Äthiopier dominieren Boston-Marathon, Fate Tola Achte

Äthiopier dominieren Boston-Marathon, Fate Tola Achte

| Jörg Wenig I Fotos: photorun.net
Zum ersten Mal in der Geschichte des traditionsreichen Marathons in Boston (USA) haben am Montag zwei Äthiopier die Rennen der Männer und Frauen gewonnen

Zum ersten Mal in der Geschichte des traditionsreichen Marathons in Boston (USA) haben am Montag zwei Äthiopier die Rennen der Männer und Frauen gewonnen (Fotos oben). Lemi Berhanu Hayle setzte sich in 2:12:45 Stunden durch und dürfte sich mit seinem Sieg das Olympia-Ticket gesichert haben. Bei den Frauen krönte Atsede Baysa eine spektakuläre Aufholjagd und setzte sich in  2:29:19 Stunden durch. Die kurz vor der Einbürgerung in Deutschland stehende Fate Tola (LG Braunschweig; Äthiopien) lief ein gutes Rennen und wurde Achte.

Äthiopiens Weltklasseläufer haben die 120. Auflage des Boston-Marathons am Montagabend dominiert. Lemi Berhanu Hayle gewann das Rennen in 2:12:45 Stunden vor seinem Landsmann Lelisa Desisa und dürfte damit die Olympia-Qualifikation geschafft haben. Titelverteidiger Desisa war nach 2:13:32 im Ziel. Dritter wurde mit Yemane Tsegay in 2:14:02 ein weiterer Äthiopier. Bei den Frauen setzte sich nach einer erfolgreichen Aufholjagd die Äthiopierin Atsede Baysa mit 2:29:19 Stunden vor ihrer Landsfrau Tirfi Tsegaye (2:30:03) durch. Dritte wurde die Kenianerin Joyce Chepkirui mit 2:30:50. Einen guten achten Rang belegte bei dem Lauf-Spektakel Fate Tola mit 2:34:38. Die Noch-Äthiopierin, die für die LG Braunschweig startet, dürfte in Kürze die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.
 
Das Rennen auf der hügeligen Strecke war von Taktik geprägt. Ohne Tempomacher entwickelte sich daher bei warmem Wetter ein lange Zeit langsamer Lauf, der erst im letzten Teil schneller wurde. Die beiden Sieger erhalten mit jeweils 150.000 US-Dollar eine der höchsten Prämien im internationalen Laufsport. 30.743 Läufer hatten für das Rennen von Hopkinton nach Boston gemeldet.
 

Das Männer-Rennen

Bei sonnigem Wetter mit etwas Wind und in der Schlussphase warmen Temperaturen von rund 20 Grad Celsius ließen es die Favoriten lange Zeit sehr gemächlich angehen. Bei dem traditionell ohne Tempomacher stattfindenden Rennen erreichte eine 17-köpfige Spitzengruppe die Halbmarathonmarke nach 66:48 Minuten. Erst um Kilometer 25 herum wurde es schneller. Und es waren die Äthiopier, die das Tempo verschärften - allen voran Titelverteidiger Lelisa Desisa. Er galt zwar als einer der großen Favoriten. Jedoch lief auch eine Portion Skepsis mit, denn Desisa hatte im vergangenen Jahr gleich vier Rennen über die klassische Distanz bestritten. Vielleicht war dies am Ende mit ein Grund dafür, dass er im Zweikampf um den Sieg gegen seinen Landsmann Lemi Berhanu Hayle einmal mehr den Kürzeren zog.

Entscheidung am Verpflegungspunkt

Kurz vor Kilometer 27 hatte sich Lelisa Desisa abgesetzt, doch einen Konkurrenten wurde er auch im hügeligen Teil des Boston-Marathons nicht los: Lemi Berhanu Hayle. Genau dieses Duell hatte es bereits im Januar 2015 in der Schlussphase des Dubai-Marathons gegeben. Auch damals gewann Hayle das Rennen vor Desisa. Wie in Dubai wartete Hayle bis jenseits der 40-km-Marke mit seinem Antritt. Just als Desisa, der in Boston bereits 2013 gewonnen hatte und vom dritten Sieg geträumt hatte, an der letzten Erfrischungsstation einen kleinen Schlenker machte, um einen Wasserbecher zu greifen, trat Hayle an und zog davon.

„Ich konnte sehr konstant trainieren und war vor dem Start zuversichtlich, dass ich gewinnen könnte“, sagte der erst 21-jährige Hayle, der in diesem Januar in Dubai bereits Rang zwei belegt und dabei mit 2:04:33 Stunden eine persönliche Bestzeit aufgestellt hatte. Damit ist er nach wie vor die Nummer zwei in der Jahresweltbestenliste, so dass er nach seinem Boston-Triumph sehr gute Chancen haben sollte, für Olympia nominiert zu werden. Kaum eine Rio-Chance dürfte dagegen Lelisa Desisa angesichts der extrem starken nationalen Konkurrenz haben. Er hätte in Boston wohl gewinnen müssen, um im Rennen um die olympischen Startplätze zu sein.

Das Frauen-Rennen

Auch die Frauen waren trotz der anfangs sehr guten Wetterbedingungen bei noch etwas kühleren Temperaturen nicht auf Tempo bedacht. In gemächlichen 36:20 Minuten passierten sie die 10-km-Marke. Zu diesem Zeitpunkt war die Titelverteidigerin bereits aus dem Rennen: Die Kenianerin Caroline Rotich fiel auf dem neunten Kilometer ans Ende der Führungsgruppe zurück, schien leicht zu humpeln und ging aus dem Rennen.
 
Das Tempo wurde bis zur Halbmarathonmarke, die eine elfköpfige Spitzengruppe nach 1:15:33 Stunden erreicht hatte, nicht viel schneller. Trotzdem war eine weitere Favoritin nicht mehr vorne dabei. Olympiasiegerin Tiki Gelana verlor kurz nach Kilometer 20 den Kontakt zur Spitzengruppe und lief schließlich abgeschlagen auf Rang 14 in 2:42:38 ins Ziel. Damit steht fest, dass die Äthiopierin ihre olympische Goldmedaille in Rio nicht verteidigen kann. Aufgrund der großen nationalen Konkurrenz hat sie keine Chance auf eine Nominierung.
 
An der Spitze setzten sich nach knapp 25 km vier Läuferinnen ab: Tirfi Tsegaye, die bei ihrem Dubai-Sieg im Januar die nach wie vor aktuelle Jahresweltbestzeit von 2:19:41 Stunden aufgestellt hatte, sowie die Kenianerinnen Joyce Chepkirui, Valentine Kipketer und Flomena Cheyech Daniel. Geschlagen schien zu diesem Zeitpunkt die spätere Siegerin Atsede Baysa. Während Daniel nur noch wenige Kilometer vorne mithalten konnte, verlor Kipketer nach gut 35 km den Kontakt. Auffällig war dann, dass Tsegaye, die 2014 den Berlin-Marathon gewonnen hatte, sich immer wieder umschaute - sie sah die Gefahr frühzeitig kommen: Atsede Baysa.

Baysa krönt Aufholjagd

Tsegaye forcierte schließlich nach rund 38 km das Tempo und ließ Chepkirui zurück. Doch das half gegen die stark aufkommende Baysa nichts. Rund drei Kilometer vor dem Ziel hatte Baysa, die nach 35 km noch 37 Sekunden Rückstand hatte und den Abschnitt von 35 bis 40 km in einem 2:21-Stunden-Marathontempo von 16:43 Minuten lief, die Führende eingeholt und ließ sie kurz danach hinter sich. „Ich bin mein Rennen gelaufen und habe gesehen, dass sie vorne etwas müder wurden. Ich freue mich, dass ich nach einigen Jahren wieder ein Rennen der World Marathon Majors gewonnen habe“, sagte die 29-jährige Atsede Baysa, die 2012 in Chicago mit ihrer persönlichen Bestzeit von 2:22:03 triumphiert hatte.
 
Eine gute Leistung zeigte in dem hochklassigen Feld Fate Tola. Die 28-Jährige lief bis kurz vor Kilometer 25 in einer elfköpfigen Spitzengruppe. Als sie dann zurückfiel, musste sie alleine durch die hügelige Streckenpassage laufen. „Das Rennen war sehr unrhythmisch. Ich freue mich aber, dass ich trotz sehr starker Konkurrenz Achte geworden bin“, sagte Fate Tola, die darauf hofft, im nächsten Monat die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Dann dürfte sie für den olympischen Marathon nominiert werden.

Die Ergebnisse

Männer
1. Lemi Berhanu Hayle (ETH) 2:12:45
2. Lelisa Desisa (ETH) 2:13:32
3. Yemane Tsegay (ETH) 2:14:02
4. Wesley Korir (KEN) 2:14:05
5. Paul Lonyangata (KEN) 2:15:45
6. Sammy Kitwara (KEN) 2:16:43
7. Stephen Chebogut (KEN) 2:16:52
8. Abdi Nageeye (NED) 2:18:05
 
Frauen
1. Atsede Baysa (ETH) 2:29:19
2. Tirfi Tsegaye (ETH) 2:30:03
3. Joyce Chepkirui (KEN) 2:30:50
4. Jelena Prokopcuka (LAT) 2:32:28
5. Valentine Kipketer (KEN) 2:33:13
6. Flomena Cheyech Daniel (KEN) 2:33:40
7. Buzunesh Deba (ETH) 2:33:56
8. Fate Tola (ETH; LG Braunschweig) 2:34:38