Neuer Weltrekordschuh
Ermöglicht der Alphafly 3 von Nike den ersten regulären Marathon unter zwei Stunden?

| von Christian Ermert

Obwohl er erst im Januar 2024 erhältlich sein wird, hat der Alphafly 3 schon bewiesen, dass er der beste Marathonschuh ist, den Nike je gebaut hat. Wir haben den Weltrekordschuh getestet.

Es ist der leichteste, komfortabelste und wahrscheinlich einfach der beste Marathonschuh, den Nike je entwickelt hat. Am 4. Januar wird die dritte Generation des Alphafly auf nike.com und bei ausgewählten Running-Spezialisten erhältlich sein. Was der Schuh kann, hat er allerdings schon längst an den Füßen der weltbesten Läuferinnen und Läufer bewiesen. Seit Ende 2022 ist der Alphafly 3 als „Laufschuh in der Entwicklung“ vom Leichtathletik-Weltverband World Athletics zugelassen und hat seitdem schon zu zahlreichen Top-Leistungen im Marathon beigetragen.

Der Kenianer Eliud Kipchoge hat Ende September seinen fünften Triumph beim BMW Berlin-Marathon im Alphafly 3 gefeiert. Sein Landsmann Kelvin Kiptum hat ihm nur zwei Wochen später mit demselben Modell in Chicago mit 2:00:35 Stunden jenen Weltrekord abgejagt, den Kipchoge ein Jahr zuvor in Berlin mit 2:01:09 Stunden aufgestellt hatte. „Vom ersten Moment an, den ich den Alphafly am Fuß hatte, wusste ich: Der ist es“, sagt Kelvin Kiptum über den neuen Schuh. In Chicago trug auch die Frauen-Siegerin den Alphafly 3: Sifan Hassan aus den Niederlanden gewann in 2:13:44 Stunden. Das wäre Weltrekord gewesen, wenn nicht zwei Wochen zuvor Tigst Assefa in Berlin mit 2:11:53 Stunden eine Fabelzeit gelaufen wäre. Und Sifan Hassan ist genauso begeistert wie Kelvin Kiptum: „Ich laufe, um Grenzen zu überwinden, um neue Dinge auszuprobieren und neue Höhen zu erreichen. Genau dabei hilft mir der neue Nike Alphafly.“

  • Fotos: imago images/USA Today/Nordphoto, Nike

Die Entwicklung des Alphafly 3 wurde dennoch nicht ausschließlich an den Bedürfnissen von Weltklasseathleten ausgerichtet. Insgesamt waren seit 2021 über 300 Läuferinnen und Läufer in die Entwicklung involviert. Die Prototypen wurden nicht nur von der Elite in den USA, Kenia, Äthiopien, Uganda, Westeuropa und Japan getestet, sondern auch von Sportlerinnen und Sportlern, die einfach das Laufen lieben und dabei ihre individuelle Leistung im Blick haben, ohne zu den allerschnellsten zu gehören. Insgesamt wurden über 32.000 Testkilometer mit dem Schuh absolviert, und das Feedback ist immer wieder in die Entwicklung eingeflossen.

So sorgen die Veränderungen gegenüber dem Vorgängermodell dafür, dass auch nicht ganz so schnelle Marathonläuferinnen und -läufer noch besser mit dem Alphafly zurechtkommen. „Für alle, die mehr Richtung Ferse aufkommen, fühlte sich das Vorgängermodell beim Abrollen etwas instabil an“, räumt Nike-Designer Bret Schoolmeester ein, „das ist jetzt nicht mehr so. Wir verwenden für den Alphafly 3 einen neuen Leisten, der dazu führt, dass der Schuh vor allem im Bereich des Mittelfußes stabiler geworden ist.“

Und in der Tat: Nach den ersten Läufen mit dem Alphfly haben unsere Testerinnen und Tester sofort notiert, dass die dritte Generation des Schuhs deutlich mehr Stabilität und Komfort bietet. Und das in vielen verschiedenen Tempobereichen zwischen 3:30 Minuten und 5:00 Minuten pro Kilometer. „Ich würde mich jetzt trauen, den Alphafly beim Marathon zu tragen“, sagt einer aus dem Testteam, „das Vorgängermodell war mir einfach ein bisschen zu instabil, grade wenn ich gegen Ende müde war und mir die Kraft fehlte, jeden Schritt sauber zu setzen.“

Stabiler, komfortabler und zugleich leichter: Die Technik des Alphafly 3

Genau das war das Ziel, das Nike mit der Weiterentwicklung des Alphafly verfolgt hat. „Wir vergleichen die Entwicklung von neuen Laufschuhen oft mit dem Kochen“, sagt Bret Schoolmeester, „manchmal verwenden wir viele neue Zutaten, manchmal verwenden wir Bekanntes nach einer neuen Rezeptur. Beim Alphafly 3 haben wir das Rezept verändert. Die größte Verbesserung gegenüber dem Vorgängermodell betrifft den Komfort und die Stabilität des Schuhs.“

Erzeugt werden diese Verbesserungen vor allem von einer durchgehenden Carbonplatte unter dem ganzen Fuß im Zusammenspiel mit einer großen Menge an Zoom X-Dämpfungsschaum und den beiden Air Zoom-Elementen unter dem Vorfuß. „Das Ergebnis ist ein komfortables und reaktives Laufgefühl, das auch auf der Marathondistanz nie verloren geht“, erklärt Bret Schoolmeester. Im Vergleich zum Vorgängermodell ist die Carbonplatte auf der Innenseite des Fußes etwas breiter geworden, was die Stabilität noch einmal erhöht.

Wer jetzt aber glaubt, durch den vermehrten Materialeinsatz für mehr Stabilität und Komfort, sei der 310 Euro teure Alphafly schwerer geworden, liegt falsch. Im Gegenteil: Mit 220 Gramm in US-Herrengröße zehn ist der Alphafly 3 noch einmal 15 Prozent leichter geworden als das Vorgängermodell. Gelungen ist das vor allem durch ein noch leichteres Obermaterial, das im Vorfußbereich aus Atomknit besteht. Das Garn sorgt für optimale Belüftung und Stabilität bei gleichzeitig extrem reduziertem Gewicht. An der Ferse kommen zum Schutz der Achillessehne Pods aus Flyknit zum Einsatz, die den Tragekomfort verbessern.

Von der neuen Stabilität des Schuhs profitiert auch die Elite, wie Bret Schoolmeester erklärt: „Auch bei den Besten verändert sich die Biomechanik des Laufens mit zunehmender Belastungsdauer im Marathon. Deren Ermüdung erzeugt zwar nur kleine Veränderungen, aber der Alphafly 3 liefert genau das Maß an Unterstützung, das dann benötigt wird.“

Bei Nike ist man davon überzeugt, den Schuh zu haben, mit dem jetzt auch ein regulärer Marathon unter zwei Stunden gelaufen werden kann – nachdem dies Eliud Kipchoge mit einem Vorgängermodell des Alphafly 3 schon 2019 in Wien unter irregulären Bedingungen mit 1:59:40,2 Stunden bereits gelungen ist. „Wir kommen immer näher“, sagt Bret Schoolmester, „am Fuß des richtigen Athleten in Top-Form, auf der richtigen Strecke und bei perfekten Bedingungen ist der reguläre Marathon unter zwei Stunden mit dem Alphafly 3 sehr gut möglich. Es ist auf jeden Fall der beste Marathonschuh ist, den Nike je gebaut hat.“ Nur ob der richtige Athlet dafür Eliud Kipchoge oder Kelvin Kiptum ist, da will er sich nicht festlegen. „Sie können es beide schaffen, oder ein ganz anderer, den wir jetzt noch gar nicht auf dem Schirm haben.“