Ratgeber
laufenalter
© Adobe Stock/Kay Abrahams/peopleimages.com

Laufen in jedem Alter
So macht Laufen immer Spaß!

| Text: Dr. Stefan Graf | Fotos: Adobe Stock

Gesundes Laufen ist keine Frage des Alters – oder doch? Im Artikel liest du über biologische Veränderungen, die es zu beachten gilt, damit sich Lauflust mit dem Alter nicht in Lauffrust verwandelt.

Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an. Wusste schon Udo Jürgens. Stimmt natürlich nicht, aber in dem Lied geht es ja eigentlich darum, dass man einfach lange Spaß im und am Leben hat. Und das gilt natürlich auch fürs Laufen. Auch wenn man älter wird, kann man noch mit viel Spaß laufen gehen: Hier liest du, wie Laufen in jedem Alter Spaß macht.

Diese setzt voraus, in jeder Phase der sportlichen Karriere vernünftig mit den altersabhängigen Veränderungen des Körpers umzugehen, die Energiestoffwechsel, Regeneration, Hormonproduktionen und auch die Chromosomen betreffen.

Jeder hat die Geschwindigkeit des Alterns in der Hand!

Es bleibt keinem erspart, dass sich das äußere Erscheinungsbild verändert und die sportliche Leistungsfähigkeit abnimmt. Doch wie schnell biologische Alterungsprozesse voranschreiten, ist individuell sehr unterschiedlich. Der eine wirkt schon mit 45 schon präsenil“, die andere mit 75 topfit.

Genetik und Umwelteinflüsse sind nicht zu beeinflussen. Aber die gute Nachricht ist: Die Geschwindigkeit des natürlichen Abbaus wird maßgeblich von der Lebensweise bestimmt. Das hat die hoch aktuelle Erforschung der Gen-Regulation (Epigenetik“) eindrucksvoll nachgewiesen.

Niemand kann die in seinen Genen gespeicherten Informationen beeinflussen, wohl aber, wie diese verarbeitet werden. Wann welche Gene aktiv werden, um bestimmte, auch die Alterung betreffende Stoffwechselprozesse zu beschleunigen oder abzubremsen, hängt nachhaltig von der individuellen Lebensweise ab.

Laufen im Alter als Anti-Aging

Laufen als ausdauerbetonte Gesamtkörperbewegung ist einer der wirksamsten epigenetischen Anti-Aging-Faktoren. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die bei Ausdauersportlern und -sportlerinnen nachgewiesene Verzögerung des altersbedingten Telomer-Abbaus.

Vereinfacht gesagt sind Telomere „Schutzkappen“ an den Enden der Chromosomen. Sie schützen unser Erbmaterial – die DNA – vor Beschädigung. Die Verkürzung der Telomere wird als einer der zentralen Faktoren des biologischen Alterns angesehen, da mit dem Verschwinden der Protektoren die Gefahr für DNA-Schäden steigt.

Chromosomen-Analysen zeigen, dass Ausdauersportler und -sportlerinnen in jeder Lebensphase im Durchschnitt längere Telomere aufweisen als ihre nicht aktiven Altersgenossen. Offenbar werden durch das regelmäßige Training jene Gene aktiviert, die zu einer verstärkten Herstellung des Enzyms Telomerase führen. Dieses „repariert“ die Telomere, arbeitet also deren Verkürzung entgegen, sodass die Gene besser geschützt und die Zellen länger funktions- und regenerationsfähig bleiben.

Das zeigt sich auch in gesünderen Blutgefäßen, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselparametern sowie günstigerem Muskel-Fett-Verhältnis. Dies gilt aber nur solange das Training nicht zu exzessiv ist.

Die richtige Belastungssteuerung ist wichtig

Wenn das regelmäßige Lauftraining als Jungbrunnen gepriesen wird, gilt das also nur unter der Voraussetzung, dass der Organismus nicht durch ein langfristiges Missverhältnis von Be- und Entlastung unter permanenten Stress gesetzt wird. Die negativen Folgen fortwährender Stresshormon-Ausschüttung, unzureichender muskulärer, metabolischer (Stoffwechselbalance) und psychischer Regenration auf das Immunsystem und damit auf Erkrankungsrisiken sind gut belegt.

Damit es dazu nicht kommt, gilt es, das Belastungs-Entlastungs-Management im Laufe des (Läufer-)Lebens altersadäquat anzupassen. Man sollte nicht mit Gewalt versuchen, Leistungen auf maximalem Niveau zu halten. Paradebeispiel sind die Kraft- und Schnellkraft-Fähigkeiten, die auch bei optimaler Trainingsgestaltung und Nährstoffversorgung spätestens im vierten Lebensjahrzehnt deutlich zurückgehen.

laufenalter
© Adobe Stock/Drazen

Krafttraining ist eine sinnvolle und wichtige Ergänzung zum Laufen – in jedem Alter.

Die Ausdauer hält – die Kraft schwindet

Eine über Jahre antrainierte Ausdauer ist relativ gut konservierbar und von körperlichem Abbau deutlich weniger betroffen als Kraft, Koordination und Beweglichkeit. In den Ausdauersportarten fällt der altersbedingte Leistungsabfall aufgrund der geringen Kraft- und Schnellkraftanforderungen eher moderat aus. Eine Leistungskonservierung bis ins sechste Lebensjahrzehnt ist daher keine Seltenheit.

Mit der altersbedingten Abnahme der Muskelmasse schrumpfen auch die Glykogenspeicher. Das heißt, die generelle Empfehlung, unbedingt die Athletik (Kraft, Stabilisation, Koordination, Beweglichkeit) zu trainieren, zeigt sich auch in diesem Punkt.

Die Rolle der Wechseljahre

Die Wechseljahre bedeuten hormonelle Umstellungen, die nahezu alle Stoffwechselprozesse beeinflussen. Wenngleich Frauen tiefgreifender betroffen sind, geht auch an Männern der ADAM – das Androgen-Defizit des Alternden Mannes – nicht spurlos vorbei. Die nachlassende Produktion der männlichen Geschlechtshormone (Androgene), allen voran des Testosterons, mildert nicht nur den aggressiven Kampfeswillen. Auch die anabole, muskelaufbauende Biochemie schwächelt.

Dafür steigt die Tendenz zum Fettansatz – das gilt leider auch für Frauen nach der Menopause. Neben dem schleichenden Verlust von Kraft und Schnelligkeit, steigt das Risiko für Beschwerden am knöchernen Bewegungsapparat, der nicht mehr so wirksam durch ein starkes Muskelkorsett stabilisiert wird.

Dies ist ein weiteres Argument für die mit dem Alter steigende Relevanz begleitenden Kraft- und Stabilisationstrainings – auch um der besonders Frauen betreffenden Abnahme der Knochendichte (Osteoporose) entgegenzuwirken. Stabile Knochen brauchen Widerstandstraining, genug Kalzium (Ernährung) und Vitamin D (Laufen unter freiem Himmel).

laufenalter
© Adobe Stock/Prostock-studio

Regeneration und Heilung dauern länger

Das Immunsystem, das neben der Abwehr von Krankheitserregern auch für Regenerations- und Heilungsprozesse nach dem Sport zuständig ist, verliert mit den Jahren an Flexibilität und Schlagkraft. Im Alter steigt der Regenerationsbedarf und die Rekonvaleszenz nach Verletzungen verlängert sich. Das liegt unter anderem an der veränderten Hormonproduktion (Wachstums- und Geschlechtshormone).

Ist mit 20 die Muskelzerrung nach einer Woche, ein Hämatom nach drei Tagen vergessen, benötigt der Ü40-Athlet die doppelte bis dreifache Zeit. Der von Immunzellen übernommene Abtransport beschädigter Gewebsstrukturen und der Neuaufbau laufen langsamer ab. Am deutlichsten manifestiert sich das an der Muskulatur: Ab dem 30. Lebensjahr verliert man pro Lebensdekade rund fünf Prozent Muskelmasse. Die gute Nachricht: Selbst in hohem Alter geht die Fähigkeit zum Muskelaufbau nicht verloren. Laufen allein reicht da aber nicht – die Bedeutung regelmäßiger Kräftigungsübungen kann nicht oft genug betont werden.

Defizite betreffen auch Herz und Lunge

Auch der Herzmuskel ist von der alterungsbedingten Verkleinerungstendenz betroffen. Daher verändern sich einige Leistungsparameter, die in der Trainingssteuerung richtungsweisend sind. Das maximale Schlagvolumen sinkt genauso wie die maximal erreichbare Pulsfrequenz. Dadurch wird die Sauer- und Nährstoffversorgung des Organismus schlechter.

Wer sein Training an diesen Größen ausrichtet, muss sich jetzt an anderen Werten orientieren. Das Wohlbefinden und die durch Trainingserfahrung erworbene Sensibilität für die eigenen Körpersignale gewinnt als Richtschnur für gesunde Belastung an Bedeutung.

Auch Atemzugvolumen, eingeatmete Sauerstoffmenge und einer den bedeutendsten Leistungsparameter – die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität (VO2max) – verringern sich. Grund dafür sind Elastizitätsverluste und Abbauprozesse des Lungengewebes sowie Leistungseinbußen der Atemmuskulatur. Dennoch weisen top trainierte 75-Jährige oft bessere VO2max-Werte auf als untrainierte „Twens“.

VO2max …

… beschreibt das maximale Sauerstoffvolumen, das pro Minute und Kilogramm Körpergewicht bei maximaler Leistung aufgenommen und von den Zellen verwertet werden kann. Je höher der Wert desto besser der Fitnesszustand.

Die Fettverbrennung am Lodern halten

Der Kampf gegen Pfunde, die keine Muskeln, sondern in Form von Bauchfett weder der Optik noch Gesundheit und Leistung zuträglich sind, ist eines der leidigsten Alternsprobleme. Die Fettmobilisierung aus den Depots funktioniert nicht mehr so gut. Aus gesundheitlicher Sicht ist es daher ratsam, seinen Trainingsfokus im reiferen Alter verstärkt auf hohe Fettverbrennungsrate im aeroben Belastungsbereich zu legen.

Die Tendenz sollte somit eher zu längeren Strecken bei reduziertem Tempo gehen. Natürlich muss und soll auf kürzere Intensiveinheiten und Intervalle nicht verzichtet werden. Das gilt besonders für jene, die noch wettkampfaktiv sind. Aber Warnsignale wie Schmerzen oder bewegungseinschränkende Gelenkbeschwerden müssen ernstgenommen und zu intensive Trainingsinhalte entsprechend angepasst werden.

Alternde Darmbewohner

Der immensen gesundheitliche Bedeutung des Darm-Mikrobioms, jener auch „Darmflora“ genannten Unzahl von den Darm besiedelnden Mikroorganismen, ist sich die Wissenschaft erst in jüngster Zeit richtig gewahr geworden. Der gesamte Stoffwechsel und besonders die Leistung des Immunsystems hängen gravierend von Zusammensetzung und Vielfalt der Darmbewohner ab.

Von der Geburt bis ins hohe Alter erfährt das Darm-Mikrobiom einige charakteristische Veränderungen, die auch bei stets ausgewogener Ernährung erfolgen. Das Mikrobiom scheint mit und in uns zu altern. In jungen Jahren noch wenig komplex, aber sehr reaktions- und wandlungsfähig, in der Midlife-Phase hochkomplex mit stabiler artenreicher Stammbelegschaft, sinkt im höheren Alter die Artenvielfalt, was im Verbund mit vermehrt im Bauchfett produzierten entzündungsfördernden Botenstoffen die Immunlage verschlechtert.

Eine an jede Lebensphase angepasste sportliche Belastung stabilisiert nachweislich den Artenreichtum eines leistungsfähigen Mikrobioms und zögert damit die Abnahme der Immunstärke hinaus. Regeneration zu vernachlässigen und mit Infekten zu trainieren wird mit Sinken der Mikrobiomvielfalt im Alter immer gefährlicher.

 

laufenalter
© Adobe Stock/Mary Markevich

Basisregeln für gesundes und spaßvolles Laufen

Beim altersgerechten Laufen muss allen biologischen Veränderungen Rechnung getragen werden. Da sie jedoch asynchron mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und großer individueller Spannbreite ablaufen, liegt das biologische Alter zweier kalendarisch gleichaltriger Personen oft weit auseinander – zumal die Zahl der Trainingsjahre und individueller Leistungsanspruch extrem differieren können.

Daher ergibt es wenig Sinn, Trainingspläne für jede kalendarische Lebensdekade zu entwerfen. Für einen seit Kindheit aktiven Ü60er mit vier Jahrzehnten Wettkampferfahrung kann ein adäquates Trainingspensum deutlich umfangreicher und intensiver sein als für einen bislang inaktiven Mittzwanziger. Demzufolge können konkrete Vorgaben zu altersgerechten Trainingsinhalten, Intensitäten und Häufigkeiten immer nur individuell auf Basis der körperlichen und psychischen Verfassung sowie der sportlichen Vorerfahrungen und Ziele gegeben werden.

Grundsätzlich aber sollte sich in Abhängigkeit vom biologischen Alter, der Trainingserfahrung und dem persönlichen Leistungsanspruch ein altersgerechtes, dem möglichst langen Gesundheits- und Fitnesserhalt dienliches Training an folgenden Basisregeln orientieren:

  • Dauer vor Intensität: mit steigendem Alter stärkere Fokussierung auf extensives Training
  • Anteil regenerativer Einheiten mit dem Alter erhöhen (auch Alternativbewegung)
  • Erhöhte Infektrisiken ernstnehmen (vollends auskurieren!)
  • Bedeutung von Warmup, Kraft-/Stabilisations- und Koordinationstraining steigen
  • Ernährung: genug Eiweiß für Muskelerhalt, begrenzte Gesamtenergie gegen „Hüftgold“
  • Realistische Ziele (Art und Frequenz von Wettkampfteilnahmen, Zielzeiten)
  • Jährlicher Medizincheck (Blut, Herz und Lungen)

Keep on Running!

„Ich schleppe meinen Kadaver noch ein wenig herum“, sagte Fußball-Weltmeister Miro Klose 2014 auf dem Weg zum Titel. Damals war er 36, ein Alter, das mental gereiften Marathonis nur ein müdes Lächeln abnötigt. Niemand sollte sich nur wegen seines kalendarischen Alters den Spaß an Wettkampf und Leistung nehmen lassen.

Die Forschung zeigt, dass Trainingsreize sowohl auf Herz-Kreislauf- wie auf muskulärer Ebene bis über das achte Lebensjahrzehnt hinaus hoch wirksam sind. Allerdings kommt der richtigen Trainingsqualität (Kraft, Ausdauer) und Dosierung mit jedem Geburtstag größere Bedeutung zu. Damit Lauffreude, Leistungsfähigkeit und Gesundheit noch viele Jahr(zehnt)e Bestand haben, ist es wichtig, die richtige Balance zwischen Vernunft und Ehrgeiz für sich zu finden.