Alles, was du über Einlagen wissen musst

| Interview: Norbert Hensen

Ist ein Laufschuh ohne spezielle Einlage eigentlich ein vollwertiges Sportgerät? Wer braucht individuell angefertigte orthopädische Einlagen? Und wer läuft mit Komforteinlagen von der Stange besser? Fragen wie diese beantwortet Orthopädie-Schuhmachermeister Moritz Hupel in unserem Interview.

Ist ein Laufschuh ohne spezielle Einlage eigentlich ein vollwertiges Sportgerät? Wer braucht individuell angefertigte orthopädische Einlagen? Und wer läuft mit Komforteinlagen von der Stange besser? Fragen wie diese beantwortet Orthopädie-Schuhmachermeister Moritz Hupel in unserem Interview.

Moritz Hupel, wann braucht ein Läufer eine speziell gefertigte Einlage?
Viele kommen zu uns, weil sie Überlastungsprobleme haben. Oft sind Fehlstellungen der Füße, Beine oder der Hüfte die Ursache. Wir schauen uns den Läufer von Kopf bis Fuß an und analysieren die gesamte Bewegungskette, um herauszufinden, ob und welche Einlagen sinnvoll sind. Dabei interessiert uns immer die Geschichte hinter einem Problem. Wann ist es aufgetreten, bei welcher Belastung? Erst wenn ich das weiß, kann ich eine Lösung finden, eine Einlage herstellen oder einen Laufschuh etwas verändern. Eine Einlage muss immer zum Schuh und zum Menschen passen.

Unser Experte: Moritz Hupel

Moritz Hupel ist Orthopädie-Schuhmachermeister und Inhaber des Schuhhaus Lang in Seeheim-Jugenheim südlich von Darmstadt. Sein Unternehmen stellt seit 1987 in der hauseigenen Manufaktur Einlagen von Meisterhand her. Dabei kombiniert sein Team modernste Messtechnik mit viel Erfahrung. Als Laufprofi-Händler verkauft Moritz Hupel auch Laufschuhe und weiß, was zu tun ist, wenn Läufer und Laufschuh nicht perfekt miteinander klarkommen.

Inzwischen gibt es die Meinung vieler Biomechaniker, man solle das individuelle Bewegungsmuster beim Laufen nicht zu stark durch Einlagen und Schuhe korrigieren. Wie sind deine Erfahrungen aus der Praxis?
Bewegungsmuster sind sehr individuell. Wenn einer den Fuß nach außen rotiert aufsetzt, kann ich seinen Fuß deswegen nicht mit einer Einlage oder einem veränderten Schuh gerade stellen. Dann würden erst recht Probleme auftreten. Oft helfen aber kleine Korrekturen. Besonders, wenn Läufer eine Schonhaltung einnehmen, um Schmerzen auszuweichen. Dann versuchen wir, sie aus der Schonhaltung zu bringen. Aber der Grundsatz „Never change a running system“ ist ganz wichtig. Wenn also einer außenrotiert und keine Probleme hat, dann sollte man es dabei belassen, auch wenn es nicht der idealen Abrollbewegung aus dem Lehrbuch entspricht.

Wie wichtig ist es, dass die Beratung über die Versorgung mit einer Einlage hinausgeht? Die alleine kann ja nicht alle Probleme lösen. Viele Läufer vernachlässigen gern Dehnungs- oder Kräftigungsübungen ...
... Einlagen sind Hilfsmittel, keine Heilmittel. Die Läufer müssen sich zuallererst um sich selbst kümmern, und das nicht nur Ärzten, Physiotherapeuten oder uns überlassen. Wir geben vielen Kunden Übungen an die Hand und arbeiten dabei auch mit Physiotherapeuten zusammen, weil solche Work-outs deren tägliches Brot sind. Ein Check beim Physiotherapeuten ist fast immer ratsam – und nicht erst dann, wenn die Probleme schon da sind.

Wie läuft eine Einlagen-Beratung ab?
Wir machen erst einen Fußabdruck und dann geht‘s aufs Laufband, damit wir einen Eindruck vom Bewegungsmuster gewinnen. Ich muss auch wissen, ob und wie der Kunde sich im Alltag bewegt. Sitzt er den ganzen Tag am Schreibtisch? Oder ist er viel auf den Beinen? So richtig fängt für uns die Arbeit aber erst nach der Beratung an. Wenn wir eine Einlage oder Änderungen am Schuh für sinnvoll erachten, wird nach den gemessenen Daten jede Einlage individuell angefertigt.

Das Laufband ist in der Beratung durchaus umstritten ...
... ich bin noch ein Freund vom Laufband. Klar, man läuft auf so einem Band anders als auf der Straße. Aber die Bewegungsanalyse auf dem Laufband liefert mir gute Anhaltspunkte. Ich muss ja vor allem herausfinden, was mit den Knie- und Sprunggelenken passiert, wenn die Ermüdung einsetzt. Außerdem bauen wir spezielle Übungen ein, um das zu simulieren. Manchen Läufern empfehlen wir aber auch, nach einem Zehn- oder 15-Kilometer-Trainingslauf zu uns zu kommen. Dann ist der Bewegungsablauf ein anderer und wir kommen den Ursachen für mögliche Probleme leichter auf die Spur.

Neben den individuell maßgefertigten Einlagen gibt es ja auch Einlagen von der Stange. Hersteller wie Currex wollen damit Laufschuhe verbessern. Sie versprechen mehr Komfort, Dämpfung und ein besseres Laufgefühl. Welche Funktionen haben solche Einlagen?
Sie sind eine gute Lösung für Menschen, die eigentlich keine orthopädischen Einlagen brauchen, sich aber mit Einlagen beim Laufen wohler fühlen. Oder für Läufer mit Hohlfuß. Der Fuß braucht Kontakt zum Schuh. Wer einen Hohlfuß hat, verliert den. Da helfen Currex-Einlagen. Sie kommen aber an ihre Grenzen, sobald Fußformen stärker von der Norm abweichen. Wir fertigen unsere Einlagen in Handarbeit, das ist ein ganz anderes Konzept. Wenn ein Schuhmachermeister eine Einlage herstellt oder den Schuh etwas verändert, kann der meistens nochmal reagieren, wenn es beim ersten Mal noch nicht passt. Aber natürlich sind die Currex-Sohlen besser als die vom Hersteller im Schuh ab Werk verwendeten Einlegesohlen.

Die ja meistens nicht mehr sind als eine flache Kunststoffschicht. Warum bieten nicht schon die Schuhhersteller zu ihren Laufschuhen unterschiedlich gestaltete Einlagen an, die den verschiedenen Fußtypen mal mehr und mal weniger Unterstützung bieten?
Um die richtige Einlage zu finden, benötigen Läufer intensive und individuelle Beratung. Das können die Schuhhersteller gar nicht leisten. Einige Firmen haben sich ja schon an Ansätzen in dieser Richtung versucht, aber die Gefahr ist zu groß, dass die Läufer mit solchen Einlagen mehr falsch als richtig machen.

Wird in Zukunft der Orthopädie-Schuhmachermeister eigentlich noch gebraucht? Oder vermessen dann moderne Computer Fuß und Laufstil eines Läufers und die Einlagen werden von Maschinen passgenau produziert?
Maschinen, die aufgrund von Vermessungsdaten Einlagen fräsen, gibt es ja schon. Ich denke auch, dass in zehn oder 15 Jahren viele Einlagen aus dem 3D-Drucker kommen werden. Aber ich bin da entspannt. Im Moment ist unsere Handarbeit sehr gefragt. Ob ein 3D-Drucker jemals so individuell arbeitet wie wir, werden wir sehen. Viele Kunden freuen sich ja auch auf den persönlichen Austausch von Mensch zu Mensch. Das bleibt hoffentlich noch lange so.