„Die besten Jahre liegen noch vor mir“

Marathon-Läufer Hendrik Pfeiffer
„Die besten Jahre liegen noch vor mir“

| von Redaktion laufen.de | Fotos: Norbert Wilhelmi

Nach der Olympia-Teilnahme im vergangenen Jahr ist nun eine Team-Medaille bei der EM in München sein Ziel.

Marathon-Läufer Hendrik Pfeiffer steht am 15. August mit der deutschen Mannschaft bei den Europameisterschaften in der bayrischen Metropole an der Startlinie. Gemeinsam mit seinem Vereinskollegen Amanal Petros (beide TV Wattenscheid), Richard Ringer (LC Rehlingen), Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg), Konstantin Wedel (LG Telis Finanz Regensburg) und Johannes Motschmann (SCC Berlin) greift Pfeiffer nach einer Team-Medaille. „Die Chancen sind so groß, wie lange nicht mehr.“

Der 29-Jährige, der in den vergangenen Jahren so viele sportliche Großereignisse verletzungsbedingt verpasst hatte, gab der Europameisterschaft im eigenen Land den Vorzug vor der WM, die bereits im Juli in Eugene/USA stattfindet. Die Entscheidung fiel ihm leicht. „Ich habe mich bewusst gegen die WM entschieden, weil die Europameisterschaft vor heimischem Publikum einen größeren Anreiz für mich hat. Es war mir relativ schnell klar, dass ich den Heimvorteil nutzen möchte“. Außerdem sieht er die Chance auf eine Medaille so groß wie lange nicht mehr. Bis auf Tom Gröschel, der bei der WM antreten wird, haben sich alle Marathonläufer, die beide Normen unterboten hatten, für die EM in München entschieden.

Aktuell befindet sich Hendrik Pfeiffer im ersten Drittel seiner Vorbereitungsphase. Ende Juni geht es für ihn nach Kenia ins Trainingslager. Bereits Anfang des Jahres war er drei Monate vor Ort, um sich auf den Hannover-Marathon vorzubereiten. Mit Erfolg. Pfeiffer gewann das Rennen und damit auch den Titel des Deutschen Meisters und qualifizierte sich damit für EM und WM.

Training in der Höhenluft von Kenia

Der 29 Jahre alte Pfeiffer fühlt sich in Kenia wohl. Dort kann er sich ganz aufs Training konzentrieren. Keine Ablenkung. Starke Trainingspartner. Und natürlich das Training in der sauerstoffarmen Höhenluft, um mehr rote Blutkörperchen zu bilden. „Die Höhenlage in Iten mit rund 2400 Metern über dem Meeresspiegel sind für mich der beste Ort, um den Höheneffekt mitzunehmen“, sagt Pfeiffer. Wie auch in Deutschland trainiert der Marathon-Profi dort zwei Mal am Tag - ein Lauf vormittags und einer am Nachmittag. Zu seinem Training gehören aber auch das Stretching, die Massage und die Physiotherapie.

 

Vom talentierten Fußballer zum Marathon-Profi

Angefangen mit dem Laufen hat Hendrik Pfeiffer im Alter von knapp 14 Jahren. Dass er einmal Profisportler werden würde, hat er nicht geahnt. „Der Fußball war meine ursprüngliche Motivation, mit dem Laufen anzufangen. Ich wollte mich verbessern, war etwas zu pummelig“, erzählt Pfeiffer. „Ich war zwar technisch ganz gut, konditionell aber nicht.“ Mit der Zeit entwickelte sich seine Leidenschaft für die Leichtathletik immer mehr. Ein paar Monate betrieb er beide Sportarten parallel, dann hörte er mit dem Fußball ganz auf. Mit 17 Jahren nahm Pfeiffer erstmals an deutschen U18-Meisterschaften teil. „Da habe ich zum ersten Mal begriffen, dass ich Talent fürs Laufen hatte.“ Er wollte mehr.

Auf der Bahn rannte er Strecken zwischen 1500 und 5000 Metern. Mehr Spaß machten ihm Rennen auf der Straße. Über den Halbmarathon fand er den Weg zur Königsdistanz – der 42,195 Kilometer langen Marathonstrecke.

Bereits 2016 qualifizierte sich Hendrik Pfeiffer für die Olympische Spiele in Rio, musste diese aufgrund einer Verletzung aber absagen. 2017 gewann er den Köln-Marathon. Mit seinem Sieg  unterbot er die Qualifikationsnorm für die EM 2018 und qualifizierte sich. Doch auch bei der EM war er nur Zuschauer. Eine langwierige Fußverletzung verhinderte seinen Start.

Olympia in Tokio fühlte sich „wie im Gefängnis“ an

2020 gelang es ihm dann ein zweites Mal, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Diesmal machte die Corona-Pandemie ihm ein Strich durch die Rechnung. Die Spiele in Tokio wurden um ein Jahr auf 2021 verschoben. Pfeiffer nutzte die Gelegenheit, seine Bestzeit auf der schnellen Strecke in Sevilla/Spanien auf ein neues Level zu heben. Beim Sevilla-Marathon rannte er 2:10:18 Stunden.

2021 wurde der Olympia-Traum von Hendrik Pfeiffer endlich wahr. Vier Mal konnte er bei einem Großereignis verletzungsbedingt nicht starten – nun war er endlich dabei. Die Japan-Reise hatte er sich allerdings anders vorgestellt. „Es war eine große Enttäuschung für mich, weil Corona über allem stand. Die Japaner haben es übertrieben“, erzählte er. Pfeiffer: „Es war wie im Gefängnis“.

Die Athleten waren in ihrem Hotel eingesperrt, durften nur einen kleinen Teil des Parkplatzes nutzen, um frische Luft zu schnappen, Und wenn sie den Dauerlauf trainieren wollten, musste dieser angemeldet werden. Das Team wurde dann von zwei städtischen Elektrofahrzeugen begleitet und nur dazwischen durften sich die Läufer bewegen. Nicht einmal an der Abschlussfeier durfte das deutsche Team teilnehmen.

An das Rennen allerdings denkt Pfeiffer positiv zurück – auch wenn die Temperatur viel zu hoch war, um Marathon zu laufen. Um die 30 Grad waren es an diesem Tag. Fast ein Drittel der knapp 100 Teilnehmer kollabierte. „Es hatte aus meiner Sicht nichts mit Laufen zu tun, sondern es ging darum, wie ich am besten zur nächsten Verpflegungsstation komme, um ein Eispack zu erhalten.“

„In München scheint unsere Gesundheit egal zu sein“

Auf das gleiche Problem steuern die Marathon-Läufer in München auch wieder zu. Das Rennen der Mannschaft findet am 15. August um 11:30 Uhr statt. In dieser Jahreszeit ist es sehr wahrscheinlich, dass es viel zu heiß sein wird und keine marathonwürdigen Bedingungen herrschen. „Hitze ist gesundheitsgefährdend für Marathonläufer – aber es sind anscheinend andere Dinge wichtiger als unsere Gesundheit.“ Die Läufer haben deshalb eine Petition für München ins Leben gerufen und hoffen, dass beim Veranstalter vielleicht noch ein Umdenken stattfindet.

„Die besten Jahre liegen noch vor mir“

An seinem großen Ziel hält er fest. Er möchte im Team eine Medaille bei der EM gewinnen. Aber der Druck sei weg. „Ich war in Tokio dabei, damit habe ich mir einen Traum erfüllt“, so Pfeiffer. Bei Olympia 2024 in Paris wäre er gerne wieder dabei. „Ich werde es versuchen, aber es ist nicht mehr so, dass eine Welt zusammenbricht, wenn es nicht klappt.“

Vielmehr freut er sich, als Läufer tolle Orte zu erleben. Der Journalismus-Student möchte im kommenden Jahr in den USA Marathon laufen. „Boston und New York reizen mich. Da geht es weniger um schnelle Zeiten. Ich möchte dort auf Platzierung laufen.

Er ist sich sicher: seine besten Jahre als Marathonläufer liegen noch vor ihm. „Mit Anfang 30 habe ich noch ein paar gute Jahre vor mir“, sagt Pfeiffer, „ich würde gerne unter 2:10 Stunden laufen – das haben nicht so viele deutsche Läufer geschafft. Vor allem aber möchte Hendrik Pfeifer eines: gesund bleiben.

Wenn er verletzungsfrei bleibt, klappt es auch mit schnellen Zeiten. Und vielleicht sogar mit einer EM-Medaille in München.