© Norbert Wilhelmi

Deutsche Marathonläufer
Nie war das Rennen um die Olympia-Tickets spannender

| von Jörg Wenig (Text) & Norbert Wilhelmi (Foto)

Die deutsche Marathon-Qualifikation für die Olympischen Spiele im nächsten Jahr in Japan ist so spannend wie wohl noch nie. Wer hat nach dem Valencia-Marathon welche Chancen?

Vier der sieben in Valencia am Sonntag gestarteten Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) haben die sehr guten Bedingungen genutzt, um die Olympia-Normen zu unterbieten. Während Amanal Petros mit seinem famosen deutschen Rekordlauf von 2:07:18 Stunden für das Highlight sorgte, blieben die anderen drei erstmals unter der Richtzeit für die Spiele. Drei deutsche Männer haben nun die Norm (2:11:30) während bei den Frauen inzwischen schon fünf Athletinnen die Zeit unterboten haben (2:29:30). In Valencia hat dabei Deborah Schöneborn (Foto) ihre Position mit der Steigerung auf 2:26:55 Stunden deutlich verbessert und Katharina Steinruck sowie Anja Scherl überholt. Das Rennen um die drei prestigeträchtigen Marathon-Olympiatickets ist weiterhin noch nicht entscheiden und wird in den ersten Monaten des Jahres 2021 eine Fortsetzung finden. Erst Ende Mai endet der Qualifikationszeitraum.

Nach seiner großartigen Steigerung auf 2:07:18 Stunden hat Amanal Petros seine Priorität für die Olympischen Spiele geändert. „Jetzt will ich bei den Olympischen Spielen doch lieber Marathon laufen als die 10.000 Meter“, sagte der 25-Jährige nach seinem Valencia-Rennen. Bisher hatte Amanal Petros für den Olympia-Start die Bahn-Langstrecke vorgezogen. Doch nach seinem deutschen Rekord am Sonntag ist es natürlich folgerichtig, der klassischen Distanz den Vorzug zu geben.

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Hinter Amanal Petros sind noch zwei Marathon-Startplätze umkämpft

Somit ist ein Startplatz quasi gebucht und es verbleiben nur noch zwei weitere. Diese Plätze belegen zurzeit Hendrick Pfeiffer (TV Wattenscheid/2:10:18) und Richard Ringer (LC Rehlingen/2:10:59). Arne Gabius (Therapie Reha Bottwartal), Philipp Pflieger (LT Haspa Marathon Hamburg) und Tom Gröschel (TC Fiko Rostock) werden sicherlich noch einen Qualifikationsversuch starten. Allen drei Läufern ist zuzutrauen, eine 2:10er-Zeit zu laufen. Das wiederum setzt zumindest Richard Ringer und vielleicht auch Hendrik Pfeiffer unter Druck. „Den dritten Qualifikationsplatz zu belegen, das ist unsicher“, hatte Ringer schon kurz vor seinem überzeugenden Debüt in Valencia gesagt. Während Homiyu Tesfaye (Eintracht Frankfurt) nach einem misslungenen Marathon-Versuch in Frankfurt 2019 zurück auf die Mittelstrecke wechseln will, könnte ein weiterer Läufer noch in den Kampf um die Tickets eingreifen: Denn es zeichnet sich ein Debüt von Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg) ab.

Den größten Schritt im Kampf um die Olympia-Tickets machte in Valencia Deborah Schöneborn (LG Nord Berlin). Vor dem Rennen lag sie auf Rang vier und fast zwei Minuten von der Norm entfernt, nach dem Valencia-Marathon ist sie Zweite mit 2:26:55 und hat Anja Scherl (LG Telis Finanz Regensburg) von den Qualifikationsplätzen verdrängt. Da Melat Kejeta (Laufteam Kassel/2:23:57) ihr Olympia-Ticket so wie Amanal Petros praktisch sicher hat, könnte es auch bei den Frauen noch um zwei Startplätze gehen.

„Wir planen, im Frühjahr noch einen Marathon zu laufen und sind zuversichtlich, dass es im April eine Möglichkeit geben wird“, sagte Deborah Schöneborn nach ihrem starken Lauf, mit dem sie sehr gute Chancen hat, bei Olympia zu starten. Ihre Zwillingsschwester Rabea, die bei ihrem Debüt am Sonntag auf Anhieb mit 2:28:42 überzeugte, ist zurzeit vielleicht die Läuferin, der man am ehesten zutrauen kann, noch den Sprung ins Team zu schaffen. Sie müsste schneller als Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt/2:27:26) laufen, die wiederum damit rechnen muss, wider erwarten doch noch einmal eingreifen zu müssen im Kampf um die Olympia-Tickets.

Zumal noch einige andere einen letzten Versuch starten werden. Dazu zählen Anja Scherl (LG Telis Finanz Regensburg/Bestzeit: 2:27:50), die in Valencia am Sonntag vorzeitig aus dem Rennen ging, dadurch aber ein paar Kräfte gespart haben könnte, Laura Hottenrott (TV Wattenscheid/2:33:01) und Fabienne Königstein (MTG Mannheim/2:32:35). Vielleicht findet auch noch Anna Hahner (2:26:44) oder sogar ihre Zwillingsschwester Lisa (beide SCC Events Pro-Team Berlin/2:28:39) den Weg zu einem allerdings sehr überraschenden Comeback. Dagegen hat Fate Tola (Hannover Athletics/2:25:14) ihre leistungssportliche Karriere offenbar beendet. Allerdings könnte es auch bei den Frauen noch eine ganz andere Überraschung geben, denn offenbar plant Miriam Dattke (LG Telis Finanz Regensburg) ein Marathon-Debüt in den nächsten Monaten.

Topzeiten der deutschen Marathonläufer in der Olympia-Qualifikationsphase

Die Qualifikationsphase lief von Januar 2019 und wurde dann in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie von April bis September zeitweise ausgesetzt. Sie läuft noch bis Ende Mai 2021. Die internationale Olympia-Norm steht bei 2:11:30 (Männer) beziehungsweise 2:29:30 Stunden (Frauen). Drei Läufer pro Nation können starten, sofern sie die Norm unterboten haben.

Männer

  • 2:07:18 * Amanal Petros (Valencia/06.12.2020)
  • 2:10:18 * Hendrik Pfeiffer (Sevilla/23.02.2020)
  • 2:10:29 * Petros (2) (Valencia/01.12.2019)
  • 2:10:59 * Richard Ringer (Valencia/06.12.2020)
  • 2:12:15 * Philipp Pflieger (Valencia/06.12.2020)
  • 2:12:57 Arne Gabius (New York/03.11.2019)
  • 2:13:49 * Tom Gröschel (Düsseldorf/28.04.2019)
  • 2:14:25 Gabius (2) (London/04.10.2020)
  • 2:14:29 Gabius (3) (Hannover/07.04.2019)
  • 2:14:54 * Jens Nerkamp (Berlin/29.09.2019)
  • 2:15:19 Pfeiffer (2) (Köln/13.10.2019)
  • 2:16:09 * Simon Stützel (Berlin/29.09.2019)

Frauen

  • 2:23:57 * Melat Kejeta (Berlin/29.09.2019)
  • 2:26:55 * Deborah Schöneborn (Valencia/06.12.2020)
  • 2:27:26 * Katharina Steinruck (Frankfurt/27.10.2019)
  • 2:28:25 * Anja Scherl (Sevilla/23.02.2020)
  • 2:28:42 * Rabea Schöneborn (Valencia/06.12.2020)
  • 2:28:48 Steinruck (2) (Osaka/26.01.2020)
  • 2:31:18 * D. Schöneborn (2) (Köln/13.10.2019)
  • 2:32:06 * Anke Esser (Chicago/13.10.2019)
  • 2:32:31 Scherl (2) (Hannover/07.04.2019)
  • 2:32:55 Scherl (3) (Düsseldorf/43.583)
  • 2:35:33 * Stefanie Doll (Berlin/29.09.2019)
  • 2:36:09 Anna Hahner (Düsseldorf/28.04.2019)
  • 2:36:10 * Thea Heim (Hamburg/28.04.2019)

*) = persönliche Bestzeit