St. Moritz Running Festival
Trailrunning-Fest der Extraklasse in der Schweiz

| Text: Stefan Schlett | Fotos: St. Moritz Running Festival, Sportograf

Drei Tage, vier Erwachsenen- und ein Kinderlauf – und das in der malerischen Umgebung von St. Moritz im Engadin: Das St. Moritz Running Festival war ein wahrer Genuss für Trailrunning-Fans.

Der Engadiner Sommerlauf gehört mit zu den ältesten Laufveranstaltungen in der Schweiz. 2019 zelebrierte er sein 40-jähriges Jubiläum mit einer Rekordteilnehmerzahl von über 2600 Läufern. Auch in der Pandemie gab es keinen Totalausfall, er gehörte zu den wenigen Events, die ohne Unterbrechung oder Terminverschiebung stattfanden, natürlich nicht ohne Teilnehmerschwund, dafür aber ganz real.

Letztes Jahr als „Engadiner Sommerlauf Special Edition“, mit geänderten Startprozeduren und Streckenführungen, Abstands- und Distanzregeln, angepassten Verpflegungskonzepten und limitierter Teilnehmerzahl. Wer aufgrund der Umstände keinen Startplatz erhielt, konnte mittels einer App auch virtuell am Geschehen teilnehmen.

Das Team des Engadiner Sommerlaufs rund um Präsidentin Anne-Marie Flammersfeld wollte mit der Durchführung wieder etwas Normalität im Wettkampfgeschehen schaffen. Positiver Nebeneffekt: Viele Topathleten nutzten die Möglichkeit einer Wettkampfteilnahme. Und zahlreiche Spitzenathleten, die zu der Zeit im Engadin im Höhentraining weilten, meldeten sich an. Zudem waren auch die Volksläufer froh, endlich wieder unter Wettkampfbedingungen an einer großen Veranstaltung teilzunehmen.

Drei Tage Laufen pur in unglaublicher Natur

Die Organisation nutzte die Pandemie aber auch, um sich neu zu sortieren. Anne-Marie Flammersfeld, diplomierte Sportwissenschaftlerin, Mentalcoach, Vortragsrednerin und Personaltrainerin, ist seit gut zehn Jahren OK-Präsidentin des Engadiner Sommerlaufs. Die umtriebige Extremsportlerin, die den Weltrekord im Speedclimbing am Kilimandscharo hält, führte bereits vor vier Jahren den „Free Fall Vertical“ ein und machte aus dem Engadiner Sommerlauf ein Zwei-Tages-Event.

Mit dem Vertikalrennen über 6,6 Kilometer und 1069 Höhenmeter über die Piste der Ski WM-Herrenabfahrt mit spektakulärem Ziel am legendären Starthang in 2840 Metern Höhe, dem sogenannten Freien Fall, wollte sie den Teilnehmenden eine neue Herausforderung anbieten und ihnen das Engadin aus der Höhe zeigen. Nun ist aus dem Engadiner Sommerlauf das „St. Moritz Running Festival“ geworden. Aus zwei wurden drei Tage, die bei traumhaftem Sommerwetter über 1500 Teilnehmer und Teilnehmerinnen lockten.

Die Zeit war reif für Veränderungen. Neben den Standardläufen Sommerlauf (25,5 km), Muragl-Lauf (12 km) und Vertikalrennen kam als neues Rennformat der „Crossing Engiadina“ hinzu, ein dreitägiger Etappenlauf über insgesamt 70,5 Kilometer und 3842 Höhenmeter auf den schönsten Trails der Region.

Nach dem Laufen der Musik lauschen

Das Areal um die Eisarena Ludains in St. Moritz Bad wurde zum Festivalgelände und diente als zentraler Anlaufpunkt für alle Wettbewerbe und Aktivitäten. Idyllisch am Ufer des St. Moritzer Sees gelegen, bot es neben sportlicher Unterhaltung eine extra Portion Lifestyle.

Getreu dem Motto „Nach dem Lauf beginnt dein Festival“ lud die Bewegungsarena dazu ein, das Laufen mit noch mehr Lebensfreude zu verbinden. Im Festival Village lockten regionale Foodstände mit kulinarischen Highlights, DJs, eine Chill Lounge, Workshops, Podiumsdiskussionen, Yoga-Sessions und Livekonzerte luden nach dem Zieleinlauf zum Verweilen ein.

Start und Zutritt nur mit 3G

Teilnehmende, die sich für die Rennen 2020 angemeldet hatten, jedoch aufgrund von Covid-19 nicht starten konnten, erhielten automatisch und kostenlos einen Startplatztransfer für dieses Jahr. Zudem wurden extra für den Event spezielle Hotelpackages kreiert.

Steigende Fallzahlen in der Schweiz veranlassten die Organisation das Schutzkonzept zu verschärfen. Für den Start und den Zutritt in das vollständig abgesperrte Festivalgelände wurden nur Personen zugelassen, die ein gültiges Corona-Zertifikat vorweisen konnten, das bestätigt, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind. Zusammen mit dem Personalausweis wurde dann ein Armbändel ausgehändigt, damit die Dokumente nicht jedes Mal vorgezeigt werden mussten.

Zusätzlich wurde ein mobiles Testzentrum vor dem Festivalgelände platziert, damit es Begleitpersonen, Familienmitgliedern, Passanten und Gästen möglich war, ebenfalls spontan am Festival teilzunehmen. Kinder unter 16 Jahren mussten sich nicht testen lassen. Für einen kostenlosen Schnelltest musste die Krankenkassenkarte vorgewiesen werden. Ausländische Gäste erhielten diesen gegen Wohnsitznachweis.

Weitere Testmöglichkeiten gab es auf Voranmeldung in der Polyclinic in St. Moritz Bad und im Spital in Samedan. Bei den jeweiligen Starts herrschte Maskenpflicht, diese konnte nach Verlassen des Startgeländes abgelegt werden. Und an den Verpflegungsposten war, wie schon im Vorjahr, keine Selbstbedienung erlaubt.

Laufen vor außergewöhnlicher Kulisse

Das ganze Spektakel startete bereits am Donnerstagabend mit einem Apéro im Eventhotel Laudinella, das nur 400 Meter vom Festivalgelände entfernt lag. Hier gingen dann am Freitagmittag 60 Trailläufer und -läuferinnen auf die 1. Etappe des Crossing Engiadina über 22,5 Kilometer und 1210 Höhenmeter. Dieser Wettbewerb hat noch enormes Entwicklungspotential, wenn er erst einmal bekannt ist und nicht mehr durch die Einschränkungen in der Pandemie beeinflusst wird.

Mit dabei als prominenteste Athletin die deutsche Topsportlerin Anna Hahner, zugleich Favoritin bei den Damen. Eine Traumpiste führte durch dichten Bergwald hoch bis zum idyllischen Hahnensee, von dort auf Panoramatrails weiter bis auf 2700 Meter Höhe an der Mittelstation der Corvatsch-Bergbahn und wieder zurück nach St. Moritz. Die zweite Hälfte des Läuferfeldes musste dabei ein leichtes Sommergewitter über sich ergehen lassen.

Am Samstagmorgen stand dann neben der 2. Etappe des Traillaufs (21,3 km + 1320 Hm), der von Samedan über die Corviglia Bergstation nach St. Moritz führte, der Start zum Free Fall Vertical an. Die Strecke führte hoch nach St. Moritz Dorf und dann über die Treppe Richtung Salastrains, wo auf die Piste der Ski WM-Herrenabfahrt gewechselt wurde.

Den Abschluss des Rennens machte der legendäre Starthang, der so genannte Freie Fall mit 45% Neigung. Dort, in 2840 Metern Höhe, wo sich im Winter die Rennfahrer aus dem Starthäuschen auf die Piste stürzen und in Nullkommanichts eine Geschwindigkeit von 140 Stundenkilometern erreichen, lag das spektakuläre, hochalpine Ziel.

Anna Hahner siegt

Beim Freien Fall (was der Autor sonst nur vom Fallschirmspringen kennt ...) handelt es sich übrigens um den steilsten Start aller Herrenskiabfahrten. Auf diese Weise diente der Freie Fall diesmal als Ziel und nicht wie sonst im Winter als Start. Mit jeweils über 2 Minuten Vorsprung siegten die beiden Schweizer Skibergsteiger Victoria Kreuzer mit 58:23 Minuten und Martin Anthamatten in 51:11 Minuten. Beide gaben dann am späten Nachmittag zusammen mit Anna Hahner bei der Podiumsdiskussion tolle Einblicke zum Thema optimaler Laufstil. Letztere gab dabei auch ihre Erfahrungen von der Teilnahme am olympischen Marathon 2016 in Rio wider.

Hauchdünne Nebelschwaden hingen am Sonntagmorgen über der Engadiner Seenplatte und verbreiteten ein zauberhaftes Flair. Die Trailläufer starteten in Sils ihre längste Etappe über 26,9 Kilometer und 1296 Höhenmeter.

Hier, wo schon der Philosoph Friedrich Nietzsche in den Sommermonaten der 1880er-Jahre wohnte, wurde 1:15 Stunden später auch der Hauptlauf gestartet, mit 583 Teilnehmern der größte Wettbewerb. 25,5 flache Kilometer entlang der Seenplatte, die sich wie eine Perlenkette durch das Oberengadin zieht. Ein wenig höher in den Bergen startete in Pontresina fast zeitgleich der Muragl-Lauf über 12 Kilometer mit 302 Läufern. Alle drei Wettbewerbe endeten am Festivalgelände in St. Moritz Bad.

Die Ergebnisse waren international gut durchmischt. Anna Hahner konnte wie erwartet mit drei ersten Plätzen den Gesamtsieg im Crossing Engiadina einfahren, während dies dem Schweizer Santini Alessandro bei den Herren gelang. Den Engadiner Sommerlauf dominierte die Vorjahressiegerin Ivana Iozzia aus Italien und der Kenianer Isaac Kipkemboi Too. Ein zweiter deutscher Gesamtsieg gelang Filip Vercruysse aus Berlin beim Muragl-Lauf, während hier bei den Damen mit Beatriz Caspar wieder eine Schweizerin die Nase vorn hatte.

Ausgelassene Stimmung und Feier-Laune

Drei Tage Running Festival und Sonnenschein bewiesen, dass die Organisation nicht nur einen guten Draht zum Wettergott hat, sondern mit dem neuen Konzept und dem tollen Rahmenprogramm sehr gut für die Zukunft aufgestellt ist. Jeder Laufkilometer wurde gefeiert, die Stimmung war ausgelassen fröhlich, Abkühlung gab‘s durch einen Sprung in den St. Moritzer See, und beim Outdoor-Yoga oder spätestens zur Musik beim Livekonzert konnten die Muskeln nochmals gelockert werden.

Das Schutzkonzept hat funktioniert und alle Teilnehmenden verhielten sich äußerst diszipliniert. 728 Athleten in 2020, doppelt so viele in diesem Jahr, trotz Pandemie – St. Moritz kann Corona!

Informationen zur Region

Das Oberengadin gilt als „das Dach Europas“ und ist mit seinem mondänen St. Moritz nicht nur ein Laufsteg des internationalen Jetsets, sondern auch ein Sportlerparadies. Nicht umsonst wählen viele Spitzensportler die Region für ihr Höhentrainingslager aus. In der klaren, kalten und sauberen Luft in 1800 Metern Höhe, einem sonnenreichen, trockenen Reizklima, treten keine Allergien und so gut wie keine Erkältungen auf.

Das Hochtal im schweizerischen Graubünden ist eines der höchstgelegenen bewohnten Täler Europas. Hier gibt es überdurchschnittlich viel Sonnenschein und ausgesprochen wenig Niederschlag. Oberhalb von Maloja entspringt der Inn. Und dieser Fluss ist es, der dem Hochtal seinen Namen gab: Engadin bedeutet in seiner romanischen Urform „Garten des Inns“.

Das Wasser prägt den Charakter des Engadins. Wilde Bergbäche und Trinkwassersaubere Bergseen machen es zu einem hochalpinen Wasserparadies. Schon Schriftsteller wie Nietzsche, Künstler wie Beuys und Musiker wie David Bowie ließen sich von der fantastischen Weite und diesem zauberhaften Land inspirieren.

Die beschauliche zweistündige Anfahrt mit der Rhätischen Bahn von Chur bringt dem Reisenden die herrliche Bergwelt in homöopathischen Dosen näher. Die Bahnstrecke durchs Albulatal ins Engadin gehört mit ihren Kehrtunnels und den Schwindelerregenden Viadukten zu den malerischsten von ganz Europa. Die höchste Bahntransversale der Alpen verbindet Nord- und Südeuropa auf derart spektakuläre Weise, dass sie unter Unesco-Schutz gestellt wurde.

Sport- und Körperkult

Durch die archaische Schönheit der Bergwelt und das sportliche Ambiente der Region haben sich hier in den vergangenen Jahrzehnten unzählige Ausdauerwettbewerbe entwickelt. Mountainbike-, Trail- und Ultrarennen, Swimrun, Triathlon und, mittlerweile bereits als langjährige Klassiker etabliert, sind Engadiner Radmarathon, Engadiner Skimarathon und Engadiner Sommerlauf, jetzt neu als St. Moritz Running Festival.

Die Landschaft und das Klima scheint die Menschen zu inspirieren, es herrscht eine ausgeprägte Sport- und Körperkultur. Überall wird geradelt, gelaufen, geskatet, gewandert, geklettert, gesurft. Bereits fünfmal wurden in St. Moritz die alpinen Ski-Weltmeisterschaften ausgetragen. Daneben durfte die schillernde Alpenmetropole in den Jahren 1928 und 1948 auch zwei Olympische Winterspiele zelebrieren.

St. Moritz, die schillernde Alpendestination im Zentrum des Engadins bekam ursprünglich Bedeutung durch seine Heilquellen, die seit 3000 Jahren bekannt sind. Die legendären Luxushotels (fünf von acht 5-Sterne-Häusern in der Region thronen hier) sorgen seit den goldenen Zwanzigern für Glanz und Glamour und beherbergten alles, was Rang und Namen hatte: vom Schah von Persien über Charlie Chaplin bis Enrico Caruso. Der Magie von St. Moritz, so sagte Rolf Sachs einmal, bleibe jeder, der einmal da war, verfallen.

Touristische Informationen zum gesamten Engadin:
www.engadin.ch/de

Das nächste St. Moritz Running Festival findet vom 12. bis 14. August 2022 statt. Hier gibt‘s dazu alle erforderlichen Informationen:
www.stmoritzrunningfestival.ch