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Ultra X Finnland
Im Sog der Natur

| Text: Finn Lenzen | Fotos: Nathan Phua

Laufen.de Mitarbeiter Finn Lenzen liebt normalerweise schnelle, kurze Läufe. Beim Ultra X Finnland lief er seinen ersten Trail-Wettkampf – und entdeckte, wie entschleunigend Laufen sein kann.

Das erste Mal in Finnland. Das erste Mal bei einem Traillauf. Das erste Mal jenseits der Halbmarathon-Distanz bei einem Wettkampf. Diese drei Ereignisse haben meinen Blick aufs Laufen definitiv verändert.

Warum laufe ich eigentlich? Diese scheinbar einfache Frage kann ziemlich tief gehen – fast schon philosophisch. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, hatte ich oft nur diese Antworten: „Ich will meine Bestzeit verbessern. Ich will mich mit anderen messen – und im besten Fall gewinnen. Ich möchte Anerkennung für meine Leistung.“

Normalerweise trifft man mich eher auf der Bahn oder der Straße. Dort zähle ich Runden, laufe gegen die Uhr und jage persönlichen Bestzeiten hinterher. Mir wurde schnell klar, dass ich mein Rennen über 25 Kilometer beim Ultra X Finnland anders angehen muss.

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Was ist eigentlich Ultra X?

Ultra X ist eine internationale Serie von Trailrunning-Events, die in den spektakulärsten Landschaften der Welt stattfinden: von der Savanne in Ruanda über die Wüste Jordaniens bis zu den beeindruckenden Küsten von Wales oder den tiefen Wäldern Finnlands.

Die Hauptrennen sind meist mehrtägige Etappenläufe über 110 Kilometer (zwei Tage) oder 220 Kilometer (fünf Tage). Wer es kürzer mag, kann bei vielen Events auch Eintagesdistanzen zwischen 25 und 75 Kilometern laufen.

Was alle Ultra-X-Events verbindet? Ein unglaubliches Naturerlebnis, Abenteuer und eine besondere Community. Die Atmosphäre ist familiär, herzlich und persönlich – von der ersten Mail mit dem Orga-Team bis zum Zieleinlauf.

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Finnland: Trailrunning wie aus dem Bilderbuch

Der Ultra X Finnland findet im UNESCO Global Geopark Salpausselkä in der Region um Lahti statt, etwa 100 Kilometer nördlich von Helsinki. Die Landschaft dort wurde über Jahrtausende von Gletschern und Schmelzwasser geformt. Sanfte Hügel, dichte Wälder, sowie unzählige kleine und größere Seen prägen das Bild.

Die Strecken führen durch unberührte Natur, über wurzlige Pfade, vorbei an glasklaren Seen und vermoosten Sumpflandschaften. Es geht bergauf und bergab, tief hinein in die Wälder Südfinnlands. Das Ziel liegt in der malerischen Hafenregion von Lahti – ein stimmungsvoller Schlusspunkt nach vielen Kilometern durch die einsame Natur.

Für Einsteiger wie mich gab es eine 25-Kilometer-Distanz – perfekt für einen ersten Kontakt mit dem Trailrunning. Wem das nicht ausreichte, konnte auch 50, 60 oder 110 Kilometer durch die finnische Wildnis laufen.

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Mystische Stille, dampfender Waldboden

Am Wettkampfmorgen herrschten eigentlich ideale Bedingungen – auch wenn es sich vielleicht nicht so anhört: leichter Nieselregen, kühle zehn Grad, bewölkter Himmel. Für einen langen Lauf durch die Wälder war das aber perfekt: kein Hitzestress, niedrige Luftfeuchtigkeit – und vor allem: keine Moskitos.

Schon kurz nach dem Start tauchten wir in den Wald ein. Die Musik aus dem Startbereich und die Stimme des Moderators erstarben nach und nach – bis schließlich nur noch das leise Aufsetzen der Schuhe auf dem weichen Waldboden, der eigene Atem und die geräuschvolle Stille des Waldes zu hören waren. Es war eine fast schon surreale Atmosphäre. Das Licht unter dem wolkenverhangenen Himmel verlieh der Landschaft eine gewisse Magie. Kein Zeitgefühl, nah an der Orientierungslosigkeit – geleitet nur von den orangefarbenen Flatterbändern an Bäumen und Sträuchern, die mir zuverlässig den richtigen Weg zwischen tausenden kleinen Pfaden wiesen. Es wirkte fast so, als wäre man in eine andere Welt eingetaucht, fernab jeder Alltagsrealität.

In dieser Einsamkeit begann etwas, das man wohl nur beim Trailrunning so erlebt: eine Art Flow, in dem die Kilometer unbemerkt dahinfliegen, weil man voll in der Natur aufgeht. Hin und wieder ein kurzer Gruß an Mitläufer: „Läufst du die 50? – Nee, nur 25. – Viel Erfolg noch! – Man sieht sich im Ziel.“ Dann wieder allein, mit sich und dem Moment.

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Trailrunning ist Laufsport – aber anders

Der Untergrund war stellenweise eine echte Herausforderung: verwurzelte Singletrails, matschige Passagen, kurze knackige oder längere steile Anstiege. Technisch anspruchsvolle Passagen und die Orientierung auf den Trails erforderten volle Konzentration. Doch selbst diese aufkommenden Anstrengungen und Hindernisse verflogen in gewisser Weise im Sog der Natur und des Laufens.

Immer wieder schoss mir durch den Kopf: „Wie schön ist das hier eigentlich? Ich laufe gerade irgendwo im Nirgendwo durch Finnlands Wälder – ist das wirklich real?“ Oder ganz einfach: „Genieß es! So etwas erlebt man nicht allzu häufig im Leben.“

Oft sagt man, Trailrunning sei eine ganz eigene Welt – und das stimmt. Es geht nicht um exakte Distanzen, Zeiten und eine bestimmte Pace, sondern um Wahrnehmung, Gefühl und Timing: Wann verpflegen? Wann etwas Tempo rausnehmen? Wann Risiko auf technischen Passagen eingehen? Wann lieber etwas vorsichtig sein? Bestzeiten sind hier zweitrangig. Jeder Trail ist anders – in Schwierigkeit, Höhenmetern und Untergrund. Genau das macht das Traillaufen so besonders.

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Wettkampfreise zum Ultra X Finnland 2026 (5 Tage):

  • Hotel in Lahti, inkl. Transfers ab/an Helsinki Airport nach Lahti

  • Gemeinsames Rahmenprogramm & Startunterlagen-Abholung

Trailrunning Camp "Finnland Lahti Trails 2026" (8 Tage):

  • 4 Lauftage + 1 City Run in Helsinki, 1 Ruhetag mit Ausflug

  • Unterkunft in Lahti & Helsinki, zeitlich kombinierbar mit Wettkampfreise

Hier findest du mehr Informationen zur Reise und Vorabanmeldung:

https://trailrunning-tours.com/collections/trailrunning-finnland

Zurück in die Realität

Auf den letzten Kilometern kündigte sich das Ende der Stille in den finnischen Wäldern an. Der Trail mündete ins Lahti Sports Center, vorbei an den imposanten Skisprungschanzen und über die originalen Loipen der Skilangläufer. Plötzlich war die Zivilisation wieder spürbar und langsam, aber sicher neigte sich das Erlebnis in dieser eigenartigen Parallelwelt dem Ende zu.

Schließlich tauchte in der Ferne die lange Zielgerade in der Hafenregion von Lahti auf. Menschen, Stimmen, Musik. Erst dort wurde mir wirklich bewusst, was ich gerade geschafft hatte. 25 Kilometer auf anspruchsvollen Trails, durch teils unwegsames Gelände, in einem Land, dessen Natur und Schönheit ich vorher nur aus dem Reiseführer kannte.

Als ich über die Ziellinie lief, überkam mich dieses unbeschreibliche Gefühl, das viele als „Runners High“ kennen – doch es war mehr als das. Es war ein Gefühl von Dankbarkeit, Zufriedenheit, und Euphorie. Und als wäre das nicht genug, hatte ich den Lauf sogar gewonnen.

Laufen. Natur. Erleben.

Der erste Platz bei meinem ersten Traillauf war ohne Frage ein Highlight. Doch was viel stärker nachwirkte, war eine andere Erkenntnis: Laufen bedeutet mehr als Zeiten, Platzierungen oder den ständigen Vergleich mit anderen. Es bedeutet: Erleben. Eintauchen in die Natur. Loslassen von Alltag und Kontrolle. Und auch wenn das pathetisch klingt: sich selbst spüren – ohne Filter, ohne Ablenkung.

Irgendwo tief in den Wäldern Finnlands, wo die Zeit stillzustehen scheint und man mit der Welt im Reinen ist, habe ich für mich verstanden, was Trailrunning wirklich ausmacht: Es geht nicht um eine Zeit oder Pace, sondern darum, sich und seine Umwelt bewusst zu erleben.

Und noch zwei Erkenntnis nehme ich mit: Das war ganz sicher nicht mein letzter Traillauf. Und garantiert komme ich zurück nach Finnland.

Ultra X Finnland Ergebnisse

110 Kilometer:

Harold Heymans (BEL): 10:50:40h

Helen Platel (GBR): 12:45:56h

60 Kilometer:

Jasper Planckaert (BEL): 05:36:04h

Mary McCarthy (GBR): 05:58:22h

50 Kilometer:

Petri Luhio (FIN): 04:15:39h

Nicola Wilkinson (GBR): 04:53:17h

25 Kilometer:

Finn Lenzen (GER): 01:54:15h

Annika Seefeld (GER): 02:10:47h