Boston-Marathon: Außenseiter-Siege bei Regen und Kälte

Boston-Marathon: Außenseiter-Siege bei Regen und Kälte

| Text: Jörg Wenig | Fotos: photorun.net

Desiree Linden (USA) und Yuki Kawauchi (Japan) haben den von Regen, Kälte und Gegenwind geprägten Boston-Marathon gewonnen. Arne Gabius gab auf.

Extrem schlechte Wetterbedingungen produzierten dramatische Schlussphasen, sensationelle Sieger und völlig unerwartete Ergebnisse beim Boston-Marathon. Der Japaner Yuki Kawauchi triumphierte in 2:15:58 Stunden, nachdem er den am Ende zweitplatzierten Titelverteidiger Geoffrey Kirui knapp zwei Kilometer vor dem Ziel überholt hatte. Der Kenianer war in der Schlussphase eingebrochen, konnte nur noch joggen und wurde schließlich in 2:18:23 Zweiter vor seinem früheren Landsmann Shadrack Biwott (USA/2:18:35).

Bei eiskaltem Dauerregen mit Temperaturen von 5 Grad Celsius und über lange Strecken starkem Gegenwind mit bis zu 40 Stundenkilometern brachen fast alle Favoriten ein und kamen nicht ins Ziel. Darunter war auch Arne Gabius (Therapie Reha Bottwartal). Der deutsche Rekordhalter (2:08:33) gab bei den extremen Bedingungen bereits vor der 15-km-Marke aufgrund eines Wadenproblems auf.

Als erste US-Amerikanerin seit Lisa Weidenbach 1985 gewann Desiree Linden den Boston-Marathon. Sie hatte bei Kilometer 35 die Führung übernommen und war dann nach 2:39:54 vor ihrer Landsfrau Sarah Seller (2:44:05) und der Kanadierin Krista Duchene (2:44:20) im Ziel.

Wie sehr die Wetterbedingungen die Leistungen beeinträchtigten, lässt sich auch anhand der Siegzeiten ablesen. Langsamer lief ein Boston-Sieger zuletzt 1976 und eine Siegerin vor 40 Jahren. Bei der 122. Auflage des Boston-Marathons gingen rund 30.000 Läufer an den Start. Das Wetter hatte auch zur Folge, dass deutlich weniger Zuschauer an der Strecke standen als üblich.

Selten hat man internationale Eliteläufer bei einem großen Marathon so dick eingepackt ins Rennen gehen sehen wie am Montag in Hopkinton, dem Startpunkt des Bostoner Rennens. Die meisten von ihnen liefen mit Jacken, Mützen und Handschuhen. Durch den Wind lag die gefühlte Temperatur knapp unter dem Gefrierpunkt.

2018_04_17_boston_marathon_gewinner

Yuki Kawauchi: Sieg im schon vierten Marathon 2018

Trotz der widrigen Bedingungen entwickelte sich bei den Männern ein überraschend schnelles Anfangstempo. Dies lag in erster Linie am japanischen Dauer-Marathonläufer Yuki Kawauchi. In diesem Jahr bereits drei Rennen über die 42,195 km gelaufen, setzte sich der 31-Jährige sofort an die Spitze und lief rund sechs Kilometer lang vor der ersten Gruppe her, in der auch Arne Gabius in einer weißen Jacke zu sehen war.  

Den 10-km-Punkt erreichte dann eine neunköpfige Spitzengruppe nach 30:15 Minuten. Dies ist ein Tempo, das trotz der widrigen Bedingungen auf eine Zielzeit von 2:07:30 Stunden hindeutete. In der Folge allerdings wurde es im Starkregen etwas ruhiger, so dass weitere Läufer zur Spitzengruppe aufschließen konnten. Eine 13-köpfige Gruppe erreichte die Halbmarathonmarke nach 65:59 Minuten.

Titelverteidiger und Weltmeister Geoffrey Kirui war es dann, der frühzeitig eine Vorentscheidung suchte. Zwischen Kilometer 27 und 28 drückte er derart auf das Tempo, dass ihm kein anderer folgen konnte. Die Gruppe riss teilweise auseinander. Geschlagen war unter anderen der Vorjahres-Zweite und Chicago-Sieger Galen Rupp (USA), der das Rennen bald nach der 30-km-Marke aufgab. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kirui bereits einen Vorsprung von knapp einer halben Minute auf Abdi Nageeye (Niederlande), Shadrack Biwott und Yuki Kawauchi, die eine Gruppe formten.

Nach 35 km betrug Kiruis Vorsprung schon 1:31 Minuten, doch bald darauf wurde er langsamer und langsamer. Bei Kilometer 40 war der Marathon-Weltmeister nur noch im Jogging-Tempo unterwegs und lag lediglich 20 Sekunden vor Kawauchi. Der Japaner, der hauptamtlich an einer Schule arbeitet, lief bald darauf an Kirui vorbei und wurde zum größten Überraschungssieger seit langer Zeit in Boston.

„Ich habe nie aufgegeben. Ich habe Kirui immer vor mir gesehen, aber ich bin einfach mein Rennen gelaufen. Für mich waren das heute die bestmöglichen Bedingungen“, sagte Yuki Kawauchi, der unter normalen Umständen die besten Afrikaner nicht schlagen kann. So aber lief er zum ersten japanischen Männersieg in Boston seit Toshihiko Seko 1981.

Arne Gabius gibt mit Wadenkrämpfen auf - Jetzt 10.000 Meter bei der EM in Berlin?

Nachdem sich Arne Gabius nach dem Start zunächst in der Führungsgruppe einsortiert hatte, fiel er nach rund sechs Kilometern zurück und konnte in der Folge auch den Anschluss an die zweite Gruppe nicht halten. Bei Kilometer 10 lief Arne Gabius alleine hinter der dritten Gruppe und hatte mit einer Zwischenzeit von 30:52 bereits 37 Sekunden Rückstand. Den zweiten 5-km-Abschnitt war er in 15:43 gelaufen. „Meine Wade hat gekrampft und somit war das Rennen für mich zu Ende“, sagte Arne Gabius, nachdem er vor Kilometer 15 aufgegeben hatte.

Abseits von Frankfurt hat Arne Gabius im Marathon einfach kein Glück. 2016 stieg er verletzt in London aus, ein Jahr später aus gleichen Gründen in Hannover und nun in Boston. Es ist schon einigen Eliteläufern passiert, dass sie bei kaltem Regen durch das Spritzwasser Probleme mit der Wadenmuskulatur bekamen. Nur in Frankfurt kam Arne Gabius bisher ins Ziel eines Marathons - das allerdings dreimal und jeweils in unter 2:10 Stunden. Im Herbst wird der 37-Jährige sicherlich wieder einen Marathon laufen. Wo das sein wird, steht aber noch nicht fest.

„Zunächst machen wir jetzt zweieinhalb Wochen Urlaub auf Hawaii“, sagte Arne Gabius, der sich dann über 10.000 m für die Europameisterschaften in Berlin qualifizieren möchte. „Voraussichtlich werde ich in Oslo am 7. Juni über 10.000 Meter starten, um dort die EM-Qualifikationszeit zu laufen.“ Danach plant Arne Gabius dann ein längeres Höhentrainingslager in St. Moritz.

Erster US-Sieg bei den Frauen seit 1985

Anders als die Männer gingen die Frauen sehr langsam ins das Rennen. Eine 14-köpfige Spitzengruppe erreichte die 10-km-Marke nach 37:07 Minuten. Bis zum Halbmarathonpunkt wurde das Tempo nicht schneller (1:19:41 Stunden), jedoch hatte sich die Gruppe auf neun Läuferinnen verkleinert. Kurz darauf setzte sich Mamitu Daska ab. Die Äthiopierin, die 2011 und 2016 den Frankfurt-Marathon gewonnen hatte und im vergangenen Herbst Dritte in New York war, lief bis kurz vor Kilometer 35 an der Spitze. Doch nachdem sie zwischenzeitlich einen Vorsprung von rund einer halben Minute hatte, brach sie bald nach Kilometer 30 ein und kam später nicht ins Ziel.

Immer dichter heran kamen Gladys Chesire und die einige Sekunden hinter der Kenianerin laufende Desiree Linden. Kurz vor Kilometer 35 übernahm Chesire kurzzeitig die Führung, wurde aber ihrerseits unmittelbar danach von Linden überholt. Während auch Chesire nicht das Ziel erreichte, war Linden mit dem ersten US-Frauensieg seit Lisa Weidenbach 1985 (2:34:06 Stunden) vor Augen nicht mehr zu stoppen. Getragen von der Begeisterung gewann sie am Ende mit großem Vorsprung. „Ich bin absolut begeistert und finde keine Worte“, sagte Desiree Linden. Die 34-Jährige feierte den größten Sieg ihrer Karriere, nachdem sie bereits 2011 mit ihrer aktuellen Bestzeit von 2:22:38 Stunden Zweite in Boston war.