Im Blog: So lief Anita Horn 171 Kilometer rund um Köln
Unsere Bloggerin: Anita Horn
Anita Horn ist ein Multitalent. Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin unter anderem für den WDR, engagiert sie sich gleichzeitig bei den Asics Frontrunnern und ist Triathletin bei Tritime Women. Vor kurzem finishte sie mit einer Staffel bei der Challenge Roth. Dieses Jahr nahm sie zum ersten Mal die Herausforderung Kölnpfad an.
Der Kölnpfad ist ein Wettlauf. Einmal rund um Köln. Nur dass man hier und da an Bahnübergängen warten muss, an einer roten Ampel stehen bleibt und sich auch mal verläuft. Denn es sind weder die großen Massen unterwegs, denen man blind folgen könnte, noch ist die Strecke durch Straßensperren oder applaudierendes Publikum abgesteckt. Es ist halt der Kölnpfad und nicht der Köln Marathon (obwohl ja auch beim ein oder anderen Marathon schon herren- und kopflose Spitzenläufer sich kurz vor dem Ziel verlaufen, weil sie falsch abbiegen).
Es war meine erste Begegnung mit einem Rennen auf einem Wanderweg. Und meine erste Begegnung mit einer derartig ausgedehnten Staffel. Wenn ich mir eine Langdistanz mit zwei anderen Leuten teile, dann sind wir vielleicht 10-11 Stunden unterwegs. Damit einher geht langes Warten und Mitfiebern. Beim Kölnpfad waren wir über 16 Stunden auf der Strecke. Selbst wenn man zwischendurch zuhause auf der Couch sitzen kann ist man mental die ganze Zeit dabei. Und ich habe festgestellt: ob als Staffel oder nicht, ein Ultralauf ist ein Ultralauf und stellt hohe Anforderungen. Vor allem: auf der Strecke bleiben. Verlaufen gehört zur Tagesordnung.
Aber erst einmal zum Track: der Kölnpfad ist ein ausgezeichneter Wanderweg rund um Köln – in doppelter Hinsicht. Es gibt Wegmarkierungen an einigen Bäume. Ausgezeichnet wurde der Weg bei der Wahl „Deutschlands schönste Wanderwege 2014“ aber auch mit einem Platz auf dem Treppchen. Der Kölner Eifelverein hat den Kölnpfad 2008 entwickelt, markiert und hält ihn dauernd in Stand – alles auf ehrenamtlicher Basis. Dass Wanderwege immer öfter in Läuferkreisen beliebt sind und von Wettbewerben zweckentfremdet werden, freut den Vorsitzenden Klaus Dorbach sagt: „So steigern wir die Bekanntheit der Wanderwege.“ Und es ist doch schön, wenn so toll präparierte Strecken auch rege genutzt werden.
Elektronische Helfer
Das Wanderzeichen ist ein weißer Kreis auf schwarzem Grund. Allerdings befinden es sich nicht an jedem Baum und oft gibt es Verzweigungen auf den Wegen, so dass die Strecke ohne elektronische Helfer nur schwer zu finden ist – es sei denn es ist die eigene Hausstrecke. Die Wegfindung war also definitiv Teil der Challenge. An kurzfristig geänderten Streckenführungen gab es zusätzliche Markierungen der Veranstalter – zum Beispiel rund um die weiträumige Absperrung um das Summer Jam-Festival. An der Stelle ein großes Dankeschön an die Organisatoren und Helfer des Wettbewerbs – darin stecken viel Herzblut, Arbeit und Liebe.
Wer sich verläuft, merkt es im besten Falle selbst. So wie ich bei Kilometer 8. Ich bin um acht Uhr morgens gestartet, um die erste Etappe von insgesamt fünf zu laufen. Knappe 27 km und reichlich Regen haben mich mit offenen Armen empfangen. Eigentlich war ich schon nass bis auf die Knochen bevor die Veranstalter Thomas Eller und Thorsten Klenke den Countdown gegeben haben. Bindfäden fielen vom Himmel. Und ein paar Badewannen dazu. Ausgestattet mit Navi (Garmin-Track), Handy (in wasserdichter Tüte), Trailrucksack (gefüllt mit 1,5l isotonischem Getränk, einem Riegel) und dem GPS-Tracker des Veranstalters (quasi unser Staffelstab, der von Läufer zu Läufer weitergereicht wurde) ging es mit 14 weiteren Staffelläufern los.
Die erste Gruppe preschte mit vier Läufern vor, ich dahinter – gefolgt von weiteren Kleingruppen und Einzelläufern. Aber davon ließ ich mich nicht treiben. Ich hörte Musik und folgte den Pfeilen auf meinem Display – bis ich den Hinweiston hörte, der auf eine Streckenabweichung aufmerksam machte. Tatsache – beim Auszoomen aus meiner Route sah ich, dass mein Navi mich einmal im Carré schicken wollte. Zum Glück merkte ich den Fehler schnell, drehte mich auf den Fersen um und sah in ein paar hundert Metern Entfernung drei Jungs von links nach rechts vorbeiziehen. Irgendwie wollte ich dann wohl doch keine Konkurrenz dulden. Also bin ich flott auf den Track zurück, habe einen Smalltalk geführt und mich dann wieder abgesetzt.
Ab dem Moment war ich weit und breit alleine, umgeben von Kölscher Industriekultur: Stahlbrücken, der Niehler Hafen, Hauptstraßen und Büdchen. Sicher nicht der charmanteste Teil des Kölnpfads, aber so ist Köln eben. Die grüne Lunge mit dem Königsforst und anderen Wäldern war den späteren Etappenläufern vorenthalten. Ich fand es trotzdem toll. Oder gerade deshalb. An meinem Versorgungspunkt habe ich mir einen halben Apfel geschnappt, kurz meine Startnummer notieren lassen, dann ging es weiter.
Abenteuer Wanderweg
Die Zeit verflog. Nach 2,5 Stunden und fast 27 Kilometern sah ich von weitem schon die Läufer der zweiten Etappe und meinen Ablöser. Oder sage ich lieber Erlöser? Ich hatte nämlich plötzlich schreckliche Krämpfe in den Füßen und kam die letzten 1000 Meter kaum vorwärts. Ich habe Andreas nur den GPS-Tracker in die Hand gedrückt, viel Glück gewünscht und war dann doch froh, dass ich fertig war. Ein Ultralauf ist eben kein Zuckerschlecken, auch nicht auf den kurzen Teildistanzen. Kälte, Regen, durchnasse Socken und unebener Boden wollen trainiert sein.
Ich verfolgte den Live-Tracker von Andreas, Philippe, Ingo und Chris im Internet. Meine Nerven lagen Blank, denn zwischendurch verlor das Gerät immer wieder das Signal. Man sah also nur bedingt, ob die Läufer wirklich auf der richtigen Strecke lieben und wie schnell sie waren. Aber alles entspannt, es lief gut für uns. Abends um 22 Uhr machte ich mich dann wie geplant auf den Weg Richtung Start-/ Zielbereich, um unseren Schlussläufer Chris zu empfangen und gemeinsam mit ihm ins Ziel zu laufen. Ich öffnete den Live-Tracker und was sah ich? In just diesem Moment bog Chris falsch ab und verließ die Route. Hilfe! War das aktuell? Stimme das? Ich rief Chris hektisch an und er ging tatsächlich ans Telefon. Er sagte mir den Namen auf dem nächsten Straßenschild und Tatsache, er war auf der falschen Fährte. Was für ein glücklicher Zufall. Er kehrte um, schloss sich zwei anderen Läufern an und kam nach über 4,5 Stunden ins Ziel – geplant waren unter drei Stunden, aber die Dunkelheit, der Matsch und die Wegfindung machten den Wanderweg zu einem echten Abenteuer.
Auch langsam laufen ist Laufen
Ultraläufe macht man nicht im Rekordtempo – zumindest meistens nicht. Natürlich gibt es Leute, die vier Marathons hintereinander in jeweils drei Stunden laufen und damit natürlich auch den Kölnpfad gewinnen. Aber Thorsten Klenke und Thomas Eller betonen, dass jeder mitmachen und sein eigenes Tempo laufen kann. Je länger die Distanz, desto stärker reduziert man eben das Tempo. Beim Kölnpfad ist also jedem selbst überlassen, ob er beim kompletten Kölnpfad über 171 Kilometer, beim „10x11“ auf 110 Kilometer, bei der Kölschen Nachtschicht über 75 Kilometer oder beim „Kölschen Klüngel“ – dem Staffelwettbewerb über 171 Kilometer mit fünf Läufern mitmacht. Es ist für jeden was dabei.
Die Strecke ist recht flach und somit auch etwas für Ultra-Einsteiger. Durch das Warten auf die Staffelpartner wurde mir auf jeden Fall erstmals die Dimension eines Ultralaufs bewusst und ich habe höchsten Respekt vor allen, die an den Start gegangen sind – auch wenn nicht alle den Wettbewerb beendet haben. Wir haben es aber geschafft, blauäugig und unvorbereitet, wie wir die Veranstaltung angegangen sind. Und wir haben es am Ende sogar auf das Treppchen geschafft. Wir sind stolz auf Platz 3 mit unserer Staffel und fühlen uns nun auch ein bisschen „ultra“. Ultragut.
Linksammlung: Wanderwege zum Laufen
Um sich an Ultradistanzen heranzutasten ist zum Einstieg kein Wettbewerb nötig. Einfach Route aussuchen, Navi programmieren, Rucksack vorbereiten und los – laufbare Wanderwege in Deutschland gibt es schließlich mehr als genug.