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Was für ein Laufsporttag!
Amanal Petros läuft in Valencia deutschen Halbmarathon-Rekord − Äthiopierin stellt irren Weltrekord auf

| von Jörg Wenig & Martin Neumann

Letesenbet Gidey läuft in 1:02:52 einen unglaublichen Halbmarathon-Weltrekord. Amanal Petros verbessert den fast 30 Jahre alten deutschen Rekord. Und einen neuen Marathon-Europarekord gab es auch.

Der Laufsport erlebte heute einen weiteren großen Rekord-Tag: Letesenbet Gidey sorgte dabei für den Höhepunkt. Die erst 23-jährige Äthiopierin pulverisierte in Valencia den Halbmarathon-Weltrekord mit einer famosen Zeit von 1:02:52 Minuten. Während der Kenianer Abel Kipchumba das Rennen der Männer in Spanien mit einer Jahresweltbestzeit von 58:07 gewann, brach Amanal Petros (TV Wattenscheid) den deutschen Halbmarathon-Rekord und wurde mit 1:00:09 Stunden Zwölfter. Beim Rotterdam-Marathon stellte währenddessen der Belgier Bashir Abdi mit 2:03:36 Stunden einen Europarekord auf. Das Rennen der Frauen gewann in Rotterdam die Kenianerin Stella Barsosio in 2:22:08.

Amanal Petros brach in Valencia einen deutschen Uralt-Rekord. Vor 28 Jahren war Carsten Eich eine Zeit von 1:00:34 Stunden gelaufen, die damals zugleich auch ein Europarekord war. Damit hatte Carsten Eich 1993 überraschend den Berliner Halbmarathon gewonnen. Nach knapp drei Jahrzehnten brach Amanal Petros diese Marke nun in Valencia mit einer Zeit von 1:00:09 Stunden. Seine eigene Bestzeit steigerte Amanal Petros gleich um fast anderthalb Minuten. Damit entwickelt sich Valencia für Amanal Petros zur „Rekord-Stadt“. Der 26-Jährige hatte vor einem Jahr in Valencia bereits den deutschen Marathon-Rekord auf 2:07:18 Stunden verbessert.

Der Wattenscheider nutzte in Valencia die Top-Bedingungen von 13 Grad und Windstille sowie das extrem stark besetzte Feld, um sich in den Rekordlisten zu verewigen. Gleichzeitig war der Olympia-Starter von Tokio in Valencia schnellster Europäer. Amanal Petros lief dabei ein gleichmäßig schnelles Rennen. Seine Zeiten für die Fünf-Kilometer-Abschnitte betrugen 14:11, 14:20, 14:16 und 14:25 Minuten.

laufen.de-Experte Carsten Eich gratuliert seinem Rekord-Nachfolger

„Der Rekord war einfach mal fällig. Amanal hat die guten Bedingungen und das schnelle Rennen genutzt“, sagte der entthronte Rekordhalter Carsten Eich, der mittlerweile als Trainingsexperte für laufen.de tätig ist und unsere Running Camps organisiert. Und der 51-Jährige glaubt, dass die Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist: „Das nächste Ziel ist es dann natürlich, unter einer Stunde zu bleiben. Das gilt nicht nur für Amanal, sondern auch für Läufer wie etwa Richard Ringer.“ Außerdem sieht er den Halbmarathon-Rekord als sehr gute Zubringerleistung für den nächsten Marathon. „Die Zeit beweist, dass Tempo und Qualität stimmen. Auf beides kann Amanal für den nächsten Marathon bauen“, so Carsten Eich.

Die Entscheidung um den Sieg im Männerrennen fiel erst auf den letzten 100 Metern. Auf der langen Zielgeraden in Valencia hatte Abel Kipchumba die meisten Reserven. In 58:07 Minuten setzte sich der Kenianer mit zwei Sekunden Vorsprung auf seinen lange führenden Landsmann Rhonex Kipruto durch. Dahinter blieben fünf weitere Läufer unter der 59-Minuten-Marke. Das gab’s noch nie in einem Halbmarathon. Nils Voigt, Vereinskamerad von Amanal Petros beim TV Wattenscheid 01, musste das Rennen in Valencia vorzeitig beenden.

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Letesenbet Gidey läuft als erste Frau 21 Kilometer unter einer Drei-Minuten-Pace

Bei den Frauen katapultierte Letesenbet Gidey den Halbmarathon-Weltrekord in Valencia in eine neue Dimension. Die 23-jährige Äthiopierin steigerte die Bestmarke der Kenianerin Ruth Chepngetich gleich um 1:10 Minuten auf 1:02:52 Minuten. Damit ist Letesenbet Gidey die erste Frau, die auf den 21,0975 Kilometern unter der prestigeträchtigen 3:00-Minuten-Marke pro Kilometer blieb. Das entspricht einer Geschwindigkeit von 20 km/h. „Das ist eine Wahnsinnszeit. Ich erinnere mich an Jahre, in denen ich mit vergleichbaren Zeiten Deutscher Meister geworden bin“, erklärt Carsten Eich.

Letesenbet Gidey lief den neuen Weltrekord bei ihrem allerersten Halbmarathon. Die Äthiopierin hatte schon vergangenes Jahr in Valencia starten wollen. Doch Visa-Probleme machten einen Start in Spanien unmöglich. Diesmal klappte es und die 23-Jährige nutzte bis zu den finalen Kilometern unterstützt von zwei Tempomachern ihre Rekord-Chance. Für den Sieg in Valencia erhielt die Äthiopierin ein Preisgeld von 35.000 Euro sowie einen Weltrekord-Bonus von 70.000 Euro.

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Erstes Rekord-Triple seit Ingrid Kristiansen

Schon kurz nach der Rennhälfte hatte Letesenbet Gidey alle Konkurrentinnen deutlich distanziert. Dafür sorgte das extrem schnelle Anfangstempo. Bei 10 Kilometern wurde eine Zwischenzeit von 29:45 Minuten gestoppt. Die 15-Kilometer-Marke passierte die Äthiopierin in 44:29 Minuten. Für sie ist es der zweite Weltrekord in diesem Jahr nach ihrer 10.000-Meter-Bestmarke (29:01,03 min). „Ich wusste, dass ich diese Zeit laufen kann, da meine Trainingseinheiten in der Höhe von Addis Abeba sehr gut verlaufen sind“, jubelte die Äthiopierin nach dem Rekordrennen. Zwar war es ihr erst ihr erster Halbmarathon, doch die 23-Jährige liebäugelt schon mit dem Wechsel auf die Marathondistanz: „Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob das vor den Olympischen Spielen 2024 in Paris oder später der Fall sein wird.“

Vor einem Jahr hatte Letesenbet Gidey bereits den 5.000-Meter-Weltrekord – ebenfalls in Valencia – auf 14:06,62 Minuten verbessert. Damit ist die Äthiopierin die erste Läuferin seit Ingrid Kristiansen (Norwegen), die gleichzeitig die Weltrekorde über 5.000 Meter, 10.000 Meter und im Halbmarathon innehat. Den Weltrekord über die Halbmarathon-Distanz hatte zuvor die Kenianerin Ruth Chepngetich gehalten, die in Istanbul im Frühjahr 1:04:02 Stunden gelaufen war. Kurz vor dem Valencia-Halbmarathon war bekannt geworden, dass der vermeintliche Weltrekord von Yalemzerf Yehualaw (Äthiopien), die im nordirischen Larne im August 1:03:44 gelaufen war, nicht anerkannt werden konnte, da die Strecke dort um 54 Meter zu kurz war. Yehualew war nun in Valencia Zweite und blieb mit 1:03:51 ebenfalls noch unter dem alten Weltrekord von Chepngetich. Das Podest komplettierte als Dritte Sheila Chepkiriu (Kenia; 1:04:53 h).