendären olympischen Marathon bei 32 Grad Celsius auch nur eine Wasserstelle.

Der spätere Sieger Thomas Hicks, von Durst und Auszehrung gepeinigt, gönnte sich unterwegs statt Wasser ein leckeres Hühnereiweiß mit etwas Strychnin und spülte die Mischung mit einigen kräftigen Schlucken Brandy hinunter. Eine Verpflegung, die sich trotz des siegreichen Erstverwenders erstaunlicherweise nicht durchsetzen konnte. Allerdings gab es danach immer wieder Versuche, das Nicht-Trinken zum Erfolgsrezept zu erheben, auch im Training. Sozusagen als stählende Vorbereitung für die innere Wüste im Wettkampf.

Von bleischweren Flaschen über Gürtel bis hin zu Westen

Zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen der durstende Mensch als verweichlicht galt. Heute wird gegluckert, was der Verpflegungsstand hergibt. Besser noch: Man bringt seine Bar gleich von zu Hause mit. Schleppte man bis in die 2000er-Jahre noch bleischwere Flaschen mit sich herum, die mit ihren rhythmischen Schwingungen blaue Flecken in den Rücken klopften, griff man bald darauf nur noch zum patronengurtartigen Gürtel und kleinen Fläschchen, die jedem Getränk ein unvergleichliches Plastikaroma verliehen.

Danach kam der Trinkrucksack, der jeden damit Ausgestatteten durch laute Schwappgeräusche ankündigte. Die Bemühungen um die Reinigung und schimmelfreie Trocknung der Trinkblase verlängerten die Trainingszeiten enorm. Inzwischen ist die Weste das Utensil der Wahl – mit Soft Flasks, einem Hybrid aus Blase und Flasche. Trinkwesten sehen oft erstaunlich gut aus und geben auch urbanen Flachland-Schluffis die farbenfrohe Dynamik der ausgebufftesten Trailrunner.

Ein Modetrend hat es wieder mal geschafft, aus einem ganz normalen Bedürfnis ein „Fashion-Statement“ zu machen. What’s next? Die Zukunft liegt – so sagt man – im „personalisierten Trinken“. Die schicke Trinkweste würde uns dann genau die Getränkemischung verabreichen, die unserem aktuellen Elektrolytverlust entspricht. Es war ein weiter Weg seit der „zweckmäßigen Austrocknung“. Aber mit langen Strecken können wir ja etwas anfangen.

 

Heidi Schmitt …

… ist Läuferin und Autorin aus Frankfurt, schreibt und läuft im stetigen Wechsel. Am liebsten über und bei Volksläufen in der Provinz, wo Läuferinnen und Läufer zwar selten mit einer Medaille, dafür aber mit Streuselkuchen belohnt werden. Auf laufen.de schreibt sie ganz offen, was sie denkt. Und wer mehr Frau Schmitt will, wird hier fündig: