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Das Comeback
Weshalb große Momente wie beim Berlin-Marathon gerade jetzt so wichtig sind

| von Christian Ermert

Der Laufsport erobert nach der Corona-Zwangspause wieder die Straßen. Aber es laufen längst nicht so viele mit wie vor der Pandemie. Deshalb braucht es Leuchtturm-Events wie den Berlin-Marathon.

Nach einer glanzvollen Dekade wurde der Laufsport von Corona schwer getroffen. Die Menschen sind zwar in den vergangenen 18 Pandemie-Monaten deutlich mehr gelaufen als zuvor, aber die Events kämpfen bei ihren ersten Austragungen nach Ausbruch der Pandemie mit deutlich geschrumpften Teilnehmerzahlen. Der BMW Berlin-Marathon, bei dem am kommenden Wochenende Lauflegende Kenenisa Bekele in Richtung Marathon-Weltrekord laufen kann, soll als Leuchtturm-Veranstaltung zeigen, dass dank des Impffortschrittes und mit ausgeklügelten Konzepten große Lauf-Events auch in Corona-Zeiten sicher sind und Spaß machen. Hier schreibt laufen.de-Chefredakteur Christian Ermert, warum dafür große Momente so wichtig sind – wie der auf unserem Foto vom 16. September 2018 um 11:16 Uhr, als es noch genau 19 Sekunden dauern wird, bis Eliud Kipchoge als neuer Weltrekordler das Ziel am Brandenburger Tor erreichen wird.

Es war eine Vollbremsung bei Höchstgeschwindigkeit. Anders lässt sich nicht beschreiben, was der Laufszene im Frühjahr 2020 passiert ist. Allerorten war man dabei, sich auf ein weiteres glanzvolles Jahr vorzubereiten. Eine ganze Dekade lang waren immer neue Rekorde aufgestellt worden. Gerade in Berlin. 2011, 2013, 2014 und 2018 war der Berlin-Marathon  mit Weltrekordzeiten gewonnen worden. Insgesamt wurden seit 1977 elf Weltrekorde beim Berlin-Marathon gelaufen – acht von Männern, drei von Frauen. So viele wie bei keinem anderen Rennen weltweit über die klassische Distanz von 42,195 Kilometern. Zwischendurch wurde ein ganz neuer Typ Laufschuh mit Carbonplatten in top gedämpften Sohlen entwickelt. So ausgerüstet drangen die Top-Athletinnen und -Athleten seit 2017 in ganz neue Leistungsbereiche vor.

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2015: Eliud Kipchoge gewinnt den Berlin-Marathon mit rausgerutschten Einlegesohlen

Und dann sind die Jahre von 2015 bis heute geprägt von einem Jahrhundert-Athleten aus Kenia, der zuletzt in Sapporo zum zweiten Mal Marathon-Olympiasieger wurde: Eliud Kipchoge. 2015 gewann er bei seinem zweiten Start in Berlin in 2:04:00 Stunden, obwohl die Einlegesohle seiner Laufschuhe schon nach wenigen Kilometern herausgerutscht war. Weltjahresbestzeit mit zwei an der Ferse heraushängenden Einlegesohlen. Das gab es nur in Berlin. Ein Jahr später wird Eliud Kipchoge dann in Rio de Janeiro zum ersten Mal Marathon-Olympiasieger. Im Mai 2017 startete er in einem irregulären Rennen unter Laborbedingungen auf dem Formel-1-Rennkurs in Monza den Versuch, als erster Mensch 42,195 Kilometer unter zwei Stunden zu laufen.

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2018: Eliud Kipchoge holt sich den Weltrekord beim Berlin-Marathon

Mit 2:00:25 Stunden scheiterte er knapp, erregte aber weltweit eine Aufmerksamkeit für den Laufsport, wie man sie zuvor wohl noch nie erlebt hat. Episch auch sein Lauf knapp vier Monate später beim Berlin-Marathon 2017: Im strömenden Regen läuft er als Sieger 2:03:32 Stunden. Damit verpasst er bei widrigen Wetterbedingungen den damals gültigen offiziellen Weltrekord nur um eine gute halbe Minute. Dennis Kimetto hatte diese Marke 2014 mit 2:02:57 Stunden ebenfalls in Berlin aufgestellt.

Ein Jahr später ist es dann bei Top-Wetter so weit: Eliud Kipchoge holt sich beim Berlin-Marathon den Weltrekord und sorgt mit 2:01:39 Stunden für die größte Steigerung der Marke seit 50 Jahren. Und dann verpasst Kenenisa Bekele nur ein Jahr später beim Berlin-Marathon diesen anscheinend für die Ewigkeit geschaffenen Rekord um die Winzigkeit von zwei Sekunden, während Eliud Kipchoge in Wien sein Projekt „Marathon unter zwei Stunden“ in einem weiteren irregulären Rennen vollendet und die 42,195 Kilometer in 1:59:40 Stunden rennt.

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Die Menschen wieder für große Events begeistern

Immer mehr Menschen wollten dort laufen, wo ein Großteil dieser Dramen und Heldengeschichten geschrieben werden. In Berlin. Und das Teilnehmerfeld konnte dank einer cleveren Organisation 2019 noch einmal vergrößert werden. 43.987 Läuferinnen und Läufer erreichten vor zwei Jahren das Ziel. Mehr als je zuvor. Es gibt nur wenige Läufe über 42,195 Kilometer, bei denen jemals mehr Finisher gezählt wurden. Dazu zählen New York, Chicago und Paris. Der Berlin-Marathon ist in jeder Hinsicht Weltklasse und musste trotz der gesteigerten Teilnehmerzahlen die Startplätze Jahr für Jahr verlosen, weil viel mehr Menschen in Berlin laufen wollten als Platz auf der Strecke war.

So eng, wie solche Zahlen und Bilder wie unseres es suggerieren, geht‘s indes auf der Laufstrecke gar nicht zu. Es wurde bereits wissenschaftlich erforscht, wie viel Platz auf den Strecken eigentlich ist. Das Ergebnis überrascht erfahrene Läuferinnen und Läufer kaum: Außer an den Verpflegungsstellen wird fast immer ein Mindestabstand von zwei Metern eingehalten – wenn‘s enger wird, ist Laufen ja auch kaum möglich ...

In den ersten Wochen des Jahres 2020 war auch der der Generali Berliner Halbmarathon auf dem besten Weg, in ähnliche Größenordnungen vorzudringen. In Berlin bereitete man sich darauf vor, über 35.000 Läuferinnen und Läufer im April 2020 zu begrüßen. Doch dann breitete sich ein neues Virus in Höchstgeschwindigkeit über den Globus aus. Aus ersten Vorahnungen wurde im März Gewissheit: Die Gefahr, sich mit dem neuen Corona-Virus zu infizieren, macht es in der Pandemie unmöglich, große Laufveranstaltungen stattfinden zu lassen. Weltweit wurden alle Rennen abgesagt. Ab März 2020 war Stillstand.

Im Video: Neue Ideen nach dem Stillstand – Der Berlin-Marathon als Leuchtturm-Event

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Für die Elite wurden zwar später Rennen organisiert, bei denen Rekorde und Bestleistungen aufgestellt wurden, aber die Gemeinschaft von Hobbysportlern und Weltklasseathleten am Start und auf der Strecke, die den Laufsport so einzigartig macht, gab es erstmal nicht mehr. Stattdessen begannen in der Corona-Pandemie immer mehr Menschen für sich selbst zu laufen. Klar: Fitness und Gesundheit waren wichtiger als je zuvor, gleichzeitig waren Vereine, Fitnessstudios und Sporthallen geschlossen. Was blieb, war Laufen.

Von denen, die in der Pandemie das Laufen für sich entdeckt haben, fanden aber bisher noch nicht sehr viele den Weg zu den Laufevents, die mit dem Impffortschritt und mit durchdachten Hygienekonzepten allmählich wieder stattfinden können. Das zeigen die Zahlen, die noch weit weg sind von denen, die vor Corona üblich waren: Beim Berliner Halbmarathon finishten im August 13.279 Läuferinnen und Läufer. Und beim Berlin-Marathon werden am kommenden Wochenende circa 25.000 erwartet. Damit gehört das Rennen zu den größten Läufen weltweit, die seit Beginn der Corona-Pandemie stattgefunden haben. Das ist ein großartiger Neubeginn, den das von SCC Events gemeinsam mit der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport ausgetüftelte Hygienekonzept ermöglicht. So ist der Berlin-Marathon das Leuchtturm-Event, das zeigen wird, dass die Laufszene trotz Corona schnell wieder Tempo aufnehmen wird.

Noch mehr Informationen zum 47. BMW Berlin-Marathon am 25. und 26. September findest du im fast 200 Seiten starken digitalen Event-Magazin, das ab sofort kostenlos zur Verfügung steht. Und am Sonntag ab 9:00 Uhr findest du den Live-Ticker zum Rennen auf laufen.de!