Deutsche Marathon-Asse nehmen schon die EM 2018 ins Visier

Deutsche Marathon-Asse nehmen schon die EM 2018 ins Visier

| Jörg Wenig I Foto: photorun.net
In den deutschen Männer-Marathon ist in den letzten Jahren einige Bewegung gekommen. Dabei gab es einen deutlichen Leistungsschub. Nachfolgend wird die in

In den deutschen Männer-Marathon ist in den letzten Jahren einige Bewegung gekommen. Dabei gab es einen deutlichen Leistungsschub. Höhepunkt dieser längst fälligen Entwicklung war der deutsche Rekordlauf von Arne Gabius (Foto), der 2015 in Frankfurt 2:08:33 Stunden erreichte. Fünf Athleten formen gemessen an ihren Bestzeiten und Ergebnissen der letzten Jahre zurzeit die deutsche Spitze. Bei den Weltmeisterschaften in London allerdings wird im August mit großer Sicherheit kein deutscher Marathonläufer am Start stehen. Eine frühzeitige Qualifikation im Herbst für die Europameisterschaften in Berlin 2018 hat für die meisten Athleten Priorität. Nachfolgend wird die individuelle Situation kurz dargestellt, und die Läufer geben eine persönliche Einschätzung zu ihren Zielen. Über die Saisonplanungen der besten deutschen Marathonläuferinnen liest du hier.

Arne Gabius

Bestzeit: 2:08:33 (2015)
Alter: 35
Verein: Therapie Reha Bottwartal

Deutschlands Rekordler Arne Gabius hatte nach zwei großartigen Marathonrennen in Frankfurt ausgerechnet in der Olympiasaison 2016 ein Jahr zum Vergessen. Weder beim London-Marathon noch bei der Halbmarathon-EM kam er ins Ziel, und auf die Spiele in Rio musste er schließlich verzichten. Eine langwierige Verletzung im Beckenbereich zwang ihn zu einer monatelangen Laufpause. Erst zu Weihnachten konnte Arne Gabius wieder vorsichtig mit Lauf-Trainingseinheiten beginnen - zunächst im Sechs-Minuten-Tempo pro Kilometer. Aber dann „lief es besser und besser“.

Jetzt steht Arne Gabius vor einer Art Comeback über die langen Distanzen: Am kommenden Sonntag startet der 35-Jährige beim New York-Halbmarathon, am 9. April läuft er den HAJ Hannover-Marathon. „Ich gehe davon aus, dass die Verletzung komplett überstanden ist“, sagte Arne Gabius, nachdem er in der vergangenen Woche aus einem vierwöchigen Höhentrainingslager im kenianischen Iten zurückgekommen war. „Ich konnte in Kenia keine Bäume ausreißen, denn das wäre sonst nach hinten losgegangen. Aber meine letzten beiden Trainingseinheiten vor dem Halbmarathon in New York waren gut.“

Nach dem Rennen in Big Apple wird Arne Gabius besser einschätzen können, wo er steht und was in Hannover möglich sein wird. Eines aber steht inzwischen fest: „Ich werde nicht den WM-Marathon in London laufen“, sagte Arne Gabius, der sich vorstellen kann, im Frühsommer noch einmal kurzzeitig auf die Bahn zurückzukehren. „Ich will noch weiter an meiner Schnelligkeit arbeiten und würde gerne meine Bestzeit über 10.000 Meter angreifen.“ Diese lief er vor zwei Jahren in Eugene mit 27:43,93 Minuten.

In der zweiten Jahreshälfte plant Arne Gabius dann einen zweiten Marathonstart. Tendenziell würde er eher ein schnelles Herbstrennen auswählen. Da kämen in erster Linie wohl Berlin oder Frankfurt infrage. Doch auch das Spektakel in New York lockt, wobei dann die Jagd auf eine schnelle Zeit verschoben werden müsste.

Philipp Pflieger

Bestzeit: 2:12:50 (2015)
Alter: 29
Verein: LG Telis Finanz Regensburg

Nach dem ersten großen Karriere-Höhepunkt mit dem Olympia-Start im Marathon (55. Platz als bester Deutscher), auf den 2016 die gesamte Saisonplanung ausgerichtet war, plant Philipp Pflieger in diesem Jahr anders: Im Frühjahr und im Herbst will er jeweils bei einem schnellen deutschen Marathon laufen, um seine persönliche Bestzeit möglichst in beiden Rennen zu unterbieten. 2015 hatte er in Berlin 2:12:50 Stunden erreicht.

Die Voraussetzungen sind dabei in diesem Frühjahr viel besser als 2016, denn Philipp Pflieger blieb von Verletzungen verschont und konnte gut trainieren. Das könnte sich schon am 2. April zeigen, wenn er beim Berliner Halbmarathon an den Start geht. Über diese Distanz hat der 29-Jährige bisher eine Bestzeit von 63:51. Das Rennen in Berlin ist ein wichtiger Test für den Haspa Hamburg-Marathon am 23. April.

Zunächst in einem Trainingslager in Südafrika und jetzt im heimatlichen Regensburg bereitet sich Philipp Pflieger auf die Rennen in Berlin und Hamburg vor. Das südafrikanische Potchefstrom hat zwar mit 1.400 Metern eine eher nur leichte Höhenlage für Ausdauerathleten, doch für Philipp Pflieger war es ein erfolgreiches Trainingslager: „Ich bin konstant über 200 Kilometer pro Woche gelaufen. Das war mehr Umfang als 2015 vor dem BMW Berlin-Marathon. Damals kam ich auf rund 180 Kilometer wöchentlich. Zudem hatte ich in Südafrika lange Läufe von bis zu 45 Kilometer im Programm.“

„Nach Olympia bietet mir das Jahr 2017 die Möglichkeit, mal etwas auszuprobieren. Ich sehe das als eine Art Übergangsjahr“, sagt Philipp Pflieger, der frühzeitig erklärt hatte, dass die Weltmeisterschaften in London im August nicht zu seinem Programm gehören. Stattdessen plant er mit einem schnellen Herbst-Marathon, bei dem er mit mehr Risiko ins Rennen gehen könnte. „Ich möchte dann mal die Komfortzone verlassen. Das heißt, ich würde schneller beginnen als mit einem Tempo, das auf etwa 2:12:30 Stunden hinausläuft.“ Dabei denkt Philipp Pflieger auch schon an die Europameisterschaften 2018 in Berlin. „Vielleicht kann ich im Herbst schon die Norm erfüllen. Denn dann bräuchte ich vor der EM nicht mehr unbedingt einen Frühjahrsmarathon zu laufen.“

Julian Flügel

Bestzeit: 2:13:57 (2015)
Alter: 30
Verein: ART Düsseldorf

Julian Flügel schaffte im vergangenen Jahr die Marathon-Olympia-Teilnahme, obwohl er rund 30 Stunden in der Woche als Revisor berufstätig ist. Nach einer schwierigen Vorbereitung auf die Spiele kam er in Rio schließlich auf Rang 71 ins Ziel. Für einen Halbprofi wie Julian Flügel war es ein außerordentlicher Erfolg, überhaupt die Qualifikation geschafft zu haben. Erst gut zwei Jahre vor den Spielen war Julian Flügel sein Marathon-Debüt gelaufen. 2014 und 2015 überzeugte er dabei mit konstanten Zeiten im Bereich von 2:14 und 2:15 Stunden. In Berlin lief er im September 2015 seine nach wie vor aktuelle Bestzeit von 2:13:57 Stunden.

Sein erstes Marathonrennen nach Olympia wird er am 30. April in Düsseldorf laufen. „Es geht mir gut bei der Vorbereitung auf dieses Rennen. Die Idealvorstellung wäre, dass ich beim Metro Group Marathon Düsseldorf zumindest in die Nähe meiner Bestzeit komme“, sagt Julian Flügel, für den eine mögliche Qualifikation für den WM-Marathon in London im August aber kein Thema ist. Stattdessen möchte er versuchen, bei einem City-Marathon im Herbst seine Bestzeit zu steigern und sich damit für die EM 2018 zu qualifizieren.

Kritisch sieht nicht nur Julian Flügel die nach Olympia durch den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) wieder verschärften Normen für den Marathonbereich: „Man hatte ja als Olympia-Teilnehmer keinen Herbstmarathon, und so bliebe nur eine Qualifikationschance jetzt im Frühjahr. Bei verschärfter Norm und traditionell etwas langsameren Frühjahrs-Marathonrennen in Deutschland habe ich eigentlich keine Chance“, sagt Julian Flügel, der auch im Hinblick auf die EM in Berlin 2018 genauso argumentiert wie eine Reihe von anderen Topläufern. „Die EM ist auf jeden Fall ein Thema und mein nächstes großes Ziel. In Berlin wäre es mein Ziel, eine gute Platzierung zu erreichen. Die EM ist auch noch ein Grund, warum die WM nicht interessant ist. Denn würde ich in London laufen, hätte ich wieder keinen Herbstmarathon, um die EM-Norm zu erfüllen.“ In der Tat bliebe für WM-Starter in der Regel nur ein einziger Qualifikationsversuch für die EM übrig.

Hendrik Pfeiffer

Bestzeit: 2:13:11 (2016)
Alter: 23
Verein: TV Wattenscheid

Hendrik Pfeiffer sorgte im vergangenen Jahr für die große Überraschung im deutschen Männer-Marathon. Sensationell qualifizierte er sich bei seinem Debüt über die 42,195 km beim Metro Group Marathon Düsseldorf mit einer Zeit von 2:13:11 Stunden für die Olympischen Spiele - und das bei ungünstigen Wetterverhältnissen. Doch nach „Wolke 7“ am Rhein folgte ein niederschmetternder Absturz: Eine Verletzung im Bereich der Achillessehne stoppte Hendrik Pfeiffer. Anstatt nach Rio zu fliegen, musste er für eine Operation planen - und die barg ein hohes Risiko.

„Die Situation war karrierebedrohend. Immer wieder wurde mir gesagt, dass ich vielleicht mehrere Jahre aussetzen müsste“, erzählt Hendrik Pfeiffer. Hinzu kam, dass sich die Krankenkasse quer stellte. „Die Krankenkasse hätte die Operation eventuell zumindest teilweise übernommen, aber nur bei einem x-beliebigen, zufällig mir zugeteilten Vertragsarzt. Ich hätte mein Schicksal also blind jemandem anvertrauen müssen, der mit dieser komplizierten Operation vielleicht gar keine Erfahrung hat.“

Eine teure Operation auf eigene Kosten hätte Hendrik Pfeiffer wohl nicht finanzieren können. Doch es kam Hilfe: „Der erfahrene und im Bereich der Achillessehne sehr renommierte Professor Dr. Hajo Thermann von der Atos Klinik Heidelberg hat es mir dann ermöglicht, bei ihm die Operation durchzuführen. Er hat nicht nur großartige Arbeit geleistet hat, sondern auch noch die für mich finanziell kaum zu stemmende Operation ermöglicht. Deshalb möchte ich einen großen Dank an Dr. Thermann aussprechen“, sagt Hendrik Pfeiffer. „Sehr wichtig war dann auch,  dass ich bei meinem Freund Johannes Eisinger direkt im Anschluss die Reha intensiv einleiten konnte. Eisinger leitet das RehaMed in Herxheim. Die gute Reha hat ebenfalls einen großen Anteil daran, dass ich nach der Operation nur fünf Monate außer Gefecht war.“

Seit Ende Februar ist Hendrik Pfeiffer in Flagstaff (USA), wo er vier Wochen lang in der Höhe trainiert. Zuvor war er bereits in Apeldoorn über 10 Meilen gestartet. „In erster Linie wollte ich testen, ob ich noch in der Lage bin, die recht engen Wettkampfschuhe zu tragen.  Das Rennen lief schon überraschend gut. Mit einer auf den Halbmarathon hochgerechneten Zeit von etwa 65:30 Minuten und Platz drei über die 16,1 km war ich super zufrieden. Insgesamt verlief die Entwicklung der letzten Monate hervorragend. Ich bin erfreulicherweise komplett schmerzfrei und nach vorsichtigem Aufbau nun schon bei Wochenumfängen von über 150 Kilometern angekommen.“

Am 9. April will Hendrik Pfeiffer bei den Deutschen Halbmarathon-Meisterschaften in Hannover starten. „Ich hoffe, dass ich dort unter 65 Minuten laufen kann.“ Anschließend stehen zunächst einige Bahnrennen auf dem Programm, um Schnelligkeit zu gewinnen. Danach wird sich Hendrik Pfeiffer gezielt auf den Köln-Marathon am 1. Oktober vorbereiten. „Dort möchte ich mich für die EM in Berlin qualifizieren, die für uns Läufer einen sehr hohen Stellenwert hat. Im eigenen Land ist eine EM immer etwas ganz Besonderes“, sagt Hendrik Pfeiffer. „Mir liegt die Strecke, und ich mag die Atmosphäre in Köln. Schließlich bin ich 2015 dort schon den deutschen Halbmarathon-Rekord der unter 23-Jährigen gelaufen.“

Steffen Uliczka

Bestzeit: 2:15:02 (2016)
Alter: 32
Verein: SG TSV Kronshagen-Kieler TB

Steffen Uliczka gelang beim BMW Berlin-Marathon im vergangenen Jahr ein großer Schritt nach vorne. Der frühere 3.000-m-Hindernisläufer etablierte sich in der deutschen Marathon-Spitze mit einer deutlichen Steigerung auf 2:15:02 Stunden. Zuvor hatte er Pech: Im Frühjahr 2016 stoppte ihn ein Ermüdungsbruch der Beckenpfanne, sodass er keine Chance mehr hatte für einen Olympia-Qualifikationsversuch über die Marathondistanz. In Berlin zeigte er dann im September, dass mit ihm über die klassische Distanz in der Zukunft zu rechnen ist.

Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat Steffen Uliczka nach jahrelanger Konzentration auf den Spitzensport jedoch zunächst andere Prioritäten gesetzt. „Mein Fokus liegt zurzeit nicht in erster Linie auf dem Laufsport. Meine Familie und die Arbeit stehen im Vordergrund. Dennoch trainiere ich natürlich regelmäßig mit dem Ziel, fit und gesund zu bleiben und Spaß am Laufen zu haben“, erzählt Steffen Uliczka, dessen kleiner Sohn im vergangenen Jahr kurz vor dem Rennen in Berlin geboren wurde. Als Steuerberater mit Schwerpunkt Landwirtschaft ist Steffen Uliczka zurzeit in Kiel mit einer 35-Stunden-Woche beschäftigt. Sein Agrarwissenschaft-Studium ist zudem in den letzten Zügen.

Am 2. April wird er mit entsprechend angepassten Zielen beim Berliner Halbmarathon an den Start gehen. „Ich werde vernünftig vorbereitet sein und mit Spaß in das Rennen gehen. Ich denke, Zeiten im Bereich von 64 oder 65 Minuten sollten möglich sein. Aber das ist natürlich nicht mein eigentliches Potenzial.“ Fest steht, dass Steffen Uliczka die Schwerpunkte im Sommer wieder verschieben wird. Das Laufen wird dann wieder in den Mittelpunkt rücken. „Ich werde drei Monate frei haben, so dass ich dann einen Herbst-Marathon vorbereiten kann.“ Berlin oder Frankfurt, wo wieder die Deutschen Meisterschaften integriert sein werden, sind die naheliegenden Optionen für Steffen Uliczka.