Marathon unter zwei: So soll es jetzt gelingen
Ein Marathon unter zwei Stunden: Dieser Läufer-Traum soll am kommenden Wochenende wahr werden. Auf der Formel-1-Rennstrecke im italienischen Monza werden die ostafrikanischen Top-Läufer Eliud Kipchoge (Kenia), Zersenay Tadese (Eritrea) und Lelisa Desisa (Äthiopien) den ersten Versuch unternehmen, 42,195 Kilometer in weniger als 120 Minuten zu absolvieren.
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Der erste Marathon unter zwei Stunden kann es werden, Weltrekord aber nicht
Für die Unterbietung der historischen Marke - wohl nur vergleichbar mit der ersten Meile unter vier Minuten, die am 6. Mai 1953 Sir Roger Bannister gelang - müssen sie fast drei Minuten schneller laufen als Weltrekordler Dennis Kimetto. Der Kenianer rannte 2015 in Berlin in 2:02:57 Stunden den bisher schnellsten Marathon. Anders ausgedrückt: Sie müssen jeden einzelnen der 42 Kilometer fünf Sekunden schneller laufen als Kimetto bei seinem Rekord. Das geforderte Tempo liegt bei 2:50 Minuten pro Kilometer.
Damit das gelingt, will Sponsor Nike dafür sorgen, dass die Bedingungen für den Rekordversuch am Wochenende optimal sind: Ein ganzes Rudel Hasen und davor ein Auto mit der Zeitanzeige schützt die Rekordläufer auf der gesamten Distanz vor Gegenwind. Zu den 30 Tempomachern zählt auch Weltklasseläufer Bernard Lagat, der 2007 Weltmeister über 1500 und 5000 Meter war. Sie können aber nur dann 42,195 Kilometer lang präsent sein, wenn sie sich abwechseln. Auf jeder der 2,4 Kilometer langen Runde werden frische Pacer ins Rennen kommen. Sie laufen in einer genau abgestimmten Formation vor den Top-Athleten. Dabei werden sie von Lasermarkierungen unterstützt, die vom Führungsfahrzeug auf den Asphalt projeziert werden.
Getränke und Energiegels werden den Athleten immer dann gereicht, wenn sie es wollen, und nicht nur an vorher festgelegten Verpflegungspunkten. Inhalt und Zeitpunkt der Verpflegung mit Wasser und Kohlenhydraten wurde vom Nike-Projektteam um Dr. Brett Kirby in Tests individuell auf die Top-Athleten abgestimmt. "Wir haben herausgefunden, ob sie besser mit Getränken oder Gels zurechtkommen und ermittelt, wieviel Flüssigkeit sie unter der Wettkampfbelastung genau brauchen", sagt der Wissenschaftler.
Mit den wechselnden Tempomachern und der Verpflegungsstrategie verstößt das Projekt gegen die Regeln des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF. Die so erzielten Zeiten können nicht als Weltrekord anerkannt werden. Aber das ist den Protagonisten und ihrem Sponsor egal. „Auch wenn es kein Weltrekord sein kann – sollte es klappen, werde ich als erster Mensch in die Geschichte eingehen, der den Marathon unter zwei Stunden gelaufen ist“, sagt Eliud Kipchoge.
Eliud Kipchoge im Fokus: Dem Olympiasieger ist der historische Lauf zuzutrauen
Der 32 Jahre alte Kenianer ist der einzige aus dem Nike-Trio, dem der historische Lauf zuzutrauen ist. Da sind sich die Experten einig. Der Rio-Olympiasieger gilt als bester Marathonläufer der Gegenwart. 2016 verpasste er auf dem – im Vergleich zu Berlin – schwierigeren Kurs von London den Weltrekord in 2:03:05 Stunden nur um ein paar Sekunden. Im Jahr davor gewann er den Berlin-Marathon, obwohl bereits nach wenigen Kilometern die Einlegesohle halb aus seinem Schuh rutschte und danach an seiner Ferse flatterte. Dass er sich davon kaum irritieren ließ und das Rennen in 2:04:00 Stunden als Sieger beendete, zeigt, wie stark er auch mental ist.
„Er ist damals unter Schmerzen ins Ziel gelaufen“, berichtet der Schweizer Journalist Jürg Wirz, der viele Monate im Jahr im gut 2000 Meter hoch gelegenen Eldoret lebt. Quasi in der Nachbarschaft von Eliud Kipchoge. Er beobachtet den Läufer regelmäßig im Training. Kurz vor dem Rekordversuch berichtete er von einer der letzten Trainingseinheiten Kipchoges auf einer regennassen Aschenbahn: „Er ist fünfmal 2000 und 1000 Meter gelaufen, jeweils mit zwei Minuten Geh- und Trabpause. Gestartet ist er mit 5:50 und 2:50 Minuten, die letzten Läufe waren 5:40 und 2:37.“
Körperlich ist Eliud Kipchoge also bereit. Und mental sowieso. „Es mag andere geben, die genauso viel Talent haben und genauso hart trainieren. Aber im Kopf ist er stärker.“ Das sagt sein Trainer Patrick Sang, ein ehemaliger Weltklasseläufer, der seit 14 Jahren mit Eliud Kipchoge zusammenarbeitet.
Eliud Kipchoge ist zu 100 Prozent überzeugt, das Ziel zu realisieren: „Ich werde konstant schnell rennen, immer dasselbe Tempo. Aber ich schaue nicht, wie lange ich es aushalten kann, sondern ich schaffe es. Bis ins Ziel“, sagte er kürzlich im Interview mit dem Fachjournalisten Olaf Brockmann. Für ihn ist der Marathon „Sub 2“ das größte Ziel nach seinem Olympiasieg. Seit November 2016 ist er darauf fokussiert. Sein Trainingsprogramm hat er allerdings nicht geändert.
Auch seine Ernährung war so, wie vor seinen bisherigen Erfolgen auch. „Elite-Läufer wissen, was sie essen und trinken müssen, um optimal trainieren zu können“, erklären Dr. Brad Wilkins und Dr. Brett Kirby, die das Nike-Projekt wissenschaftlich betreuen. Die drei Top-Athleten folgen ohnehin ihrem Rat, Mahlzeiten zu bevorzugen, die zu 50 bis 75 Prozent aus Kohlenhydraten und zu 20 bis 30 Prozent aus Eiweiß bestehen. Sie haben aber verstärkt darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, nach harten Trainingseinheiten schnell wieder Wasser, Proteine und Kohlenhydrate zuzuführen.
Das Training von Eliud Kipchoge: Nur Laufen. Kein Yoga.
Und so erklärt Eliud Kipchoge auch: „Die Tests der Wissenschaftler in Beaverton und Kenia haben für Nike sicherlich wertvolle Erkenntnisse geliefert, für mich eher nicht.“ Bei Nike weiß man auch, dass das Training von Weltklasse-Athleten nicht zu revolutionieren ist. Das Forscher-Team um Wilkins und Kirby hat aber jeden Lauf überwacht und wertvolle wissenschaftliche Expertise beigesteuert, um das Beste aus den Athleten zu holen. Die wichtigste Erkenntnis ist aber sehr einfach: Wer schnell Marathon laufen will, muss auch im Training viel und schnell laufen können, ohne sich dabei zu überlasten.
Spezielles Krafttraining oder gar Yoga findet bei den Weltklasse-Athleten nicht statt. Auch auf Gymnastik zur Erhöhung der Beweglichkeit wird weitgehend verzichtet. Im Gegenteil: Die Wissenschaftler haben sogar herausgefunden, dass geringere Beweglichkeit zu höheren Laufleistungen führt. „Unsere Theorie ist, dass steifere Beine beim Laufen weniger Energie verlieren“, erklärt Brad Wilkins.
Das harte Training beginnt immer um sechs Uhr in der Früh
Der Wochenplan von Eliud Kipchoge zeichnet sich dadurch aus, dass alle zwei Tage wichtige Trainingseinheiten auf dem Programm stehen, die der spezifischen Marathon-Vorbereitung dienen: Am Dienstag das Intervalltraining auf der Bahn – meist allein oder mit Trainingspartnern. Donnerstags der lange Lauf über mehrere Stunden – oft in einer großen Gruppe mit bis zu 60 anderen Läufern. Und Samstag ein Fahrtspiel. Mit diesen harten Programmen beginnt er immer schon um sechs Uhr morgens. Auch an den anderen Tagen stehen in der Früh schnelle Trainingsläufe auf dem Programm, nachmittags wird dann noch mal langsamer und kürzer gelaufen. So kommen Woche für Woche zwischen 160 und 200 Kilometer zusammen.
„Eliud hat ein großartiges Gefühl für seinen Körper“, sagt Dr. Brett Kirby aus dem Nike-Forscherteam, „deshalb steuert er sein Tempo oft, indem er in sich hinein hört.” Das schwierigste bei diesem Pensum ist allerdings die Regeneration: Viel Schlafen, ausruhen, entspannen und kaum andere Tätigkeiten als Laufen. Das ist wohl das größte Erfolgsgeheimnis der Spitzenläufer aus Ostafrika – neben dem Aufwachsen und ständigen Trainieren in großer Höhe.
Ein spezielles Anti-Doping-Programm wurde für die Teilnehmer an dem Projekt nicht entwickelt, sie unterliegen – auch am Wettkampf-Tag - den üblichen Tests, die vom Leichtathletik-Weltverband (IAAF), der Welt-Anti-Doping-Agentur und den großen Marathon-Veranstaltern organisiert werden.
Der Start: Bei Sonnenaufgang in Monza
Nike konzentriert sich vor allem darauf, die Bedingungen am Renntag zu optimieren, sodass die größte Verbesserung der menschlichen Marathonleistung seit 1953 möglich wird. Damals verbesserte der Brite Jim Peters die Bestmarke des Koreaners Yun Bok-Suh von 2:25:39 auf 2:18:41 Stunden. Gelaufen wird am Wochenende auf der 2,4 Kilometer lange Asphaltrunde von Monza, auf der jedes Jahr vor den Toren Mailands die Formel 1 den Großen Preis von Italien austrägt. Die Strecke ist topfeben. Es gibt keine scharfen Kurven, in denen die Läufer Zeit verlieren könnten. „Und der Rundkurs gibt uns die Möglichkeit, ganz genau zu analysieren, was im Rennen passiert und darauf zu reagieren“, sagt Brad Wilkins.
Es werden viel öfter Zwischenzeiten genommen als bei den klassischen Stadtmarathonläufen. Dafür ist eine deutsche Firma aus Bergisch-Gladbach zuständig: Mika Timing wird alle 200 Meter Messpunkte installieren. Die Athleten tragen die für die Zeitmessung nötigen Chips allerdings nicht – wie sonst üblich - am Fuß, sondern am Oberkörper. Das Gewicht der Chips ist zwar sehr gering, aber am Oberkörper beeinflusst es die Laufleistung noch weniger als am Fuß.
Ein Testrennen über die Halbmarathon-Distanz beendeten Eliud Kipchoge und Zersenay Tadese Anfang März bei starkem Wind in 59:17 bzw. 59:40 Minuten. Dabei kamen auch Tempomacher zum Einsatz und es wurde ausprobiert, in welcher Formation die für ein optimales Ergebnis laufen. Auf die Anfeuerung durch ein Millionen-Publikum wie bei den großen Stadtmarathons mussten die Athleten damals allerdings verzichten. Und so wird es auch am Wochenende sein: Das Rennen findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Jeder kann das Rennen aber trotzdem verfolgen, und zwar im Livestream – unter anderem auf laufen.de. Moderiert wird dieser von Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe, dem ehemaligen Mittelstreckenläufer Craig Masback, dem US-amerikanischen TV-Moderator Sal Masekela und Comedian Kevin Hart.
Der Startschuss fällt am Samstagmorgen um 5:45 Uhr. Dann sollen die Wetterbedingungen nahezu optimal sein: Zehn Grad, leichte Bewölkung, kein Niederschlag. Das ist die Vorhersage. Die Sonne geht am 6. Mai in Monza um 6:03 Uhr auf. Und die Zeit passt zum Biorhythmus der Athleten, denn die absolvieren das härteste Training ja immer zu so früher Stunde.
Der Schuh: Nike Zoom Vaporfly Elite
Nike wäre nicht der weltgrößte Hersteller von Sportartikeln, würde er nicht seinen Athleten neue und weiter optimierte Bekleidung und Schuhe zur Verfügung stellen, um den Traum von dem Marathon unter zwei Stunden zu realisieren.
Die Athleten werden einen Schuh tragen, der ganz anders aussieht als alles, was wir an Rennschuhen bisher kennen. Der Nike Zoom Vaporfly Elite wurde über mehr als zwei Jahre langer Entwicklung komplett neu kreiert. „Zunächst haben wir geglaubt, so etwas wie einen Spikeschuh für Asphalt schaffen zu müssen“, sagt Stefan Guest, Senior Design Director bei Nike, „aber durch die intensiven Gespräche mit den Athleten wurden wir eines besseren belehrt." Der Schuh für den ultimativen Marathon muss nämlich nicht nur superleicht sein, er muss auch dämpfen und schützen.
„Ich möchte die Straße nicht spüren. Asphalt tut weh.“ Dieses Zitat eines Nike-Athleten beschreibt die Anforderungen ziemlich genau. Und so entstand der Zoom Vaporfly Elite. Ein ganz neu bei Nike entwickeltes Schaummaterial für die Zwischensohle ermöglicht ein Höchstmaß an Dämpfung, ohne dass der Schuh schwerer wird. Das Material ist 40 Prozent leichter als EVA, das in herkömmlichen Laufschuhen oft zur Dämpfung eingesetzt wird. So wiegt der Vaporfly Elite trotz üppiger Zwischensohle nur 185 Gramm. Für Rennschuhe ein durchaus üblicher Wert.
Der Clou des Schuhes ist aber ein ultraleichtes und sehr steifes Karbon-Element, das sich über die gesamte Zwischensohle erstreckt und dem Schuh zu hoher Festigkeit verhilft. Es verhindert tatsächlich, dass der Läufer den Asphalt zu sehr spürt und gleichzeitig hilft es dem Spitzenläufer so auf dem Vorfuß abzurollen, wie es für extrem hohen Tempo notwendig ist. „Man hat das Gefühl, ständig bergab zu laufen“, sagt ein Athlet, der den Schuh bereits getestet hat.
Und das bestätigen auch Untersuchungen in den Labors von Nike: Mit dem Vaporfly Elite erreichten Testläufer auf dem Laufband die gleichen Geschwindigkeiten mit geringerem Sauerstoffverbrauch als in herkömmlichen Wettkampfschuhen.
Der Schuh wird im Handel nicht erhältlich sein, mit dem Zoom Vaporfly 4%, dem Zoom Fly und dem Air Zoom Pegasus 34 wird Nike aber ab Juni 2017 allen Läufern drei Modelle anbieten, in denen des System des Vaporfly Elite um Einsatz kommt.
Auch die Bekleidung der Läufer wurde so optimiert, dass der Schweiß möglichst schnell von der Haut abgeleitet wird. Das Trikot soll nicht schweißnass auf der Haut kleben, Reibung wird verhindert. Die neu entwickelten Socken sorgen dafür, dass die Schuhe perfekt sitzen. Statt einer flatternden kurzen Hose tragen die Athleten halblange Tights, die Unterstützung und Kompression bieten, aber die Bewegungsfreiheit nicht einschränken. Dazu kommen Arm-Sleeves, die vor der morgendlichen Kühle schützen. Und an den Waden sollen die Athleten Tapes tragen, deren Struktur die Aerodynamik noch einmal erhöht.