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Valencia-Marathon
Amanal Petros verbessert deutschen Rekord um mehr als eine Minute

| von Jörg Wenig (Text) & Norbert Wilhelmi (Foto)

Deutschlands Marathon-Asse glänzten in Valencia: Amanal Petros lief in 2:07:18 Stunden deutschen Rekord. Richard Ringer und Philipp Pflieger rannten ebenso Bestzeiten wie Deborah und Rabea Schöneborn.

Beim Valencia-Marathon ist Amanal Petros ein famoses Rennen gelungen: In seinem zweiten Marathonlauf stürmte der 25-jährige Läufer des TV Wattenscheid zu einem deutschen Rekord. Bei sehr guten Wetterbedingungen war Amanal Petros nach einem mutigen Rennen nach 2:07:18 Stunden im Ziel. Damit verbesserte er die Marke von Arne Gabius (Therapie Reha Bottwartal), der 2015 in Frankfurt 2:08:33 gelaufen war, um 75 Sekunden.

Ein sehr gutes Debüt lief am Sonntag Richard Ringer (LC Rehlingen), der auf Rang 36 mit 2:10:59 auf Anhieb die Olympia-Norm von 2:11:30 unterbot. Eine persönliche Bestzeit erreichte Philipp Pflieger (LT Haspa Marathon Hamburg) mit 2:12:15 auf Platz 47. Für beide lief es in Valencia jedoch nicht optimal, nachdem sie in viel versprechenden und schnellen 64:36 Minuten die erste Hälfte absolviert hatten. Ringer konnte das Tempo im letzten Teil des Rennens nicht halten. Pflieger hatte in den Tagen vor dem Start großes Pech, weil ein erster Corona-Test fälschlicherweise positiv ausfiel. Erst nach weiteren negativen Tests und viel Stress konnte er am Sonnabend noch verspätet nach Valencia fliegen und dann starten. Darunter litt sicherlich die Leistung. Pech hatte auch Tom Gröschel (TC Fiko Rostock): Er gab das Rennen aufgrund von Wadenproblemen vor der 25-km-Marke auf. Alle drei könnten im Frühjahr 2021 noch einen weiteren Marathon laufen.

Insgesamt produzierte der Valencia-Marathon das bezogen auf die Breite der Spitze beste Straßenrennen aller Zeiten. In einem spannenden Duell triumphierte der Kenianer Evans Chebet mit einer Jahresweltbestzeit von 2:03:00 Stunden mit nur vier Sekunden Vorsprung vor seinem Landsmann Lawrence Cherono. Dritter wurde der Äthiopier Birhanu Legese mit 2:03:16. Zum ersten Mal blieben vier Läufer in einem Marathonrennen unter 2:04 Stunden. Rang vier belegte Amos Kipruto (Kenia) mit 2:03:30.

Bei den Frauen blieben erstmals sechs Läuferinnen in einem Marathon unter der 2:20-Barriere. Peres Jepchirchir (Kenia), die im Oktober den Halbmarathon-WM-Titel gewonnen hatte, stellte mit 2:17:16 Stunden eine Jahresweltbestzeit auf. Sie gewann vor Joyciline Jepkosgei (Kenia/2:18:40) und Helalia Johannes (Namibia/2:19:52). Eine deutliche Steigerung gelang der zwölftplatzierten Deborah Schöneborn (LG Nord Berlin) in ihrem zweiten Marathonrennen: Mit 2:26:55 unterbot sie die Olympianorm deutlich und blieb erstmals unter 2:30 Stunden. Ihre Zwillingsschwester Rabea Schöneborn (LG Nord Berlin) lief als 17. mit 2:28:42 ein beachtliches Debüt. Dagegen gab Anja Scherl (LG Telis Finanz Regensburg) in Valencia bei Kilometer 29 auf.

Weltrekord im Halbmarathon durch Kibiwott Kandie

Noch hochklassiger waren in Valencia die Ergebnisse des parallel veranstalteten Halbmarathonrennens: Der Kenianer Kibiwott Kandie stürmte mit 57:32 Minuten zu einem Weltrekord und der ersten Zeit unter 58 Minuten über die 21,0975-km-Strecke. Gleich vier Läufer blieben in Valencia unter der bisherigen Bestzeit von Geoffrey Kamworor (Kenia), der 2019 in Kopenhagen 58:01 gelaufen war. Platz zwei belegte Jacob Kiplimo (Uganda/57:37), der bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften im Oktober vor Kandie den Titel gewonnen hatte. Als Dritter lief Rhonex Kipruto (Kenia) mit 57:49 das schnellste Debüt über diese Distanz. Vierter wurde sein Landsmann Alexander Mutiso (57:59). Als bester Europäer belegte Julien Wanders (Schweiz) Rang acht. Er lief 59:55 und erreichte die zweitschnellste Zeit seiner Karriere.

In ihrem ersten Rennen dieses Jahres lief Genzebe Dibaba ein glänzendes Halbmarathon-Debüt. Die 29-jährige äthiopische 1.500-m-Weltrekordlerin gewann auf Anhieb mit einer Weltklassezeit von 65:18 Minuten. Auch Sheila Chepkirui (Kenia/65:39) und Senbere Teferi (Äthiopien/65:51) erreichten auf den Rängen zwei und drei Zeiten von unter 66 Minuten.

Amanal Petros eher zufällig auf Rekordkurs

Amanal Petros lief im ersten Teil des Rennens eher zufällig so schnell, dass er sich deutlich unter dem deutschen Rekord von Arne Gabius (2:08:33) bewegte. „Geplant war eigentlich eine Halbmarathon-Zwischenzeit von rund 65 Minuten. Dann wollte ich auf den letzten zehn Kilometern noch zulegen. Aber ich fand nach dem Start nicht die entsprechenden Tempomacher für diese Gruppe. Ich bin dann einfach weitergelaufen mit einer anderen Gruppe, da ich mich gut fühlte“, erzählte Amanal Petros.

„Nach einigen Kilometern merkte ich, dass das doch ein ziemlich schnelles Tempo ist und erkundigte mich bei einem Begleit-Motorradfahrer. So habe ich erfahren, dass ich in der Gruppe für eine 2:06-Zeit laufe. Inzwischen waren schon fünf Kilometer gelaufen und ich entschloss mich, weiter in der Gruppe zu bleiben. Die drei Tempomacher waren super, sie haben uns vor dem Wind geschützt und dann später sogar bis 35 statt 30 km Tempo gemacht. Wir haben sie kurz vor 30 gefragt, ob sie noch weiterlaufen würden und ihnen gesagt: Wir laden Euch dann später zum Kaffeetrinken ein!“

Nach 63:09 Minuten passierte Amanal Petros die Halbmarathonmarke, nach 1:14:49 Stunden war er bei Kilometer 25. Damit unterbot er die bisherige deutsche Bestzeit über die 25-km-Distanz deutlich. Nach Einführung der internationalen Standard-Vermessung für Straßenrennen war der Berliner Rainer Wachenbrunner 1992 bei den 25 km von Berlin mit 1:15:21 die bisher schnellste deutsche 25-km-Zeit gelaufen. „Nach rund 27 Kilometern wusste ich, dass ich den Marathon-Rekord brechen kann“, sagte Amanal Petros, dessen 30-km-Zwischenzeit von 1:30:07 Stunden ebenfalls unerreicht ist in Deutschland.

Evenas Chebet nutzt Missgeschick von Lawrence Cherono

Die Spitzengruppe war anders als der neue deutsche Rekordler trotz einer sehr schnellen Halbmarathon-Durchgangszeit von 61:41 Minuten etwas langsamer unterwegs als geplant. Dadurch wurde die avisierte Zielzeit von unter 2:03 Stunden am Ende haarscharf verpasst. Nachdem mit dem Vorjahressieger Kinde Atanaw (Äthiopien/Bestzeit: 2:03:51) einer der großen Favoriten rund sechs Kilometer vor dem Ziel aufgrund von Muskelproblemen das Rennen vorzeitig beenden musste, verlor sein Landsmann Birhanu Legese kurz nach der 40-km-Marke den Kontakt zur Spitze.

Übrig blieben vorne die Kenianer Lawrence Cherono und Evans Chebet. Cherono, der Chicago-Marathon-Sieger des vergangenen Jahres, hatte schon einen kleinen Vorsprung von rund zwei Metern, als er bei einer leichten Rampe etwas aus dem Tritt kam. Dieses Missgeschick nutzte Chebet, um vorbeizuziehen und sich durch den Sieg eine Prämie von insgesamt 145.000 Euro zu sichern. Der 32-Jährige, der mit einer Bestzeit von 2:05:00 ins Rennen gegangen war, wurde mit einer Steigerung um genau zwei Minuten zum sechstschnellsten Läufer aller Zeiten. Der zweitplatzierte Cherono schob sich in dieser Liste mit 2:03:04 nun auf Rang sieben nach vorne.

© Norbert Wilhelmi

Deborah Schönenborn steigert sich auf 2:26:55, ihre Zwillingsschwester Rabea debütiert in 2:28:42

Auch die Frauen-Siegerin Peres Jepchirchir lief die zweite Hälfte des Rennens etwas schneller als die erste. Nach einer Halbmarathon-Zwischenzeit von 69:04 Minuten und einer 30-km-Zeit von 1:38:07 Stunden fiel die Spitzengruppe nach und nach auseinander. Es entwickelte sich dann zunächst ein Zweikampf zwischen Peres Jepchirchir und ihrer kenianischen Rivalin Joyciline Jepkosgei, die im vergangenen Jahr den New York-Marathon gewonnen hatte und nach einem Sturz bei der Halbmarathon-WM im Oktober mit Rang sechs zufrieden sein musste. Die Halbmarathon-Weltmeisterin Jepchirchir konnte sich dann kurz nach der 35-km-Marke absetzen. Mit einer Zielzeit von 2:17:16 Stunden wurde sie zur fünftschnellsten Läuferin aller Zeiten und sicherte sich ebenfalls eine Prämie von 145.000 Euro. Mit einer Bestzeit von 2:23:50 war Peres Jepchirchir ins Rennen gegangen.

Eine sehr deutliche Steigerung gelang in Valencia auch Deborah Schöneborn. Nach einer flotten Halbmarathon-Zwischenzeit von 1:13:08 Stunden, wurde die 26-Jährige in der zweiten Hälfte nur wenig langsamer. Nach ihrem 2:31:18-Debüt vor gut einem Jahr in Köln machte sie einen Sprung auf 2:26:55 und schob sich auf Platz zehn in der Liste der schnellsten deutschen Läuferinnen aller Zeiten. Damit hat die Berlinerin jetzt sehr gute Karten im Rennen um einen olympischen Startplatz. Und als Zwölfte in Valencia lief sie sogar noch auf den letzten Preisgeld-Rang und verdiente sich 1.000 Euro. Auf Anhieb die Olympia-Norm von 2:29:30 unterboten hat Rabea Schöneborn mit 2:28:42. Sie müsste sich aber noch weiter steigern, um eine Chance auf einen Startplatz zu haben. Dies gilt jetzt auch für Anja Scherl, die, so ihr Manager Christoph Kopp, „in Valencia nicht richtig ins Rennen fand“ und daher den Marathon vorzeitig beendete.

„Mein Ziel war tatsächlich, zu versuchen, den zweiten Platz in der Rangfolge um die drei deutschen Olympia-Startplätze zu erreichen, also unter 2:27:26 zu laufen. Dieses Risiko wollte ich eingehen. Dass es am Ende aber sogar zu einer Zeit von unter 2:27 gereicht hat, damit hätte ich nicht gerechnet. Ich bin super happy“, sagte Deborah Schöneborn. „Ich hatte eine ideale Gruppe. Rabea, die im Training mit mir eigentlich immer auf der gleichen Wellenlänge war, lag etwas weiter hinten. Aber sie ist nicht enttäuscht und auf jeden Fall ein sehr gutes Debüt gelaufen.“