Ganz einfache Übungen
Hocken ist das neue Dehnen

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Dr. Matthias Marquardt führt eine Praxis, die von vielen Läufern besucht wird. Was er ihnen bei Problemen rät, erzählt er in seiner LÄUFT.-Sprechstunde. Diesmal, warum das von vielen gehasste Dehnen eigentlich ganz einfach ist.

Dr. Matthias Marquardt ist Internist, Sportarzt und Check-up-Mediziner. Seine Praxis in Langenhagen bei Hannover wird von vielen Läufern besucht. "Wenn die Leute zu mir in die Praxis kommen, haben sie oft Probleme, die man hätte vermeiden können", sagt Marquardt. Zum Beispiel mit regelmäßigen Dehnungsübungen und Funktionsgymnastik. Warum das so einfach und sinnvoll ist, erklärt er in seinem Gastbeitrag auf laufen.de.

Eine Sache meiden Läufer ungefähr so wie der Teufel das Weihwasser: Beweglichkeitsübungen. Wäsche zusammenlegen, Steuererklärung, Müll runterbringen, Zahnarzt, Schwiegermutter besuchen – alles das würden Läufer lieber tun, als Ihre Muskeln geschmeidig zu halten.

Okay, okay. Ich erkenne Besserungstendenzen. Vor 10 bis 15 Jahren wurde ich auf Laufseminaren oder in der Sprechstunde noch müde belächelt, wenn ich auf Dinge wie Athletik, Beweglichkeit und Stabilisation zu sprechen kam. Und bat man diese Läufer zum Lauf-Abc auf den Rasen, so sah das aus, als hätte man den Männergesangsverein aus Clausthal-Zellerfeld zum Eiskunstlaufen geschickt.

Heute gibt es ja immerhin schon sowas wie ein Problemverständnis. Wir sind also vom Erkenntnisproblem (muss man wirklich dehnen?) zum Umsetzungsproblem (ich schaff‘ das nicht) gelangt. Soll heißen: Der Marathoni, der über wiederkehrende Wadenzerrungen und Achillessehnenprobleme klagt, sieht inzwischen tatsächlich einen Zusammenhang mit der Tatsache, dass der Abstand seiner Finger zum Boden bei Vorneigung mit durchgestreckten Knien etwa 50 Zentimeter beträgt. Einzig: Das verflixte Dehnen will einfach nicht in seinen Alltag passen. Was also tun?

Die Asiaten machen's auf der Straße

Manchmal hilft der Blick auf junge, innovative Sportarten wie Crossfit. Die machen z.B. tiefe Kniebeugen. Damit das überhaupt klappt, machen die „Mobility“. Hocken zum Beispiel. Tiefes Hocken? War früher im Fitnessstudio und beim Physiotherapeuten noch verboten. Obgleich es eine natürliche Bewegung ist. Dehnt höchst effektiv den unteren Rücken und die Wade. Die Asiaten machen's auf der Straße. Die tiefe Hocke wird daher auch Saigon-Hocke oder asiatische Hocke genannt. Während das, was du da gerade mit schmerzverzerrtem Gesicht vor dem Spiegel auf den Zehenspitzen versuchst, eine so genannte europäische Krampfhocke ist.

Irgendwann wurde mir schlagartig klar: Hocken ist das neue Dehnen! Denn Hocken ist einfach. Hocken nervt nicht. Es ist entweder eine gewisse sportliche Herausforderung (das mögen wir ja!) oder kann eben nebenbei beim Zähneputzen erledigt werden. Und man kann es überall machen: An der Bushaltestelle, in der Intervallpause beim Laufen, im Teammeeting (okay, vielleicht). So wirst du ganz nebenbei geschmeidig wie eine Katze. Ich hocke immer dann, wenn ich Achillessehnen- und Fersensporne mit Stoßwelle behandle. Erfreulicherweise sehen mich die Patienten nicht, wenn ich mit Gehörschutz in tiefer Hocke hinter der Liege kauere. Das siehtgewöhnungsbedürftig aus, aber meine Waden sind seitdem geschmeidig wie die einer Katze. Mindestens. Und? Wo hockst du?

Unser Experte Matthias Marquardt

Dr. Matthias Marquardt ist einer der bekanntesten Sportmediziner in Deutschland. Der Internist hat sich auf Check-up-Medizin und die Behandlung von Sehnenerkrankungen bei Sportlern spezialisiert. Elf Bücher zu Fragen des Laufsports und der Sportmedizin hat er verfasst. Sein Buch „Die Laufbibel“ ist ein Bestseller und lässt kaum eine Frage zu Training, Ernährung und Gesundheit bei Läufern unbeantwortet. In seiner „Sprechstunde“ in unserem Magazin behandelt er auf unterhaltsame Art Themen, die ihm im Alltag in der eigenen Praxis in Hannover immer wieder begegnen.

Weitere Infos findet ihr auf seiner Homepage www.doktor-marquardt.de und www.marquardt-running.com