© imago images/von der Laage

Leichtathletik-EM
Wohl doch keine Hitzeschlacht: Die deutschen Medaillen-Chancen im Marathon

| von Jörg Wenig und Christian Ermert

Mit den Marathonwettbewerben in der Münchner Innenstadt beginnen am Montag die Leichtathletik-Europameisterschaften. Und das deutsche Team um Amanal Petros hat gute Medaillenchancen.

Am Montag beginnen die siebentägigen Leichtathletik-Europameisterschaften in München. 50 Jahre nach den Olympischen Spielen und 20 Jahre nach den letzten Europameisterschaften in München wartet mit den European Championships ein Sportspektakel der besonderen Art, denn nicht nur die Leichtathletinnen und Leichtathleten kämpfen um EM-Titel, sondern acht weitere Sommersportarten stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Hier liest du, was am Montag beim Laufen auf dem Programm steht.

Mit sehr starken Teams sind die deutschen Läufer bei den Marathon-Wettbewerben vertreten, die am Montag (15. August) um 10.30 Uhr (Frauen) beziehungsweise 11.30 Uhr (Männer) in der Innenstadt stattfinden. Start und Ziel befinden sich am Odeonsplatz, gelaufen wird auf einem 10-km-Rundkurs. Der deutsche Rekordhalter Amanal Petros (2:06:27) führt das nationale Männer-Team an und ist damit der zweitschnellste Läufer auf der Startliste. Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt) rangiert mit ihrer Bestzeit von 2:25:59 auf Platz sechs der Meldeliste. Beide deutsche Teams haben in der Marathon-Europa-Cup-Wertung, die in das Rennen integriert ist, sehr gute Medaillenchancen. Übertragen wird der Marathon vom ZDF im Rahmen seiner Berichterstattung von den European Championships am Montag ab 9:50 Uhr. Den Livestream von der Vormittagssession der Leichtathletik inklusive Marathon gibt’s in der ZDF-Mediathek oder unter zdf.de.

Überschattet wurde dieser EM-Marathon seit Monaten von einer Diskussion um die für ein Sommerrennen ungewöhnlichen Startzeiten. Um 10:30 Uhr beginnt das Rennen der Frauen, eine Stunde später starten die Männer - damit drohte im Hochsommer ein Hitzerennen. Allerdings sieht es aktuell so aus, als hätten die Organisatoren, aber vor allem die Läuferinnen und Läufer in diesem Hitzesommer großes Glück mit dem Wetter: Für die Zeit der Rennen von 10:30 bis 14:00 sind aktuell Temperaturen von unter 25 Grad und Gewitterschauer prognostiziert.

Das ist immer noch sehr warm für einen Marathon und bevorteilt alle, die gut mit Hitze klarkommen, ist aber nicht mehr gesundheitsgefährdend für toptrainierte Athletinnen und Athleten. Dementsprechend teilte der Europäische Leichtathletik-Verband European Athletics am Freitagabend mit, dass die Marathon-Startzeiten wie vorgesehen (Frauen 10:30 Uhr | Männer 11:30 Uhr) bestehen bleiben.

Die deutschen Marathonläufer hatten seit Monaten vergeblich gegen die nicht nachvollziehbaren Startzeiten protestiert und zuletzt auch international Unterstützung erhalten. Hintergrund - das sagt niemand offiziell aber fast jeder inoffiziell - sind offenbar die TV-Zeiten, die sicherlich vormittags beziehungsweise mittags höhere Einschaltquoten erwarten lassen als am frühen Morgen. Die Gesundheit der Athleten ist dabei offensichtlich zweitrangig, auch wenn man jetzt voraussichtlich einfach Glück haben wird, denn nach dem Temperatursturz von Montag sind für die beiden folgenden EM-Tage noch einmal Temperaturen von 30 Grad und mehr für München angekündigt. Mehr Informationen zur EM, den Zeitplan und detaillierte Porträts von allen deutschen Starterinnen und Startern findest du in der Teambroschüre, die der DLV als digitales Magazin kostenlos zur Verfügung stellt.

Dem schnellsten deutschen Marathonläufer kommt die Wetterprognose für Montag aber sehr entgegen. „Ich habe in Kenia sehr gut trainieren können“, sagte Amanal Petros am Freitagmorgen kurz vor seiner Abreise aus dem Höhentrainingslager in Kenia. „Hier in Kenia ist es kühl und es hat auch geregnet.“ Er hofft auf Regen und reduzierte Temperaturen, wie sie vorhergesagt werden.

Zuletzt äußerte sich Amanal Petros auch offensiv zu seinen Zielen: Er will um eine Medaille kämpfen. Nur ein Läufer auf der Startliste hat eine marginal schnellere Bestzeit als der deutsche Rekordhalter: Der Spanier Ayad Lamdassem erreichte bisher 2:06:25, der Läufer des TV Wattenscheid steigerte sich im vergangenen Dezember in Valencia auf 2:06:27. Insgesamt sind fünf Läufer im Rennen, die bereits unter 2:07 gelaufen sind. „Ich fühle mich fit. Natürlich gehe ich an die Startlinie, um gewinnen zu wollen“, sagte der 27 Jahre alte Wattenscheider im Interview von Münchner Merkur und der tz.

Auch im Team haben die deutschen Marathon-Asse Medaillenchancen

Richard Ringer (LC Rehlingen), der mit einer persönlichen Bestzeit von 2:08:49 ins Rennen geht, war vor einem Jahr bei einem Hitzerennen bei den Olympischen Spielen in Sapporo (Japan) der beste deutsche Läufer. Er belegte damals Rang 26. Empört reagierte er, als er im Winter von den EM-Startzeiten erfuhr: „Hier wird nicht an die Gesundheit der Athleten gedacht“, sagte Richard Ringer.

Mit Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid/Bestzeit: 2:10:18) und Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg/2:10:48) sind zwei weitere Athleten im Rennen, die bereits unter 2:11 gelaufen sind. Damit ist das deutsche Team, zu dem auch Johannes Motschmann (SCC Berlin/2:12:18) und Konstantin Wedel (LG Telis Finanz Regensburg/2:13:02) gehören, gut aufgestellt. Die besten drei Athleten werden für die Mannschaft gewertet. Angesichts der hohen Temperaturen müssen aber wohl eher die Spanier als Favoriten angesehen werden.

Insgesamt ist der EM-Marathon gut besetzt, auch wenn einige Stars fehlen. Dabei macht sich auf den Startlisten auch die Laufschuh-Entwicklung der letzten Jahre und die daraus resultierenden deutlich schnelleren Zeiten bemerkbar. 14 Männer gehen mit Bestzeiten von unter 2:09 Stunden ins Rennen. Darunter ist auch der belgische Titelverteidiger Koen Naert, der vor vier Jahren in Berlin bei ebenfalls hohen Temperaturen triumphierte.

© Norbert Wilhelmi

Katharina Steinruck führt Frauenteam mit Titel-Ambitionen an

Bei den Frauen ist es wie bei den Männern: Obwohl auch hier einige europäische Topläuferinnen fehlen, ist die Breite in der Spitze stark. 19 Läuferinnen weisen persönliche Rekorde von unter 2:28 Stunden auf. Hollands Shooting-Star Nienke Brinkmann führt mit einer Bestzeit von 2:22:51 Stunden die Startliste an. Sie ist als Favoritin anzusehen. Hinter ihr stehen, gemessen nach Bestzeiten, die routinierten Fionnuala McCormack (Irland/2:23:58) und Sara Moreira (Portugal/2:24:49). Gespannt sein darf man auf Fabienne Schlumpf (2:26:14). Die Schweizerin hielt sich vor einem Jahr bei den Olympischen Spielen als Zwölfte hervorragend. Allerdings warf sie im Winter eine Herzmuskelentzündung zurück, so dass sie nach einer längeren Pause nur eine kurze Vorbereitungszeit hatte.

Die sechstschnellste Läuferin auf der Meldeliste ist Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt), die sich im vergangenen Jahr auf 2:25:59 steigerte. Sie hat sich sehr langfristig auf den EM-Marathon vorbereitet und ist daher in diesem Jahr auch kein Rennen über die 42,195 km gelaufen. Katharina Steinruck ist allerdings keine Hitzeläuferin, auch wenn sie zuletzt etwas besser mit hohen Temperaturen zurecht kam als noch vor einigen Jahren. Bei den Marathon-Newcomerinnen Miriam Dattke und Domenika Mayer (beide LG Telis Finanz Regensburg), die in diesem Jahr jeweils mit 2:26:50 Stunden überraschten, muss man abwarten, wie sie mit der Hitze klarkommen.

Gute Marathon-Hitzetauglichkeit bewies dagegen Deborah Schöneborn (Bestzeit: 2:26:55), die vor einem Jahr bei Olympia einen hervorragenden 18. Platz erreichte. Ihre Zwillingsschwester Rabea Schöneborn (beide SCC Berlin/2:27:03) bewegt sich in der Regel in einem sehr ähnlichen Leistungsniveau. Beide konnten in diesem Jahr bisher allerdings nicht ganz an die Leistungen aus 2021 anknüpfen. Kristina Hendel (LG Braunschweig/2:27:29) lief ihre Bestzeit in diesem Frühjahr in Hamburg, wo sie in einem guten Feld einen beachtlichen fünften Rang erreichte.

Das deutsche Frauen-Team ist so ausgeglichen besetzt, dass am Montag sogar der Europa-Cup-Sieg möglich ist. Traditionell starke Nationen sind bei dieser EM nicht so gut besetzt wie in der Vergangenheit, was die Chancen für die deutschen Läuferinnen erhöht. So hat zum Beispiel Italien lediglich zwei Athletinnen am Start, so dass die Italienerinnen von vornherein nicht in die Cup-Wertung kommen können.

© imago images/von der Laage

10.000 Meter: Konstanze Klosterhalfen kann um eine Medaille laufen

Am Montagabend steht dann im Olympiastadion gleich das nächste Lauf-Highlight auf dem Programm: Über 10.000 Meter gehen mit Konstanze Klosterhalfen und Alina Reh zwei der besten deutschen Läuferinnen der vergangenen Jahre an den Start. Beide sind nach gesundheitlichen Rückschlägen allerdings nicht in der Rolle der Favoritinnen auf Gold. Mit Lonah Salpeter geht die Titelverteidigerin an den Start. Die Läuferin aus Israel, die in Kenia aufwuchs, ist allerdings erst vor einem Monat den Marathon bei den Weltmeisterschaften in Eugene (USA) gelaufen, wo sie die Bronzemedaille gewann.

Die schnellste Saisonbestzeit von den Athletinnen auf der Startliste weist Eilish McColgan (Großbritannien) mit 30:19,02 Minuten auf. Sie hat aber, ebenso wie ihre Landsfrau Jessica Judd, in den letzten Wochen auch schon ein erhebliches Programm absolviert. Nach dem WM-Doppelstart gewann McColgan die 10.000 m bei den Commonwealth Games und wurde Zweite über 5.000 m. Zudem könnten Karoline Grovdal (Norwegen), Yasemin Can (Türkei) und Konstanze Klosterhalfen, die in diesem Jahr aber noch kein 10.000-m-Rennen gelaufen ist, um die Medaillen laufen. Alina Reh, EM-Dritte von Berlin 2018, ist ebenfalls in diesem Finale und wird sicherlich versuchen, vorne mitzulaufen.

Das 10.000-Meter-Rennen ist für 21:48 Uhr im Olympiastadion angesetzt und wird vom ZDF im Rahmen seiner Berichterstattung von den European Championships am Montagabend übertragen. Den Livestream davon gibt’s in der ZDF-Mediathek oder unter zdf.de.