Der Sensationsmeister: Marcus Schöfisch im Interview

| Martin Neumann I Fotos: Norbert Wilhelmi
Aufgrund von Verletzungen oder Olympia-Starts fehlten die besten deutschen Läufer beim Frankfurt-Marathon am Sonntag. So war das Rennen um den DM-Titel of

Aufgrund von Verletzungen oder Olympia-Starts fehlten die besten deutschen Läufer beim Frankfurt-Marathon am Sonntag. So war das Rennen um den DM-Titel offener denn je. Doch mit Marcus Schöfisch (SC DHfK Leipzig) hatte wohl niemand gerechnet. Auch der 29-Jährige selbst nicht. Im Interview spricht der Polizist über seine goldene Marathon-Premiere, seine zweite Karriere auf der Straße und sagt, warum er gar nicht wusste, dass er kurz vor Schluss plötzlich in Führung lag.

Marcus Schöfisch, herzlichen Glückwunsch zum DM-Titel. Hast du damit geliebäugelt, bei deiner Marathon-Premiere als erster Deutscher in die Festhalle einzulaufen?
Vielen Dank! Ich habe davon geträumt, aber gerechnet nicht. Bei Kilometer 40 war ich wohl noch Vierter in der DM-Wertung, aber ein Marathon ist ja zum Glück 42,195 Kilometer lang.

Wann hast du gewusst, dass du in der DM-Wertung auf Goldkurs lagst?
In der Festhalle, als das Zielband für den Deutschen Meister für mich aufgespannt wurde (lacht).

Du wusstest im Rennen nicht, dass du vorn warst?
Nein, ich wusste nur, dass ich auf einem guten Platz liegen musste. Jonas Koller habe ich irgendwann überholt und auch Mitku Seboka, der nur noch gegangen ist. (Zum Live-Ticker mit den Ergebnissen.) Mein Glück war natürlich, dass die erste Reihe der deutschen Marathonläufer entweder in Rio gelaufen oder verletzt ist.

Es war dein erster Marathon. Hast du dir die 42,195 Kilometer in Frankfurt so vorgestellt?
Der Zieleinlauf in der Festhalle war der absolute Wahnsinn nach einem harten Stück Arbeit. Im Training bin ich nicht weiter als 35 Kilometer gelaufen. Darum wusste ich nicht genau, was mich erwartet. Aber es hat richtig gut geklappt.

Du bringst „nur“ eine Halbmarathon-Bestzeit von 67:32 Minuten mit, bist aber in Frankfurt 69:24 Minuten auf der ersten Rennhälfte angelaufen. War das nicht ein bisschen mutig?
Eigentlich wollte ich ein wenig langsamer angehen. Aber wir hatten eine so gute Gruppe, da habe ich einfach was riskiert. Und es hat sich ja gelohnt. Außerdem habe ich früh gemerkt, dass ich heute mega-gute Beine hatte.

„2:12 Stunden werde ich nie laufen“

Lauf-Insider kennen dich noch aus der Stadion-Leichtathletik? Du warst Mittelstreckler und Hindernisläufer. Nach 2014 wurde es dann ruhiger. Was war los?
Ich wohne mit meiner Freundin Annett Horna (Anm. der Red.: ehemalige Deutsche 1.500-Meter-Meisterin und Cover-Model unser aktuellen Ausgabe) in Leipzig, habe aber damals noch in Erfurt gearbeitet. Das war sehr zeitaufwendig. Mittlerweile bin ich in Leipzig bei der Polizei. So kann ich wieder besser trainieren. Leider kam im Frühjahr ein Ermüdungsbruch im Kreuzbein dazwischen. Da konnte ich drei Monate nicht trainieren und natürlich auch keine Wettkämpfe bestreiten.

Auch in den vergangenen Monaten bist du nicht besonders in Erscheinung getreten. Wie hast du dich auf die Marathon-Premiere vorbereitet?
Ich habe zwei kleinere Wettkämpfe bestritten und dann vor drei Wochen die Great 10K in Berlin. Dort bin ich 30:53 Minuten gelaufen und damit eine für mich ordentliche Zeit. Da war mir klar, dass es in Frankfurt gut laufen könnte. Mein Trainer Ronny Martick hat mich nach der Verletzung aus dem Tal hinausgeholt und mich super auf den Marathon vorbereitet. Es hat alles gepasst.

Du bist 29 Jahre alt. Wenn Leichtathleten bis Mitte 20 nicht der Durchbruch gelingt, hören sie meistens auf. Du nicht, in Gegenteil scheint deine Karriere jetzt erst richtig anzufangen.
Ich konnte und wollte mich nicht von der Leichtathletik trennen. Dafür liebe ich das Laufen einfach zu sehr. Schon als Mittelstreckler und Hindernisläufer habe ich vom Marathon geträumt. Diesen Traum habe ich mir nun erfüllt.

Es war dein erster Marathon, aber sicher nicht dein letzter …
… ganz bestimmt nicht (lacht). Im kommenden Frühjahr werden im Rahmen des Hamburg-Marathons die Deutschen Polizeimeisterschaften ausgetragen. Da würde ich gern laufen. Außerdem habe ich ja noch eine Rechnung offen. In Frankfurt haben mir neun Sekunden für eine Zeit unter 2:20 Stunden gefehlt.

Apropos Zeit: Welche Leistungen traust du dir in den kommenden Jahren zu?
Na ja, die Zeiten von Arne Gabius sind der absolute Wahnsinn. Auch Zeiten zwischen 2:10 und 2:12 Stunden sind für mich außer Reichweite. Da muss man realistisch bleiben. Aber ich habe Blut geleckt und würde irgendwann gern die nationale Konkurrenz im Bereich zwischen 2:15 und 2:17 Stunden ärgern.

Hier findest du alle Ergebnisse des 35. Mainova Frankfurt-Marathon 2016!