© XTerra Gozo Trails

Inselumrundung im Laufschritt
Trailrun über Stock und Stein auf Maltas Schwesterinsel Gozo

| Text: Marleen Neumeier | Fotos: XTerra Gozo Trails, Adobe Stock

Marleen Neumeier feierte auf Gozo ihre Trailpremiere. Und auch wenn die matschig, nass und blutig endete, konnte sie die Trailbegeisterung vieler Läuferinnen und Läufer danach besser verstehen.

Trails? Darin ist unsere 19 Jahre alte Autorin vollkommen unerfahren. Sie war Leichtathletin, ist Mittelstrecken gelaufen. Auf der glatten Kunststoffbahn versteht sich. Bei ihrem ersten Trailrun hat sie die kleine Mittelmeerinsel Gozo erkundet. Hier liest du, wie es für sie ohne Vorbereitung und sogar ohne Trailschuhe beim XTerra-Trail auf der wunderschönen Insel gelaufen ist.

Einmal um die ganze Insel. Das ist bei der längsten Strecke des XTerra Gozo Trail möglich. Mir kommt es völlig verrückt vor, um sieben Uhr morgens zu 50 Kilometern mit 1500 Höhenmetern aufzubrechen. Deshalb fahre ich mit dem Shuttlebus nach dem Start der Ultraläufer vom Zielbereich in Ghajnsielem, wo alle Läuferinnen und Läufer später ankommen werden, zu einer kleinen Fischerbucht im Osten der Insel. Hier wird der Startschuss zu den elf Kilometern Trail fallen, die ich mir zutraue.

Im Shuttle lerne ich zwei andere Frauen kennen. Eine kommt auch aus Deutschland, die andere aus den Niederlanden. Sie erzählen mir, dass ihre Männer schon auf der 50-Kilometer-Distanz unterwegs sind. Sie seien erfahrene Trailrunner, die auch schon mal 130-Kilometer-Rennen gelaufen sind. Irgendwie bauen solche Geschichten Druck auf – auch wenn ich eigentlich gar keine Erwartungen an mich stellen wollte.

Aber dann kommt raus, dass die beiden Läuferinnen selbst noch nie zuvor einen Wettkampf gelaufen sind. Beruhigend. Ich bin also nicht die Einzige, die sich so ganz ohne Erfahrung an einen Traillauf wagt. Außerdem haben die beiden auch nur normale Laufschuhe an – so wie ich.

Etwa eine Stunde vor dem Start kommen wir in der kleinen Fischerbucht Daħlet Qorrot an. In den vergangenen Wochen hatte es ungewöhnlich viel geregnet. Auch in der Nacht vor dem Renenn. So ist die Insel recht grün für November, aber es sind auch überall Pfützen. So ist es bereits vor dem Rennen schwierig, die Füße trockenzuhalten.

Langsam fange ich an, mich wie vor einem Wettkampf in meinen Leistungssportzeiten aufzuwärmen. Ein bisschen einlaufen, dehnen und Lauf-ABC. Macht man das vor einem Trailrun so? Keine Ahnung. Es gibt mir auf jeden Fall Sicherheit und nimmt die Aufregung. Vielleicht sieht es auch wenigstens so aus, als wüsste ich, was ich da tue.

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Wie Gozo sein Wahrzeichen verlor

Die Insel Gozo gehört zum Staat Malta und ist von dort aus in etwa einer halben Stunde mit der Fähre zu erreichen. Gozo ist im Vergleich zu Malta grüner und weniger dicht besiedelt. Etwas über 30.000 Einwohner leben auf der Insel, in deren Inneren sich Täler und Hügelzüge abwechseln. An manchen Stellen fällt die Hochfläche als Klippen 100 Meter steil ins Meer ab. Berühmt ist Gozos „Azure Window“. Als blaues Fenster wurde ein 100 Meter langer und 20 Meter hoher natürlich geformter Torbogen bezeichnet, der von den Klippen ins Meer ragte.

Die Felsenformation galt als einer der letzten Überbleibsel einer Landbrücke zwischen Europa und Afrika, die vor etwa 13.000 Jahren unterbrochen wurde. Im März 2017 brach die Felsbrücke in einem heftigen Sturm mit hohen Wellen zusammen. Zu bewundern ist sie allerdings immer noch auf zahlreichen Postkartenmotiven und in der ersten Staffel der Kultserie „Game of Thrones“, für die einige Szenen hier gedreht wurden. Außerdem ist Gozo bekannt für die Salzgewinnung aus Meerwasser mithilfe altertümlicher, geometrisch geformter Pfannen. Darüber hat bereits die „Sendung mit der Maus“ berichtet.

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Steil bergauf, über schmale Pfade

Um elf Uhr stehen dann 135 Läuferinnen und Läufer an der Startlinie. Bevor der Startschuss fällt, ruft ein Mann des Organisations-Teams in die Menge: „Ich hoffe, ihr habt alle eine gut funktionierende Waschmaschine daheim!“ Und damit geht die Schlammschlacht los. Eine schmale Treppe führt direkt über den Wellen des Meeres aus der Bucht Richtung Steilküste. Die Szenerie mit dem türkisfarbenen Meer ist atemberaubend.

Aber es geht auch 500 Meter steil bergauf. Laufen ist unmöglich. Mit schnellen Gehschritten mache ich ein paar Plätze gut. Als sich das Läuferfeld nach einer Weile mehr und mehr auseinanderzieht, lässt sich die Szenerie genießen. Manchmal vergesse ich das vor Anstrengung, aber dann gibt es immer mal wieder einen kleinen Motivationsschub.

Auf schmalen, kaum zu erkennenden Pfaden mit großen Steinbrocken und Geröll geht es auf und ab. Dann ein seltener Straßenabschnitt. Hier fühlt sich das Laufen fast wie Fliegen an. Doch dann geht es schon wieder auf steinigen Pfaden bergab. Das erfordert volle Konzentration. Ausrutschen oder Umknicken kann böse enden. Meine Fußgelenke arbeiten auf Hochtouren. Das werde ich noch Tage später am Muskelkater merken, an Stellen, von denen ich bis dahin gar nicht wusste, dass ich da Muskeln habe.

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Das Meer spült den Matsch von den Schuhen

Die Einheimischen, die auf allen Distanzen deutlich in der Überzahl sind, kommen in diesen Trailpassagen besser zurecht. Sie sind diese Pfade gewöhnt und haben mehr Erfahrung. Auf den flacheren Wegen und Straßenabschnitten profitiere ich von meiner Ausdauer und hole wieder auf.

Vor allem in der zweiten Rennhälfte geht es größtenteils durch vom Regen aufgeweichte, tiefe Lehmgruben. Jetzt vermisse ich Trailschuhe. Meine Laufschuhe sind mittlerweile zwei Lehmklumpen. Bis wir eine Klippe hinunter zum Meer geklettert sind. Eine Welle umspült meine Beine bis zum Knie. Jetzt sind meine Schuhe zwar größtenteils vom Lehm befreit, dafür aber komplett nass. Halt bieten die glatten Sohlen so kaum noch.

Über eine Stahlleiter geht es die riesigen Felsbrocken wieder hoch. Dann über Mauern, durch kaum zu durchdringendes Gestrüpp und zugewachsene Treppen wieder nach oben auf die Küste. Ich bemerke gar nicht, dass die dornigen Büsche meine Haut an den Beinen aufgerissen haben.

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Mit blutigen Beinen ins Ziel

Jetzt bin ich fast allein unterwegs. Vor und hinter mir sind keine Läuferinnen oder Läufer mehr zu sehen. Da ist es umso wichtiger, sich nicht zu verlaufen und immer wieder Ausschau nach den roten Markierungspunkten an irgendwelchen Felsen zu halten. Die letzten eineinhalb Kilometer führen von einem kleinen Hafen bergan nach Ghajnsielem. Auf eine völlig zugewachsene Steintreppe, die unendlich erscheint, folgen unzählige Kurven.

Nach jeder weiteren Hausecke wünsche ich mir immer sehnlicher, den Zielbogen von „XTerra“ endlich zu erblicken. Ich höre schon die Musik, die Ansagen des Moderators und den Jubel der Zuschauer. Die Geräusche kommen näher und endlich kann ich die Ziellinie sehen. Geschafft! Mein erster Trailrun – und dann auch noch auf Gozo! Mit Blut an den Beinen und in Laufschuhen, die man vor lauter Dreck fast nicht mehr wiedererkennen kann, bin ich überglücklich und kann es viel besser verstehen, dass manchen für dieses Glück elf Kilometer längst nicht reichen, sondern dass es gern 50 oder mehr sein dürfen.