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Olympische Spiele
Was für ein Tag für Sifan Hassan: Sturz am Morgen, Gold am Abend

| von Jörg Wenig

Auf ihrem Weg zu drei Goldmedaillen stürzte Sifan Hassan bei Olympia in Tokio morgens im 1500-Meter-Vorlauf und erreichte dennoch die nächste Runde. Wenige Stunden später gewann sie die 5000 Meter.

Erst startete sie am Morgen überraschend auch über 1.500 Meter, dann stürzte sie im Vorlauf, gewann das Rennen aber trotzdem, und schließlich triumphierte Sifan Hassan am Abend im 5.000-m-Finale. Die aus Äthiopien stammende Holländerin erlebte bei den Olympischen Spielen in Tokio einen verrückten Tag. Die 28-Jährige ist auf dem Weg, in Japan ein Stück olympische Leichtathletik-Geschichte zu schreiben. Sie wird auch noch im Finale über 10.000 m antreten. Noch nie hat eine Läuferin bei den Spielen Medaillen über diese drei Distanzen gewonnen - auch nicht über mehrere Spiele hinweg. Die 5.000 m stehen bei den Frauen allerdings erst seit 1996 auf dem Programm und lösten damals den 3.000-m-Wettbewerb ab.

Sifan Hassan hatte vor zwei Jahren bei den Weltmeisterschaften als erste Läuferin sowohl die 1.500 m als auch die 10.000-m-Strecke gewonnen und will nun in Tokio erneut Geschichte schreiben. Für die Holländerin begann der 1.500-m-Wettbewerb am Montagmorgen allerdings mit einem Schock. Locker, ohne zu viel Kraftaufwand, wollte sich die Weltmeisterin für das Halbfinale qualifizieren. Schließlich stand am Abend das 5.000-m-Finale auf dem Programm.

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Sifan Hassan stürzt und überholt anschließend zehn Läuferinnen

Doch eingangs der letzten Runde stürzte sie, nachdem die vor ihr laufende Edinah Jebitok (Kenia) zu Fall gekommen war. Sifan Hassan gab nicht auf, sondern startete eine furiose Aufholjagd: Gut 200 Meter vor dem Ziel lagen noch zehn Läuferinnen vor ihr, doch die Holländerin überholte sie alle und gewann den Vorlauf nach einer letzten Runde von rund 61 Sekunden - und diese 400-m-Zeit schließt den Sturz mit ein - in 4:05,17 Minuten.

Am Abend profitierten die 5.000-m-Läuferinnen um Sifan Hassan dann sicherlich von nicht ganz so extremen Temperaturen, denn es hatte zuvor stark geregnet. Dennoch entwickelte sich kein sehr schnelles sondern ein taktisches Rennen. Dies kam natürlich Sifan Hassan entgegen, die damit in der Schlussphase ihre starke Grundschnelligkeit einsetzen konnte.

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Der ersten Olympiamedaille sollen in Tokio zwei weitere folgen

Nach Hassans 1.500-m-Vorlauf vom Morgen hätten die Äthiopierinnen vielleicht eine Chance gehabt, wenn sie das 5.000-m-Finale schnell gemacht hätten. Doch das passierte nicht. Durch die 3.000-m-Marke rannten die Läuferinnen in 8:59,9 Minuten. Und das Tempo blieb weiter verhalten. Den 4.000-m-Punkt erreichte die zu diesem Zeitpunkt führende Äthiopierin Ejgayehu Taye nach 11:57,1. Die großen Favoritinnen Hellen Obiri (Kenia), Gudaf Tsegay (Äthiopien) und Sifan Hassan folgten dicht dahinter auf den Rängen zwei, vier und sieben.

Jetzt wurde es deutlich schneller, und rund 600 Meter vor dem Ziel setzte sich die 5.000-m-Weltmeisterin Hellen Obiri an die Spitze. Doch Sifan Hassan folgte ihr und zog knapp 200 Meter vor dem Ziel an der Kenianerin vorbei. Die Holländerin gewann in 14:36,79 vor Hellen Obiri (14:38,36), Gudaf Tsegay (14:38,87) und Agnes Tirop (14:39,62). Für Sifan Hassan war es die erste olympische Medaille. 2016 war sie in Rio im 1.500-m-Finale Fünfte.

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Soufiane El Bakkali beendet Kenias Siegesserie über 3.000 Meter Hindernis

Bei den Männern stand am Montag das Finale über 3.000 m Hindernis auf dem Programm. Dabei endete nicht ganz unerwartet die jahrzehntelange Dominanz der Kenianer. Der neue Olympiasieger kommt aus Marokko und heißt Soufiane El Bakkali.

Seit 1984 hatten die Kenianer ununterbrochen die olympische Hindernis-Goldmedaille gewonnen. Zählt man die Spiele 1976 und 1980 nicht mit - hier gehörte Kenia zu den Nationen, die Olympia boykottierten - begann diese Siegesserie sogar 1968. Der Hindernislauf war die Paradedisziplin der Kenianer. Doch in diesem Jahr war schon vor den Spielen deutlich, dass es eng werden könnte für Kenias Hindernisasse.

In einem flotten aber nicht sehr schnellen Rennen war es der Äthiopier Lamecha Girma, der sich im Mittelteil des Finales an die Spitze setzte und fortan für das Tempo sorgte. Nach einer 2.000-m-Zwischenzeit von 5:35,7 Minuten lösten sich rund zwei Runden vor Schluss fünf Läufer: Neben Girma waren dies der spätere Sieger Soufiane El Bakkali, der Äthiopier Getnet Wale sowie die Kenianer Abraham Kibiwott und Benjamin Kigen. Bis auf Kibiwott waren noch 400 Meter vor dem Ziel alle zusammen, und Lamecha Girma führte noch eingangs der letzten Kurve. Doch hinter ihm hatte sich Soufiane El Bakkali in Position gebracht. Der Marokkaner zog am Äthiopier vorbei und war auf der Zielgeraden nicht mehr einzuholen. Soufiane El Bakkali gewann in 8:08,90 Minuten vor Lamecha Girma (8:10,38) und Benjamin Kigen (8:11,45). Auf Rang vier folgte Getnet Wale (8:14,97) während der Finne Topi Raitanen auf Platz acht in 8:17,44 überraschend bester europäischer Läufer war.

Soufiane El Bakkali gehört seit einigen Jahren zur Weltspitze im Hindernislauf. Der Marokkaner war 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio bereits Vierter und gewann dann bei den Weltmeisterschaften Silber (2017) und Bronze (2019).

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Caterina Granz läuft ins Halbfinale über 1.500 Meter – Hanna Klein erlebt ein Desaster

In den 1.500-Meter-Vorläufen der Frauen erlebte Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen) ein Desaster. Der vermeintlich aussichtsreichsten deutschen Mittelstreckenläuferin gingen die Kräfte aus und sie kam nur als Letzte auf Platz 15 nach 4:14,83 ins Ziel. „Ich hatte keine Kraft mehr im Tank. Da war nichts, was nachkam. Beim Warmmachen habe ich es schon gemerkt, und die Tage zuvor. Die Beine gingen nicht mehr hoch. Ich kann das jetzt noch nicht beurteilen“, sagte Hanna Klein, die vermutlich mit dem extremen Klima nicht zurecht kam.

Im dritten Vorlauf lief die Kenianerin Faith Kipyegon mit 4:01,40 die insgesamt schnellste Zeit. Hier hatte Caterina Granz (LG Nord Berlin) großes Glück, dass sie den Sprung in das Halbfinale schaffte. Sie wurde zwar nur Neunte in 4:06,22 Minuten, qualifizierte sich aber über die Zeitregel als Sechste von sechs Läuferinnen. Dabei war sie nur eine Hundertstelsekunde schneller als die Britin Revee Walcott-Nolan, die ausschied. „Ich bin super happy. Dieses Mal hatte ich extrem Glück mit meinem Rennen. In der Vergangenheit hatte ich auch oft Pech“, sagte Caterina Granz.