Chicago: Dibaba läuft Spitzenzeit, Rupp holt US-Sieg

| Text: Jörg Wenig | Fotos: Bank of America Chicago Marathon
Tirunesh Dibaba hat den Chicago-Marathon in der Weltklassezeit von 2:18:31 Stunden gewonnen. Bei den Männern feierte Galen Rupp einen US-Heimsieg.

Sollte Jemand anhaltende Zweifel an Galen Rupps Talent im Marathon gehabt haben, so wurden diese wahrscheinlich am Sonntag endgültig beseitigt. Der 31-Jährige US Amerikaner gewann den Chicago Marathon in 2:09:20 Stunden und wurde somit der erste Amerikaner, der einen Heimsieg holte seit 2012. Ebenfalls im Mittelpunkt des internationalen Interesses steht die Äthiopierin Tirunesh Dibaba, die ihren ersten Sieg über die klassische Distanz mit einer überragenden Zeit von 2:18:31 Stunden in Chicago feiern durfte. Damit erzielt sie die sechstbeste je gelaufene Zeit und reiht sich in die Liste der ewigen Besten ein. 

Tirunesh Dibaba hat den Chicago-Marathon in der Weltklassezeit von 2:18:31 Stunden gewonnen. Im dritten Marathon gelang der äthiopischen Ausnahmeläuferin damit ihr erster Sieg über die klassische Distanz. Die 32-Jährige erzielte in Chicago die sechstbeste je gelaufene Zeit. Ohne Tempomacher laufend, verfehlte Tirunesh Dibaba jedoch zwei angepeilte Rekordziele: Vor 15 Jahren hatte die Britin Paula Radcliffe den Chicagoer Streckenrekord von 2:17:18 Stunden aufgestellt. Auch zu Dibabas eigenem Landesrekord, den sie im Frühjahr in London mit 2:17:56 gelaufen war, reichte es am Sonntag nicht. Souverän gewann die Äthiopierin vor der Kenianerin Brigid Kosgei und der US-Amerikanerin Jordan Hasay, die mit 2:20:22 und 2:20:57 jeweils starke persönliche Bestzeiten liefen.

Galen Rupp war nicht zu schlagen

Einen US-Heimsieg feierte Galen Rupp. Der Marathon-Olympia-Dritte von Rio gewann das Rennen in einer persönlichen Bestzeit von 2:09:20 Stunden vor dem kenianischen Titelverteidiger Abel Kirui, der nach 2:09:48 im Ziel war. Bernard Kipyego (Kenia) belegte Rang drei in 2:10:23. Rund 40.000 Läufer gingen in Chicago bei sonnigem Wetter - allerdings sehr hoher Luftfeuchtigkeit nach Regenfällen - an den Start.

Obwohl Race-Direktor Carey Pinkowski noch im August erklärt hatte, dass es das Ziel sei, in Chicago Rekorde zu brechen, setzten die Veranstalter erneut keine Tempomacher ein. Auf der schnellen Strecke entwickelte sich dadurch ein Männerrennen, das am Ende in der Spitze erwartungsgemäß zweitklassige Zeiten produzierte. Immerhin ging der Plan auf, den Marathon auf Galen Rupp zuzuschneiden, so dass es in Chicago den ersten US-Sieg seit 2002 gab. Das Gros seiner namhaften Konkurrenten war nicht in Bestform.

Eine große, 22-köpfige Spitzengruppe hatte die Halbmarathonmarke nach 65:49 Minuten erreicht. Obwohl das Tempo zunächst nicht viel schneller wurde, waren bei 30 km nur noch neun Läufer vorne. Der aktuelle Weltrekordler Dennis Kimetto (2:02:57) und der ehemalige New York-Marathon-Sieger Stanley Biwott (beide Kenia) hatten das Rennen da schon aufgegeben. In der Folge wurde einmal mehr klar, dass der Halbmarathon-Weltrekordler Zersenay Tadese (Eritrea/58:23 Minuten) kein Marathonläufer ist. Er wurde am Ende Achter in 2:12:19. Der Olympia-Zweite Feyisa Lilesa (Äthiopien) kam nicht über Platz 14 in 2:14:49 hinaus. 

Während der frühere Frankfurt- und Wien-Marathon-Sieger Sisay Lemma (Äthiopien) bald nach Kilometer 35 Probleme bekam, konnte Titelverteidiger Abel Kirui einer Tempoverschärfung von Galen Rupp rund fünf Kilometer vor dem Ziel nicht mehr folgen. Der Amerikaner hatte relativ leichtes Spiel auf dem Weg zu seinem bisher größten Marathonsieg. „So ein Rennen wie Chicago zu gewinnen, ist natürlich toll. In der Vergangenheit habe ich den Fehler gemacht, zu früh das Tempo zu forcieren. Heute habe ich gewartet“, sagte Galen Rupp.

Das hohe Tempo von Tirunesh Dibaba gingen wider erwarten gleich vier Konkurrentinnen mit. Die 10-km-Marke passierten Titelverteidigerin Florence Kiplagat sowie ihre kenianischen Landsfrauen Valentine Kipketer und Brigid Kosgei als auch Jordan Hasay gemeinsam mit Dibaba in 32:28 Minuten - eine Zwischenzeit, die auf ein Ergebnis von rund 2:17:00 Stunden hinausläuft. Auch bei der Halbmarathonmarke (68:48) war das Quintett noch zusammen. Bald danach war es dann nur noch Kosgei, die mit einer Bestzeit von 2:24:45 ins Rennen gegangen war, die Dibaba folgen konnte. Das erwartete Duell zwischen Dibaba und Kiplagat fand nicht statt, die Kenianerin gab vor der 30-km-Marke auf. Kurz danach konnte dann auch Kosgei nicht mehr mit Dibaba mithalten. Die Äthiopierin lief auf den letzten Kilometern nicht mehr so locker und drehte sich mehrfach um - doch von hinten drohte an diesem Tag keine Gefahr.

„Chicago ist eine schnelle Strecke, aber ohne Pacemaker ist es schwer. Ich war immer vorne. Für einen Weltrekordversuch braucht man Tempomacher“, sagte Tirunesh Dibaba. „Ich bin froh, dass ich meinen ersten Marathon gewonnen habe. Ich hatte mich lange konzentriert auf Chicago vorbereitet.“ 

Neben Brigid Kosgei, die nach 2:20:22 im Ziel war, steigerte sich auch Jordan Hasay deutlich in Chicago. Die 26-jährige US-Amerikanerin lief in ihrem zweiten Marathon 2:20:57, nachdem sie im April in Boston mit 2:23:00 bereits ein sehr beachtliches Debüt gelaufen war - auch dort war sie Dritte. „Jordan ist die nächste US-Rekordlerin - ganz sicher“, kommentierte die frühere Marathon-Olympiasiegerin Joan Benoit-Samuelson (USA). Hasay lag am Sonntag bereits bis Kilometer 30 auf US-Rekordkurs (2:19:36), konnte das Tempo dann aber nicht mehr halten. „Ich muss abwarten wie es weiter geht - man darf sich nie sicher sein“, sagte Jordan Hasay.