Ratgeber
schwitzenbeimsport
© Adobe Stock/peopleimages.com

Schwitzen beim Sport
Diese Aufgaben hat der Schweiß

| Text: Dr. Stefan Graf | Fotos: Adobe Stock

Schwitzen beim Sport ist mehr als Körperkühlung. Auch im Flüssigkeits- und Mineralstoffhaushalt sowie im Immunsystem übernehmen die Schweißdrüsen wichtige Aufgaben.

„Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt!“, lautet eine sprichwörtliche Redensart. Und wann würde uns das mehr bewusst als beim Laufen? Denn schwitzen beim Sport - das tut jede und jeder. Da wir Menschen gleichwarme „Tiere“ sind, ist unser Organismus bestrebt, seine Körperkerntemperatur konstant auf etwa 37 Grad Celsius zu halten. Intensive Aktivität lässt sie um bis zu zwei Grad ansteigen. Das pusht die energieliefernden Stoffwechselprozesse. Bei über 39 Grad Celsius allerdings kann es zu einer Störung wichtiger Enzymfunktionen und Verdickung des Blutes kommen und es wird gefährlich.

Wie gut ist es da, dass uns die Evolution mit einem leistungsfähigen Wasserkühlsystem ausgestattet hat, das weniger schambehaftet ist als die „Klimaanlage“ von Störchen. Die nämlich bepinkeln und bekoten sich selbst, um sich durch die Verdunstungskälte Kühlung zu verschaffen. Das Prinzip ist bei uns dasselbe, nur die Flüssigkeitsproduktion funktioniert eleganter: über Schweißdrüsen, deren Arbeit vom vegetativen Nervensystem gesteuert wird.

Schwitzen beim Sport: Mehr als nur Kühlung

Die Bedeutung des Schwitzens beim Sport geht aber weit über die Kühlung des menschlichen Verbrennungsmotors hinaus. Die Arbeit der Schweißdrüsen leistet einen wichtigen Beitrag zur vorwiegend von Nieren und Lungen bewerkstelligten Regulation des Flüssigkeits- und Mineralstoffhaushalts. So werden mit dem Schweiß auch Nebenprodukte des Energiestoffwechsels, sogenannte Metaboliten, ausgeschieden.

Schweißmenge und -zusammensetzung sind dabei wichtige Regelgrößen, um das innere Milieu – etwa den sensiblen pH-Wert und die Viskosität des Blutes – konstant zu halten und die für den Herzmuskel essentiellen Elektrolyte (Kalium, Natrium) nicht entgleisen zu lassen.

Aber der Schweiß ist auch im Außendienst tätig. Er hält die Haut geschmeidig, schützt sie vor schädigenden Umwelteinflüssen und spielt als zwischenmenschlicher olfaktorischer Signalgeber eine bedeutende Rolle. Diese Faktoren sind jahreszeitunabhängig bei Hitze wie bei Kälte relevant.

Zwei verschiedene Schweißdrüsen

Ein Automotor mit defekter Kühlung überhitzt auch im Winter. Beim menschlichen Antrieb ist das ähnlich. Der Energiestoffwechsel produziert metabolische Wärme. Das ist die Wärme, die durch den Muskelstoffwechsel freigesetzt wird.

Tatsächlich liegt der Wirkungsgrad unserer Muskeln bei nur 25 Prozent. Das bedeutet, nur ein Viertel der Nahrungsenergie fließt in die Bildung von ATP – die vom Muskel nutzbare Energieform. 75 Prozent werden in Wärme umgewandelt, die bei intensivem Training den Körper sogar bei strengem Frost so stark erwärmt, dass er durch Schwitzen gekühlt werden muss.

Um all die genannten Aufgaben zu erfüllen, ist unser Körper mit zwei Schweißdrüsenarten bestückt, die beide in der Lederhaut – das ist eine Bindegewebsschicht unter der Außenhaut – angesiedelt sind. Die klare „Kühlflüssigkeit“, also jener Schweiß, der beim Laufen oder in der Sauna aus allen Poren strömt, wird von ekkrinen (d. h. nach außen abführenden) Schweißdrüsen produziert, die über fast die gesamte Körperoberfläche verteilt sind.

schwitzenbeimsport
© Adobe Stock/peopleimages.com

Frischer Schweiß riecht nach nichts

Dagegen finden sich apokrine (d. h. Sekret plus Zellbestandteile absondernde) Schweißdrüsen nur in Genital-, Achselhöhlen- und Brustwarzenbereichen. Sie sondern einen milchig-viskösen Duftschweiß ab, der vornehmlich nicht der Wärmeregulation, sondern der zwischenmenschlichen Kommunikation dient. Dessen Geruch bestimmt maßgebend das gegenseitige „Sich-Riechen-Können“ und entscheidet über Sympathie und Antipathie beim ersten Aufeinandertreffen.

Der individuelle Köpergeruch entsteht aber erst durch die zersetzende Arbeit von Hautbakterien. Dabei bilden sich im ekkrinen Schweiß zum Teil übelriechende Butter- und Ameisensäure, wohingegen aus Inhaltsstoffen von apokrinem Schweiß besondere individuelle Duftnoten entstehen. Frischer Schweiß ist geruchsneutral.

Bis zu vier Liter Schweiß pro Stunde

Um effektiv zu kühlen, können die ekkrinen Schweißdrüsen beim Sommertraining pro Stunde bis zu vier Liter Schweiß produzieren. Aber auch ohne körperliche Belastung und hohe Außentemperatur geben sie tagtäglich etwa 200 Milliliter ab. Ekkriner Schweiß ist farb- und geruchsneutral und besteht zu 99 Prozent aus Wasser.

Dennoch kennt jeder den salzigen Geschmack und die Krustenbildung. Neben Kochsalz wird über den ekkrinen Schweiß auch ein Cocktail aus Mineralstoffen, Laktat, Harnstoff und Aminosäuren ausgeschieden, der sowohl für die Regulation des Mineralstoffhaushalts als auch für die Ausscheidung von Metaboliten relevant ist. Last but not least hat diese Mischung einen sauren pH-Wert, der den Säureschutzmantel der Haut stabilisiert, jene äußere Brandschutzmauer gegen Krankheitserreger und unbelebte Schadstoffe.

Schweiß als körpereigenes Antibiotikum

Im Hinblick auf die „Feindabwehr“ warten die Schweißdrüsen noch mit einem besonderen Schmankerl auf. Sie produzieren das Peptid Dermicidin“. Peptide sind wie Proteine aus Aminosäuren aufgebaut, nur kleiner, aber im Falle des Dermicidin hoch funktionell. Auf der Hautoberfläche macht es ungebetenen Viren, Bakterien und Pilzen den Garaus. Säureschutzmantel und Dermicidin machen den Schweiß zu einem körpereigenen Antibiotikum.

Neben dem äußerlich sichtbaren, durch die Schweißdrüsen vermittelten Schwitzen, entsorgt der Körper über Haut, Schleimhäute und die Atmung pro Stunde und Kilogramm seines Gewichts etwa einen halben Milliliter Flüssigkeit. Binnen 24 Stunden ergibt das je nach persönlichem Körpergewicht einen Flüssigkeitsverlust zwischen einem halbem und über einem Liter. Der Fachbegriff für dieses verborgene Schwitzen lautet Perspiratio insensibilis (PI)“.

schwitzenbeimsport
© Adobe Stock/Kumer Sergii

Flüssigkeitsverlust wird oft unterschätzt

Wenn wir trainieren, steigt mit Zunahme von Atem- und Herzfrequenz, Stoffwechselrate und Körpertemperatur auch die PI. Allein aus der Intensität des sichtbaren Schwitzens lassen sich somit keine Rückschlüsse über die Flüssigkeitsverluste ziehen. Gerade Läuferinnen und Läufer, die äußerlich nicht so stark transpirieren, unterschätzen oft den eigenen Flüssigkeitsverlust.

Das gilt auch für den Winter. Die Wärmeproduktion ist energetisch deutlich aufwendiger als das sommerliche Kühlen. Folglich muss der Körper mehr Kohlenhydrate und Fette zur Wärmeproduktion „verheizen“. Dabei entstehen CO² und Wasser, die via PI entsorgt werden. Auch ohne einen Tropfen Schweiß auf der Haut geht somit Flüssigkeit verloren, die in der Bilanz berücksichtigt werden muss.

Auf das Durstgefühl – unter Normalbedingungen durchaus ein Wegweiser für die richtige Trinkmenge – ist bei extremen Bedingungen, zu denen das Laufen bei hohen oder niedrigen Temperaturen zählt, aufgrund der stark steigenden Flüssigkeitsverluste kein Verlass mehr.

Passende Kleidung kann Wärmestau verhindern

Die Empfehlung, beim Sport „atmungsaktive“ Textilien zu tragen, ist richtig. Jedoch nährt dieses omnipräsente Adjektiv den hartnäckigen Irrglauben, der Mensch würde ähnlich wie Amphibien – in bedeutendem Ausmaß durch seine Haut atmen. Real nimmt der Mensch nur circa 0,5 Prozent des benötigten Sauerstoffs durch die Haut auf. Mit Atmung im biologischen Sinn hat diese „Hautatmung“ nichts zu tun.

Mit textiler „Atmungsaktivität“ ist vielmehr die ungehinderte Verdunstung der vom Köper abgegebenen Flüssigkeit gemeint. Und damit sind wir wieder bei der Thermoregulation. Atmungsaktive Kleidung ermöglicht die störungsfreie Trans- und Perspiration. Sie schützt den Organismus vor einem schlimmstenfalls zum Hitzschlag führenden Wärmestau bzw. im Winter vor einer Auskühlung infolge mangelnder Luftisolierung.

Hilft Schwitzen beim „Entschlacken“?

Da wir gerade bei den Mythen sind. Die so gehypte Detox-Welle gibt vor, den Menschen von einem Tsunami seinen Körper vergiftender „Schlacken“ – ein Begriff aus der Metallurgie, der in der Biologie nichts verloren hat – befreien zu müssen. Abseits von allerhand fragwürdigen „Detox-Produkten“ wurde auch dem Schwitzen eine „entschlackende“ Wirkung angedichtet. Nur: Was nicht da ist (Schlacke), kann auch nicht entsorgt werden. Entsorgungspflichtiger Metaboliten entledigt sich der Organismus über seine Abbau- und Ausscheidungsorgane (Lunge, Leber, Niere, Darm, Haut) – ganz ohne Mythen und Fiktionen.

Mal ehrlich: Ein bisschen gehört das Schwitzen doch auch zum Laufen wie das Posen zum Body Building. So unangenehm uns Schwitzen in Alltagssituationen ist, so erfüllt er uns beim Laufen als Symbol der Leistung mit Stolz. Doch: „Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe!“

Jeder Mensch schwitzt anders

Manchen strömt es sogar bei Minusgraden bereits nach wenigen Minuten aus allen Poren, wohingegen andere selbst beim Sommertraining lange „knochentrocken“ bleiben. Das Geschlecht spielt eine Rolle. Männer schwitzen aufgrund höherer Körperwasser-, Muskelmasse- und Testosteronanteile durchschnittlich stärker. Sie besitzen auch mehr Schweißdrüsen (ca. 2,5 Mio.) als Frauen (ca. 1,8 Mio.). Entscheidend wird die individuelle Schweißproduktion jedoch von Genetik, Psyche und der Prägung des vegetativen Nervensystems bestimmt.

Um die Aussagekraft der individuellen Schwitzintensität ranken sich viele Mythen. Die einen deuten große Schweißmengen als Zeichen eines hohen Fitnesslevels mit funktionierender Thermoregulation. Wenigschwitzende dagegen halten sich für so austrainiert, dass sie erst gar nicht überhitzen. In beidem liegt ein Funken Wahrheit.

Unstreitig drückt sich ein guter Trainingszustand auch in leistungsfähiger Thermoregulation aus. Doch es fehlt eine klare Korrelation zur Intensität des Schwitzens. Das vegetative Nervensystem macht da so ein wenig sein eigenes Ding. So wie es anlagebedingt verschiedene Körperbau- und Blutdrucktypen gibt, schwitzen Menschen von Natur aus mehr oder weniger stark. Für alle gilt aber: Die Effektivität der Thermoregulation wird durch Training verbessert.

Auch „Stress-Schwitzen“ hat seinen Sinn

Ob beim Stolpern über eine Wurzel oder der Konfrontation mit einem zähnefletschenden Vierbeiner – jeder Läufer kennt Schrecksituationen, die schlagartig „kalten Schweiß“ über den Rücken laufen lassen. Auch dieses Stress-Schwitzen hat einen biologischen Sinn.

Der kühlende Schweiß bewirkt gemeinsam mit den freigesetzten Stresshormonen Adrenalin und Noradrenalin eine Verengung der Hautblutgefäße. Das hier eingesparte Blut wird verstärkt den Muskeln zugeführt. Die so erreichte Erhöhung des Reaktions- und Leistungsvermögens ist neben Dermicidin ein zweiter der Schweißproduktion innewohnender Mechanismus zur Schadensabwehr.

schwitzenbeimsport
© Adobe Stock/Jacob Lund

Tätowierungen beeinflussen das Schwitzen

Im Vergleich zu oft ganzkörperverzierten Fußballprofis, sind Großflächentattoos in der Laufwelt weniger verbreitet. Dennoch ist auch hier der Trend unverkennbar. Während potenziell krebsauslösenden Inhaltsstoffe schwarzer und bunter Tattoofarben schon länger Sorge bereiten, gesellt sich eine weitere, das Schwitzen betreffende, dazu.

Physiologen um Professor Maurice Luetkemeier aus Michigan haben studienbasiert eine um 50 Prozent verminderte Schweißproduktion (0,18 versus 0,35 mg pro Quadratzentimeter und Minute) auf tätowierten Hautarealen ermittelt. Der knappe „Tattoo-Schweiß“ wies einen abnorm hohen Natriumgehalt (69 vs. 43 mmol pro Liter) auf.

Potenzielle Risiken bei Tätowierten

Unter dem geringen Schweißvolumen leidet womöglich die Thermoregulation und Verschiebungen des Natriumhaushaltes zählen zu den größten Gefahren für das Herz bei sportlicher Belastung. Auch wenn eine spätere, anders designte Studie diesen Befund nicht bestätigte, sollte jede Tattooentscheidung aufgrund der Vielzahl potenzieller Risiken gut überlegt sein: Think before you ink!

Der brennstoffbetriebene Läufermotor braucht das Schwitzen nicht nur zur sommerlichen Kühlung. Schweißdrüsenaktivität und drüsenunabhängige Flüssigkeitsabgabe sind 24 Stunden an sieben Tagen die Woche und 365 Tagen im Jahr gefragt, um Körpertemperatur, Mineralstoff- und Flüssigkeitshaushalt sowie Stresslevel und äußere Schutzbarriere stabil zu halten.

Die 5 Funktionen des Schwitzens

  1. Temperaturregulation: Schwitzen verhindert zu starken Anstieg der Körpertemperatur
  2. Flüssigkeitshaushalt: Der Schweiß ist beteiligt an der Regulation des Flüssigkeits- und Mineralstoffhaushalts des Körpers
  3. Ausscheidung: Mit dem Schweiß gibt der Körper Stoffwechselprodukten wie Wasser, CO2, Laktat und Harnstoff an die Umwelt ab
  4. Hautschutz: Schweiß hat einen sauren pH-Wert, der den Säureschutzmantel der Haut stabilisiert. So schützt Schwitzen auch vor Krankheitserregern. Schweiß wirkt wie ein körpereigenes Antibiotikum
  5. Signalwirkung: In Schweiß sind „duftende“ Sexuallockstoffe enthalten, die anziehend auf andere Menschen wirken können