Urban Trail: Wenn Sport und Kultur sich verbünden

Urban Trail: Wenn Sport und Kultur sich verbünden

| Text: Christian Ermert | Fotos: Ermert, Veranstalter, Starlight Express
Der erste Urban Trail in Bochum hat richtig Spaß gemacht. Hier gibt's jede Menge Bilder und die große Reportage.

Die Stadt zeigt, was sie zu bieten hat. Und öffnet ihre Sehenswürdigkeiten für Läufer. In Bochum hat der erste Urban Trail fast 3000 Sportler begeistert. Bei dem zehn Kilometer langen Lauf, der durchs Starlight Express-Theater, durchs renommierte Schauspielhaus, aber auch durchs Bermuda-Dreieck und eine Brauerei führte, gab es nur strahlende Gesichter. Im nächsten Jahr sollen noch mehr deutsche Städte ihre Highlights sonntagmorgens für die Läufer öffnen. Diesen Sommer warten noch zwei Urban Trails auf dich: In Oberhausen und Dortmund.

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Der Oberbürgermeister als Cheerleader für die Läufer

Der Pfeil auf dem kleinen Schild am Eingang zum Bochumer Rathaus weist den Weg: Hier geht’s zum Oberbürgermeister. Wie jetzt, was jetzt? Der Oberbürgermeister persönlich sitzt am Sonntagmorgen in seiner Amtsstube und begrüßt jeden einzelnen Läufer beim BIG Urban Trail in seiner Stadt persönlich? Gibt’s doch gar nicht. Gibt’s doch. Und es kommt noch besser: Zusammen mit einer Gruppe Cheerleader feuert Thomas Eiskirch jeden an, der durch den Rathaus-Flur vor seinem Büro läuft.

Das gibt es nur bei den Urban Trails – einer neuartigen Serie von Laufveranstaltungen, die im Sommer 2017 in die ersten deutschen Städte kommt. Dabei bleiben die Läufer nicht auf den Straßen, sie erobern wirklich die ganze Stadt. Top-Sehenswürdigkeiten öffnen an einem Sonntagvormittag für tausende Menschen, die mit Laufschuhen an Orte kommen, die sonst für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Oder für die man viel Eintritt zahlen muss. Oder an denen sonst Kultur stattfindet. Das ist das Konzept der Urban Trails.

In Bochum geht das Konzept voll auf. Am Start ist noch so manches wie bei vielen anderen Laufveranstaltungen. In Blocks nimmt man Aufstellung. Schnelle Musik und ein Einpeitscher, der zu letzten Aufwärmübungen auffordert. Aber sofort fällt auf: Adrenalin und Nervosität haben hier keine Chance. Es geht gelassen zu, von Anspannung keine Spur. Alle lächeln, freuen sich darauf, an diesem Sonntagmorgen etwas Besonderes zu erleben. Sie wollen das Laufen ganz ohne Zeitdruck genießen.

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Gänsehaut-Momente im Starlight Express-Theater

Denn Zeitmessung findet bei den Urban Trails nicht statt. Und so stürmt nach dem Startschuss keine Masse auf die Strecke. Statt einem breiten Startbogen gibt es ein enges Tor, durch das jeder Läufer einzeln muss. So sollen Staus vor den ersten Strecken-Highlights verhindert werden.

Dieser Plan geht in Bochum nicht ganz auf. Nach gut 300 Metern gibt’s erstmal eine Pause. Eine Traube Menschen hat sich vor einem Gebäude gebildet, das mit seiner Klinker-Fassade ein bisschen ausschaut wie die typische NRW-Gesamtschule aus den 80ern.

Aber hier geht’s nicht durch den Hintereingang in die Hausmeister-Loge, sondern gradewegs in das Theater, wo seit 1988 bereits mehr als 16 Millionen Menschen das Musical Starlight Express gesehen haben. Vor der Fertigstellung war das Theater wegen der Baukosten von 24 Millionen D-Mark umstritten, es war das erste deutsche Theater, das speziell für ein Stück errichtet wurde.

Als wir nach circa zehn Minuten Wartezeit durch den Eingang sind, fehlt zunächst mal jede Spur von dem Glamour des Musicals, in dem Schauspieler auf Rollschuhen Züge verkörpern und über die nach allen Seiten schwenkbare Bühne und durch die Zuschauerreihen düsen. Hinter den Kulissen wird halt auch bei weltberühmten Musicals vor allem gearbeitet.

Für uns Läufer ist es aber ein Gänsehaut-Moment, aus dem tristen Grau von Büros, Maske und Umkleiden plötzlich mitten in den Musical-Saal mit der Bühne zu laufen, auf der sonst Rusty, Electra und Greaseball im Traum eines kleinen Jungen die Weltmeisterschaften der Züge austragen.

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Am Kunstmuseum der Kreativität freien Lauf lassen

Als wir aus dem Halbdunkel des Theaters wieder ins helle Licht dieses wunderschönen Sommermorgens laufen, hat sich das Feld so stark entzerrt, dass keine Staus mehr drohen. Doch ohne weitere Stopps absolviert niemand diesen Urban Trail. Zu oft lohnt es sich, kurz Halt zu machen, um diese einmalige Verbindung von Sport und Kultur wirklich zu erleben. Und manchmal muss man auch an roten Ampeln warten. Beim Urban Trail wird die Strecke nicht komplett für den Verkehr gesperrt, an kritischen Stellen sorgen THW und freiwillige Helfer für die Sicherheit.

Die Helfer werden von Sportvereinen gestellt, die mit dem Veranstalter, der Deutschland läuft GmbH, kooperieren. Für jeden Helfer, den der Verein stellt, gibt's eine kleine Finanzspritze für die Club-Kasse. Vielleicht sind auch deshalb die Helfer beim Urban Trail so gut gelaunt, kompetent und freundlich. Alle Teilnehmer bekommen von ihnen eine Extra-Portion Motivation: durch ein Lächeln, einen Spruch oder Abklatschen und Anfeuern.

Nach einer kurzen Schleife durch Tierpark und Fossilium hat das Kunstmuseum Sprüche auf seine Fenster im Erdgeschoss gemalt, mit denen die Läufer zum Nachdenken und Formulieren inspiriert werden. „Wie schmeckt eigentlich blau?“ Die Frage bringt so ziemlich jeden ins Grübeln. Viele schreiben auf die Scheibe, was ihnen dazu einfällt.

Auf den dann folgenden acht Kilometern lässt der Urban Trail in Bochum keine der wichtigen Sehenswürdigkeiten der 365.000-Eiwohner-Stadt aus. Höhepunkt dabei natürlich das Schauspielhaus, als eins der wichtigsten deutschen Theater, an dem Peter Zadek, Rainer Werner Fassbinder oder Rosa von Praunheim inszenierten und Herbert Grönemeyer spielte.

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In der Brauerei steigt die Stimmung – es gibt Freibier ohne, aber auch mit Alkohol

So richtig steigt die Stimmung, als kurz nach dem Durchqueren des berühmt-berüchtigten Ausgehviertels „Bermuda-Dreieck“ der Wirt eines griechischen Lokals Ouzo an die Läufer ausschenkt. Natürlich wird hier nur genippt, aber die sowieso schon prächtige Stimmung steigt noch mal. Zumal kurz vor dem Ziel auch noch die Fiege-Brauerei wartet, wo es Freibier mit und ohne Alkohol gibt.

Nach einer weiteren Schleife durchs Planetarium fängt dann auch schon der letzte Kilometer an, der nochmal mit Momenten aufwartet, die vor allem bei den ortsansässigen Läufern für Gänsehaut sorgt: Wann kann man schon mal eine Runde durchs Ruhrstadion laufen und dabei Grönemeyers Hymne „Bochum“ aus den Stadion-Lautsprechern hören? „Du und dein VfL …"

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Noch ein Selfie im Ruhrstadion und dann ab zum Läufer-Frühstück

Da sind dann auch Nadja und Dani begeistert – auch wenn sie zu weit angereist sind, um Fans des Zweitligisten VfL Bochum zu sein. Und eigentlich viel zu jung, um auf Herbert Grönemeyers Hits aus den 80ern zu stehen. Dennoch setzen sie natürlich für ein Selfie auf dem Rasen des Stadions in Szene.

Sie sind begeistert von dem ganzen Event. „Das hat richtig Spaß gemacht. Am schönsten ist, dass hier alle Generationen von Läufern zusammenkommen“, schwärmen die beiden, als sie hinterher beim Frühstück sitzen. Das ist bei den Urban Trails im Startgeld einbegriffen. Sie sind über 100 Kilometer aus dem ostwestfälischen Gütersloh ins Ruhrgebiet angereist.

Für Oberbürgermeister Thomas Eiskirch aber ist es am wichtigsten, dass seine Stadt bei den Urban Trails ihre kulturellen Highlights auch mal Menschen präsentieren kann, die sonst eher selten ins Theater oder Konzert gehen. "Indem die Städte die Türen ihrer Schmuckstücke für die Läufer öffnen, können sie sich in ihrer ganzen Vielfalt präsentieren und damit auch gerade Lauf-Einsteiger motivieren, diesen tollen Sport auszuüben“, erklärt Frank Lebert.

Als Geschäftsführer der Deutschen Leichtathletik-Marketing GmbH (DLM) hat er zusammen mit dem belgischen Unternehmen Golazo die Deutschland läuft GmbH ins Leben gerufen, um das in Belgien und den Niederlanden schon lange erfolgreiche Konzept auch in deutschen Städten erfolgreich zu etablieren. Golazo ist ein Schwergewicht in der internationalen Veranstalterszene für Lauf- und andere Sport-Events.

Nach den ersten beiden Stationen in Berlin-Spandau und Bochum stehen diesen Sommer noch Urban Trail-Erlebnisse in Oberhausen (9. Juli) und Dortmund (17. September) auf dem Programm. Im Sommer 2018 sollen dann die Menschen in deutlich mehr deutschen Städten in den Genuss der gesunden Verbindung von Sport und Kultur am Sonntagmorgen kommen.

Mehr Infos und Anmeldung zu allen Urban Trails in Deutschland.

So schön war's 2018: Der BIG Urban Trail in Bochum im Video

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