Eliud Kipchoge im Interview: „Mein härtester Marathon"

| Interview: Christian Ermert | Fotos: Nike/Max Menning
Hier spricht Eliud Kipchoge über den Berlin-Marathon 2017 und über Breaking2 in Monza. Und du kannst dir einen beeindruckenden Dokumentarfilm anschauen.

Eliud Kipchoge aus Kenia ist der stärkste Marathonläufer der Gegenwart. Auch wenn den Weltrekord mit Dennis Kimetto (2:02:57 h) ein anderer Kenianer hält. Beim BMW Berlin-Marathon räumte der 32 Jahre alte Kipchoge die letzten Zweifel daran aus. Er hat mit einer Jahresweltbestzeit und einem „Regen-Weltrekord“ von 2:03:32 Stunden gewonnen. Nie zuvor lief ein Marathonläufer bei derart schwierigen Bedingungen schneller. Bereits im Mai hatte er innerhalb des von Nike initiierten und finanzierten Projektes „Breaking2“ auf dem Formel-1-Rennkurs von Monza in 2:00:25 Stunden die schnellste Marathonzeit überhaupt erzielt. Der wechselnde Einsatz von immer wieder frischen Tempomachern verhindert die Anerkennung dieser Zeit als offizieller Weltrekord. Hier spricht der Olympiasieger im Interview über sein Marathon-Jahr 2017 und über seine Zukunftspläne. Und du kannst dir jetzt auf laufen.de einen beeindruckenden Dokumentar-Film des Breaking2-Projekts in voller Länge anschauen, der vom US-Fernsehsender National Geographic aufwändig produziert wurde.

Ein zufriedener Eliud Kipchoge feiert mit seinen Fans

Eliud Kipchoge, du bist nach Berlin gekommen, um Weltrekord zu laufen. Jetzt reist du immerhin als Regen-Weltrekordler nach Hause. Wie zufrieden bis du mit deinem Ergebnis?
Eliud Kipchoge: Ich bin sehr zufrieden. In Indien gibt es eine Weisheit, dass der Weg zum Glück darüber führt, jeden Ausgang eines Ereignisses zu akzeptieren. Und das gilt ganz besonders für den Sport. Du musst jedes Ergebnis akzeptieren. Und deshalb bin ich sehr zufrieden.

War dieser Marathon härter als die anderen acht, die du zuvor gelaufen bist?
Eliud Kipchoge: Ja, solche Bedingungen habe ich beim Marathon noch nie erlebt. Das kalte Wasser kam nicht nur von oben, sondern ist auch von der Straße gegen die Beine gespritzt. Die Muskeln kühlen aus, arbeiten nicht mehr perfekt. Das war richtig hart.

Was macht für dich den Berlin-Marathon so speziell?
Eliud Kipchoge: Der schnelle Kurs und die Zuschauer, die sogar bei diesem Regenwetter für eine tolle Stimmung an der Strecke gesorgt haben.

Hier in voller Länge: Die National Geographic-Dokumentation über das Projekt Breaking2

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Das nächste große Ziel ist der Weltrekord: „Ich kann unter 2:02 Stunden laufen“

In Monza bist du Anfang Mai innerhalb des Projektes "Breaking2" in einem nicht weltrekordtauglichen Rennen bei optimalen Bedingungen und geführt von wechselnden Tempomachern den Marathon in 2:00:25 Stunden gelaufen. In Berlin bist du bei widrigem Wetter nur 35 Sekunden über dem Weltrekord geblieben. Welche Zeit traust du dir bei optimalen Bedingungen in einem Stadtmarathon zu?
Eliud Kipchoge: Eine hohe 2:01er-Zeit traue ich mir zu, wenn ich in der Form von Monza und Berlin bin.

Was hast du gedacht, als du am Morgen vor dem Berlin-Marathon aufgewacht bis und aus dem Fenster geschaut hast?
Eliud Kipchoge: Ich habe noch mal an die letzte Wettervorhersage vom Abend zuvor gedacht. Da hieß es ja noch, dass es am Sonntagmorgen aufhören würde zu regnen. Und dann sah ich, dass die Straßen nass waren und es immer noch nieselte. Aber in diesem Moment habe ich nur an die vier Monate der Vorbereitung auf dieses Rennen gedacht und daran, dass heute der Tag ist, an dem ich angreife. Das Wetter kann man ja nicht kontrollieren.

War dir da schon klar, dass der Weltrekord unter diesen Bedingungen nicht möglich sein würde?
Eliud Kipchoge: Nein, das habe ich erst realisiert, als wir im Rennen an der Fünf-Kilometer-Marke waren.

Wie hast du das bemerkt?
Eliud Kipchoge: Ich konnte nicht mehr so aufs Tempo drücken, wie das notwendig gewesen wäre. Meine Muskulatur hat das nicht zugelassen. Von da an habe ich mich nur noch darauf konzentriert, das Rennen zu gewinnen.

Kurz vor der 40-Kilometer-Marke hatte sich der Äthiopier Guye Adola in seinem ersten Marathon leicht abgesetzt. Wie kam es dazu?
Eliud Kipchoge: Er hat angefangen zu spurten. Ich wollte das an der Stelle nicht. Das war zu früh. Mein Plan war es, die Geschwindigkeit Richtung Ziel langsam zu erhöhen.

Warst du dir zu diesem Zeitpunkt sicher, ihn wieder einzuholen?
Eliud Kipchoge: Ja.

Und dann hast du, deinen Plan umgesetzt, kurz nach der 40-Kilometer-Marke selbst zu attackieren und zu gewinnen.
Eliud Kipchoge: Genau.

Der Weltrekord ist jetzt wichtiger als der erste Marathon unter zwei Stunden

Jetzt hast du ein großartiges Jahr 2017 hinter dir, aber deine Ziele „Marathon unter zwei Stunden“ und „Marathon-Weltrekord“ hast du beide verpasst. Was ist dein wichtigstes Ziel für die Zukunft?
Eliud Kipchoge: Der Marathon-Weltrekord. Das ist wichtiger. Dann bin ich wirklich der schnellste Marathonläufer überhaupt. Das ist mein Ziel für 2018.

Und falls das klappt – ist dann die lange Karriere des Eliud Kipchoge vorbei, die ja schon 2003 mit dem WM-Sieg in Paris über 5000 Meter so richtig in Fahrt kam.
Eliud Kipchoge: Nein. Ich liebe das Laufen. Und ich will weiter laufen, um andere Menschen zum langen Laufen zu inspirieren.

Wird Guye Adola nach seinem Marathon-Debüt mit sensationellen 2:03:46 Stunden in den nächsten Jahren dein härtester Konkurrent sein?
Eliud Kipchoge: Das hoffe ich. Er ist ein sehr guter Athlet, sowohl körperlich als auch mental.

Hast du erwartet, dass er den Berlin-Marathon in seinem ersten Rennen über 42,195 Kilometer so schnell laufen kann?
Eliud Kipchoge: Das war wirklich eine große Überraschung. Ich hatte ja vor allem mit Wilson Kipsang und Kenenisa Bekele gerechnet, und plötzlich waren Guye Adola und ich allein im Kampf um den Sieg.

Wie erholst du dich jetzt? Du hast zwei sehr harte Marathonrennen mit der entsprechenden Vorbereitung in nur knapp fünf Monaten absolviert …
Eliud Kipchoge: … ich werde jetzt erstmal ein paar Massagen und Eisbäder genießen und dann einen Monat lang Pause machen. Dann laufe ich keinen Schritt, denke auch gar nicht daran und konzentriere mich ganz auf das Leben mit meiner Familie. Und dann überlege ich, wo und wann ich den nächsten Marathon laufe.