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Nach drei harten Jahren
Alina Reh findet nach Rückschlägen Weg zurück in die Erfolgsspur

| Text: Jörg Wenig | Fotos: Norbert Wilhelmi

Früher lief Alina Reh eine Bestzeit nach der anderen, aber in den letzten drei Jahren musste sie viele Rückschläge einstecken. Nun scheint sie wieder an alte Erfolge anknüpfen zu können.

Rund drei Jahre lang lief Alina Reh praktisch in einer Sackgasse. Bestzeiten purzelten früher regelmäßig, wenn die Läuferin aus Laichingen auf der Schwäbischen Alb irgendwo an den Start ging. Doch seit dem Spätsommer 2019 lief mit wenigen Ausnahmen alles schief für Alina Reh. Es waren drei Jahre zum Vergessen, die geprägt waren von misslungenen Trainer- und Ortswechseln, Verletzungen und Krankheiten sowie obendrauf auch noch der Corona-Pandemie.

Am vergangenen Sonntag fand Alina Reh den Weg zurück zu einer persönlichen Bestzeit, die zugleich darauf hindeuten könnte, in welche Richtung es in der Zukunft geht: Im Halbmarathon lief sie in Sevilla als Zweite nach 68:42 Minuten ins Ziel. Dieses Ergebnis macht Mut. Und Alina Reh (SCC Berlin) ist ja immer noch erst 25 Jahre alt.

Spontane Entscheidung, Halbmarathon zu laufen

Mit ihrem Rennen in Spanien wurde Alina Reh zur viertschnellsten deutschen Halbmarathonläuferin aller Zeiten. In der europäischen Jahresbestenliste 2022 hätte sie mit diesem Ergebnis immerhin Rang zehn belegt. Im weltweiten Vergleich kann sie natürlich mit 68:42 Minuten keine Bäume ausreißen, doch es ist sicherlich noch weit mehr möglich als diese Zeit.

„Die Idee, einen Halbmarathon zu laufen, entstand kurzfristig erst im Trainingslager“, erzählt Alina Reh, die mit der Gruppe ihrer neuen Trainerin Isabelle Baumann im portugiesischen Monte Gordo war. „Da ich zwischendurch auch noch eine Woche krank war, konnte ich nur zweimal spezifisch für den Halbmarathon trainieren. Geholfen hat mir sicherlich, dass ich über die Jahre immer relativ hohe Trainingsumfänge gelaufen bin.“ Im Training lief sie dabei Dauerläufe von bis zu 25 Kilometern. „Nach 18 Kilometern hatte ich dann aber auch bald genug und war froh, dass es Richtung Ziel ging.“

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WM-Start über 10.000 Meter ist nicht sicher

Erstmals seit rund drei Jahren wieder einen Halbmarathon zu laufen, hatte auch damit zu tun, dass sich Alina Reh nicht sicher sein kann, ob sie die Qualifikation für die Weltmeisterschaften im Sommer in Budapest über 10.000 Meter schaffen kann. „Die Norm steht bei 30:40 Minuten, das ist schon eine Hausnummer“, sagt Alina Reh. Ein Blick in die Jahresweltbestenliste bestätigt das: lediglich 15 Läuferinnen blieben 2022 unter dieser Zeit. Für die Halbmarathon-Weltmeisterschaften am 1. Oktober in Riga liegen zwar noch keine Qualifikationskriterien vor, doch die 68:42 Minuten sollten für Alina Reh bereits reichen, um bei diesen Titelkämpfen an den Start gehen zu können.

Alina Reh hat in Sevilla am Sonntag die Kurve bekommen, nachdem auch dieses Wettkampf-Jahr nicht gut begonnen hatte. Denn beim 10-Kilometer-Rennen in Valencia war sie zwei Wochen zuvor wie etliche andere Athletinnen und Athleten in einer chaotischen Startphase zu Fall gekommen. „Ich hatte mich vorher gut gefühlt. Aber dann lag ich ganz unten auf der Straße, bekam noch einen schmerzhaften Schlag auf die Nase und meine Startnummer war auch weg“, erzählt Alina Reh, die deswegen zunächst mit einer Zeit von 60:55 Minuten auf Rang 1898 in der Ergebnisliste auftauchte. Tatsächlich lief sie 32:10 Minuten und belegte Platz 14.

Trainerwechsel 2019 und viel Training in Kienbaum

Das ärgerliche Malheur in Valencia war aber kein Vergleich zu dem, was ihr in den Jahren zuvor widerfahren war. Nach der Saison 2019 musste Alina Reh ihren Trainer wechseln, da ihr Coach Jürgen Austin-Keil aus privaten Gründen nicht mehr die Zeit für die Betreuung hatte. Nach einem zuvor guten Jahr war die damals 22-Jährige beim späten Höhepunkt, der WM im heißen Doha, im 10.000-Meter-Finale nicht ins Ziel gekommen. „Ich bin 2019 einfach zu viele Rennen gelaufen, war müde und kam auch mit der Hitze in Doha nicht zurecht“, erzählt Alina Reh rückblickend.

Dass ihr neuer Coach dann mit André Höhne ein früherer Weltklasse-Geher wurde, sorgte in Insider-Kreisen für Verwunderung. Der Hintergrund war auch, dass der Deutsche Leichtathletik-Verband André Höhne seit 2017 als Langstrecken-Bundestrainer verpflichtet hatte. „Ich wollte damals etwas Neues versuchen und nicht als die Läuferin gelten, die nirgendwo anders als auf der Schwäbischen Alb trainiert“, sagt Alina Reh, die fortan immer wieder lange Zeit in Trainingslagern in Kienbaum östlich von Berlin verbrachte.

Harte Zeit während der Corona-Lockdowns

Als dann die Phasen der Corona-Lockdowns begannen, muss sich Alina Reh wie eingesperrt gefühlt haben, wenn sie an ihre Heimat gedacht hat. „Ich hatte mit Heimweh zu kämpfen“, erzählt die Läuferin, die eineinhalb Jahre unter André Höhne trainierte. „Das schwierigste war in dieser Zeit, dass aufgrund von Corona nichts planbar war – keine Trainingslager und keine Wettkämpfe. Ich hatte mich lange auf den Halbmarathon in Ras Al Khaimah (Vereinigte Arabische Emirate) im Februar 2021 vorbereitet. Dann wurde das Rennen eine Woche vorher abgesagt.“

2020 war sie im Sommer unter anderem bei zwei reinen Elite-Straßenrennen in Berlin gestartet. Die Ergebnisse über 10 (31:26 min) und 5 Kilometer (15:22 min) waren gut, aber die Zeiten nicht so schnell wie sie selbst erwartet hatte.

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Bronze bei der Cross-EM folgt einer Herzmuskelentzündung

Nach einem Ermüdungsbruch im Wadenbein im April 2021 und folgenden Knie-Problemen war der Olympia-Start, für den sie über 10.000 Meter bereits qualifiziert war, dahin. Statt nach Tokio zu reisen, kehrte Alina Reh im Sommer nach Laichingen und zu ihrem früheren Trainer Jürgen Austin-Keil zurück. Ein Neuaufbau folgte, und überraschend meldete sie sich im Dezember mit einem dritten Platz bei den Crosslauf-Europameisterschaften in Dublin zurück. „Da dachte ich, jetzt geht es wieder aufwärts“, sagt Alina Reh. Doch eine Woche später bekam sie ihre zweite Corona-Impfung und erlitt in der Folge eine leichte Herzmuskelentzüdung. An Training und Wettkämpfe war nicht mehr zu denken.

„Es zog sich bis Ende März hin. Erst dann habe ich gemerkt, dass es wieder funktioniert und ich meinen Körper wieder belasten kann. Das war ein gutes Gefühl nach der Ungewissheit, denn es gab ja keine Erfahrungswerte“, erzählt Alina Reh, die jedoch noch lange brauchte, bis sie sich wieder richtig ausbelasten konnte. Sie schaffte die Qualifikationen für die EM und die WM. „Aber es gab immer wieder Phasen der Müdigkeit, auch noch im Sommer.“

Wechsel zu Isabelle Baumann erweist sich als Glücksfall

Bei den internationalen Höhepunkten war sie dann wieder weit weg von ihrer Bestform: Vorlauf-Aus über 5000 Meter bei der WM, Platz acht im EM-Finale über 10.000 Meter und Aufgabe im 5000-Meter-Finale in München. „Nach der WM war es wieder schwer und ich hatte für die EM einfach zu hohe Erwartungen. Ich dachte, ich kann zumindest mitrennen und war dann schließlich mental blockiert.“

Es folgte eine längere Pause und schließlich ein nochmaliger Trainerwechsel. „Nach der EM hatte ich keinerlei Motivation und zum ersten Mal überhaupt keine Lust mehr auf das Laufen“, erzählt Alina Reh. „Dann habe ich entschieden, dass ich mich der Gruppe von Isabelle Baumann in Tübingen anschließe. Isabelle hatte mir dabei geholfen, denn sie ermunterte mich, diesen Schritt zu versuchen. Dass sie jetzt meine Trainerin ist, ist wie ein Geschenk für mich!“

Laufen macht Alina Reh wieder Spaß

Für die wichtigsten Trainingseinheiten fährt Alina Reh jetzt zwei- bis dreimal pro Woche nach Tübingen. „Das dauert je nach Verkehr 45 bis 60 Minuten. Und wenn nötig findet sich auch immer eine Übernachtungsmöglichkeit.“ Zum ersten Mal in ihrer leistungssportlichen Karriere hat Alina Reh jetzt im Trainingsalltag Partner, die ihrem Niveau entsprechen, darunter auch Hanna Klein. „Ich mache einige Einheiten mit Hanna zusammen, aber sie ist natürlich noch mehr auf kürzere Strecken fokussiert. Es gibt aber genügend Männer in der Gruppe“, sagt die EM-Dritte über 10.000 Meter von 2018, die im vergangenen Dezember bei der Cross-EM erneut auf den Bronze-Rang lief.

Der Schritt zur Tübinger Laufgruppe von Isabelle Baumann scheint Alina Reh wieder in die Erfolgsspur zurückzubringen. „Das ist jetzt ein ganz anderes Laufgefühl: Es ist deutlich einfacher in der Gruppe, das Umfeld tut gut und es macht wieder Spaß. Für mich ist es jetzt wichtig, dass ich gut durch das Jahr komme“, sagt Alina Reh, die im heimatlichen Laichingen auch weiter im Lebensmittelgeschäft ihrer Eltern tätig ist, sofern es die Trainingszeiten erlauben. „Das ist gut für den Kopf, ich muss auch noch was anderes machen außer Laufen.“

Marathonstart ist vorerst nicht geplant

Nach einem kurzen Abstecher in die Halle, wo sie bei den Deutschen Meisterschaften in Dortmund am 18. Februar über 3000 Meter antreten wird, plant sie im Frühjahr mit Straßenrennen über 10 Kilometer und voraussichtlich einem weiteren Halbmarathon. „Ich habe Lust auf die Straße“, sagt Alina Reh, die beim SCC Berlin zum Marathon-Team Berlin gehört.

Bis zu einem Marathon-Debüt wird es aber voraussichtlich noch einige Zeit dauern. Obwohl ihre Halbmarathon-Bestzeit schon jetzt darauf hindeutet, dass sie in einen Bereich von 2:24 bis 2:25 Stunden laufen könnte – in den letzten drei Jahren lief keine deutsche Läuferin unter 2:25 Stunden –, sagt Alina Reh: „An ein Marathon-Debüt denke ich jetzt noch nicht.“

Alina Rehs Bestzeiten
5000 m: 15:04,10 min (2019)
10.000 m: 31:19,87 min (2019)
5 km: 15:22 min (2020)
10 km: 31:21 min (2021)
Halbmarathon: 68:42 min (2023)