Philipp Pflieger: Unabhängig in den EM-Marathon

Philipp Pflieger: Unabhängig in den EM-Marathon

| Text: Christian Ermert | Fotos: Ruben Elstner (JvM)

Philipp Pflieger führt das deutsche Team an, das am kommenden Sonntag (10:00 Uhr) am Berliner Breitscheidplatz in den Europameisterschafts-Marathon startet. Hier lernst du den 31-Jährigen kennen, der ohne Förderung durch den Deutschen Leichtathletik-Verband an der Spitze läuft.

Bei den Europameisterschaften in Berlin ist Philipp Pflieger Teil der deutschen Leichtathletik-Nationalmannschaft und wird am Sonntag (10:00 Uhr) den Marathon laufen. Bei der Finanzierung seines Spitzensportes geht er aber einen ganz anderen Weg als die meisten deutschen Top-Sportler. Er verzichtet fast komplett auf die Förderung durch den Deutschen Leichtathletik-Verband. Stattdessen ist er auf allen sozialen Kanälen aktiver Bestandteil der Lauf-Community. Wie interessant ihn die Nähe zu hunderttausenden Hobbyläufern für Sponsoren macht, hat er uns im Trainingslager in den Schweizer Bergen verraten.

Während ganz Deutschland in der Sommerhitze schwitzte, haben die besten Läufer des Landes die frische Höhenluft im schweizerischen St. Moritz genutzt, um sich optimal auf ihre Starts bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin vorzubereiten. Darunter auch Philipp Pflieger, der im EM-Marathon von Berlin die deutschen Farben vertreten wird. In diesem Trainingslager sind unsere Fotos entstanden. Und der 31-Jährige hat uns im Engadin verraten, wie es so läuft für einen Spitzenathleten, der ohne die Förderung durch den zuständigen Sportverband auskommt.

Philipp Pflieger strahlt eine fast diebische Freude aus, sobald er auf den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) zu sprechen kommt. Dass er vergangenen Herbst aus dem Kader gestrichen wurde und keine finanzielle Förderung mehr erhält, scheint ihn kein bisschen zu stören. „Ich habe die Freiheit, zu machen, worauf ich Lust habe“, sagt er. „Der Verband hat nichts, mit dem er mich unter Druck setzen kann.“

Auch bei der EM läuft er Marathon, weil er Bock darauf hat. Eigentlich wollte er am vergangenen Dienstag schon im Berliner Olympiastadion die 10.000 Meter gelaufen sein. Doch der DLV nominierte ihn nicht für dieses Rennen. Er versuchte, den Doppelstart vor Gericht durchzusetzen, aber seine Klage wurde abgewiesen. „Zwischenzeitlich habe ich auch mit dem Gedanken an einen kompletten Verzicht auf die EM gespielt. Aber wem wäre damit geholfen gewesen? Immerhin starten wir Marathonläufer ja auch als Mannschaft beim Europacup“, erklärt er dazu.

Jetzt ist er heiß ist auf den Lauf vor dem Berliner Publikum, auf dem Zehn-Kilometer-Rundkurs durch die City, der stimmungstechnisch extrem viel hergibt. Ökonomisch sei das allerdings „vollkommener Quatsch“. Schließlich gibt es für den schnellsten deutschen Marathonläufer des Jahres bei den großen Cityrennen viel lukrativere Startmöglichkeiten.

Straßenläufer haben eben ganz andere Optionen, ihr Hobby zum Beruf zu machen als ihre Kollegen aus den anderen Disziplinen der Leichtathletik. Die meisten von denen sind auf die Unterstützung von Verband, Sporthilfe, Bundeswehr oder Polizei angewiesen, um professionell trainieren zu können. Oder sie brauchen einen starken Verein, der es ihnen zusammen mit dem DLV und seinen Landesverbänden ermöglicht, Hochleistungssport und berufliche Perspektiven oder ein Studium zu verbinden.

Das erzeugt Abhängigkeiten, auf die Philipp Pflieger gut verzichten kann. Er profitiert davon, dass es im Straßenlauf viel mehr Nähe zwischen Top-Athleten, Hobbysportlern und Zuschauern gibt als in fast allen anderen Sportarten. Das zieht zusammen mit der schieren Masse der Hobbyläufer Sponsoren an. Auf Marathon-Messen kann man die Stars noch am Tag vor dem Rennen treffen, Selfies machen und ein paar Worte wechseln.

Und um in der deutschen Laufszene zum Star zu werden, muss man noch nicht mal mit den schnellsten Afrikanern mithalten können. Philipp Pflieger läuft den Marathon fast zehn Minuten langsamer als der derzeit wohl Beste der Welt: Der Kenianer Eliud Kipchoge will beim nächsten Berlin-Marathon am 16. September seine aktuelle Bestzeit von 2:03:05 Stunden unter die Weltrekordzeit von 2:02:57 Stunden drücken. Philipp Pflieger lief seinen bisher schnellsten Marathon 2015 in Berlin mit 2:12:50 Stunden.

Aber: „Local Heroes ziehen auch“, findet er. Das habe er beim Hamburg-Marathon bemerkt, wo die TV-Übertragung seine Jagd nach der EM-Norm für Berlin in den Mittelpunkt gerückt hat. „Für einen Vier-Stunden-Läufer ist eine 2:13 genauso beeindruckend wie eine 2:04. Es kommt aber darauf an, dass er die Geschichten der Local Heroes kennt und sich mit ihnen identifizieren kann“, sagt Pflieger.

Seine Popularität hat aber auch damit zu tun, dass er sich mit mehr in die Lauf-Community einbringt als nur mit dem Abrufen von Top-Leistungen bei den großen City-Marathons. Er pflegt zusammen mit einer Agentur seine Facebook- und Instagram-Kanäle sorgsam. Ist fester Bestandteil der Adidas Runners, die weltweit in den großen Metropolen Läufer zusammenbringen und für den Sport begeistern. So oft es sein Training zulässt, ist er bei deren Aktionen am Start, trägt sogar das Logo der Adidas Runners auf dem Trikot.

Im Frühjahr reiste er mit den Adidas Runners bis nach Los Angeles. Zum Foto-Shooting für die weltweite Kampagne eines neuen Laufschuhs, dem Adidas Solarboost. „Ich frage mich heute noch, wie ich in die Auswahl der sieben Leute gekommen bin, die als Gesichter für die Kampagne ausgewählt wurden.“ Alles authentische Läufer und keine Models. Dass darunter neben Philipp Pflieger nur noch eine weitere Profi-Athletin, aber sechs Hobby-Läuferinnen und -Läufer vn den Adidas Runners waren, zeigt wie wichtig der Community-Gedanke mittlerweile für die großen Sportartikel-Hersteller ist.

Aber auch im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit kleineren Sponsoren bringt sich Philipp Pflieger sehr aktiv ein. So war er bei UltraSports an der Entwicklung eines ganz neuen Sportgetränks beteiligt, das am 16. September erstmals beim Berlin-Marathon an alle Teilnehmer ausgeschenkt wird: Beetster ist ein Wettkampfgetränk mit Roter Bete, das überraschend wenig süß schmeckt.

Dass es dieses Getränk gibt, hat auch mit Philipp Pfliegers Zusammenbruch beim Berlin-Marathon vor einem Jahr zu tun. Damals hatte ihn im Dauerregen kurz vor dem Ziel dermaßen die Kraft verlassen, dass er mehrmals zu Boden ging und das Rennen aufgeben musste. Danach hat er zusammen mit dem Ernährungsexperten und Ultra-Sports-Gründer Dr. Wolfgang Feil seine Verpflegung im Rennen hinsichtlich des extremen Einbruchs analysiert.

„Dabei ist dann die Idee entstanden, für mich ein spezielles Wettkampf-Getränk zu kreieren. Wir haben dann verschiedene Prototypen durchgetestet und irgendwann war das ganze Team so begeistert von der Kreation, dass man bei UltraSports alles daran gesetzt hat, das neue Getränk in den Handel zu bringen und so allen Läufern verfügbar zu machen“, erzählt Philipp Pflieger. Und so hat sogar sein Zusammenbruch beim Berlin-Marathon 2017 noch etwas Gutes für die Lauf-Community bewirkt.