Mittendrin im größten Halbmarathon der Welt

Mittendrin im größten Halbmarathon der Welt

| Martin Neumann I Fotos: Glenn Unger
An einem Samstag im Mai ist ganz Göteborg auf den Beinen. 50.000 laufen durch die Stadt, 200.000 jubeln am Straßenrand. laufen.de war mittendrin im gröÃ

An einem Samstag im Mai ist ganz Göteborg auf den Beinen. 50.000 laufen durch die Stadt und damit rund ein Zehntel der Einwohner, 200.000 jubeln am Straßenrand. Überträgt man diese Dimensionen auf den Berlin-Marathon, hätte Deutschlands größter Marathon rund 350.000 Starter. laufen.de war mittendrin im größten Halbmarathon der Welt, dem „Göteborgs Varvet“. Wenn du am 20. Mai 2017 auch dabei sein willst: Hier geht’s direkt zur Anmeldung.

Als die achte Startgruppe im gemächlichen Schritt die ersten Meter des „Göteborgs Varvet“ in Angriff nimmt, dreht Richard Mengich noch einmal so richtig auf. Mit langem Schritt spurtet der Kenianer auf der anderen Straßenseite den letzten Hügel im Slottskogen-Park hinunter und Richtung Ziel. Kurze Zeit später wird er als erster Läufer in der Geschichte des Rennens den Göteborg-Halbmarathon unter einer Stunde absolviert haben. Nach 59:35 Minuten lässt sich der 27-Jähriger verdientermaßen feiern, während rund 30.000 Läufer die 21,0975 Kilometer noch vor sich haben.
In bis zu 31 Startgruppen werden die Läufer beim größten Halbmarathon der Welt auf die Strecke geschickt. Anders könnte der Kurs durch Schwedens zweitgrößte Stadt mit rund 530.000 Einwohnern die 64.500 angemeldeten Teilnehmer auch gar nicht aufnehmen, selbst wenn wie diesen Mai nur knapp 46.000 Läufer starten. Denn an einigen Stellen ist die Strecke nur drei bis vier Meter breit. Mit dem Startgruppen-Trick werden die Läufermassen entzerrt.

Dennis Mehlfeld hat mit den engen Streckenpassagen kein Problem. Der Lübecker war im Mai schon zum sechsten Mal beim „Göteborgs Varvet“ dabei und ist traditionell schnellster Deutscher. Mehrmals finishte er das Rennen unter den Top 25. „Ich liebe den Lauf und die Stadt. Es ist eine ganz spezielle Veranstaltung mit einer einzigartigen Atmosphäre“, schwärmt der 29-Jährige. Sein Highlight: der Blick von der ersten großen Brücke auf den Hafen von Göteborg. Erreicht man selbst nach rund sechs Kilometern und ein paar Dutzend kräftezehrenden Höhenmetern den Scheitelpunkt der gigantischen Hängebrücke Älvsborgsbron, stimmt man dem 68-Minuten-Läufer aus vollem Herzen zu. Der Blick schweift rund 60 Meter über der Ostsee Richtung Innenstadt und bleibt an der riesigen, im Sonnenlicht funkelnden Stena Line-Fähre hängen, die Kiel und Göteborg auf dem Seeweg verbindet.

Richard Mengich bleibt als Erster unter einer Stunde

Mengich_Richard_Göteborg-Halbmarathon_2016_VA

An diesem Punkt sind schon mehr als die Hälfte der etwa 180 Höhenmeter der Strecke geschafft. Zur Belohnung geht es knapp zwei Kilometer nur bergab und rein in die Hafencity. Alle paar Hundert Meter pushen Bands den Lindwurm der Läufer, rund 200.000 Zuschauer jubeln den Startern über sechs Stunden an der Strecke zu. Die meisten auf den finalen fünf Kilometern durch die Innenstadt Richtung Ziel im Slottskogen-Park. Beim letzten Bergaufstück Richtung der riesigen Poseidon-Statue bei Kilometer 17 ist man für den Beifall, die Musik und die aufmunternden Worte dankbar.

„Der Lauf hat es wirklich in sich. Man sollte es langsam angehen lassen“, hatte Pressesprecherin Rebecka Siwerz am Tag vor dem Rennen noch gewarnt. Einigen Startern war das wohl nicht bewusst. Geh- und Stretchingpausen nach fünf Kilometern sind keine Seltenheit beim „Göteborgs Varvet“. „Selbst die Spitzenläufer sind auf dieser Strecke bestimmt eine Minute langsamer als auf einem ganz flachen Kurs. Darum ist die Siegerzeit in diesem Jahr auch sensationell gut. Bei Freizeitläufern kommen sogar mehrere Minuten hinzu“, weiß „Varvet-Veteran“ Dennis Mehlfeld aus eigener Erfahrung.

Gute Laune in Göteborg

Göteborg-Halbmarathon_2016_Faust_VA

Für die Göteborger und Läufer aus dem Umland – sie stellen mehr als die Hälfte der Starter – scheint der Halbmarathon so etwas wie der sportliche Weckruf aus dem langen, dunklen Winter zu sein. Sie genießen es, wieder im Hellen an der frischen Luft trainieren zu können und mit dem Halbmarathon ein sportliches Ziel vor Augen zu haben. Egal ob sie 1:10 Stunden oder 3:10 Stunden benötigen. So hat der „Göteborgs Varvet“ in den vergangenen Jahren einen rasanten Aufstieg hingelegt. Die 64.500 Startplätze sind schon Monate vor dem Rennen vergriffen. Dazu kommen weitere Läufe, von Kinder- über Staffel- bis zu Trailrennen. So sind in einer Woche rund 85.000 Läufer in Göteborg auf den Beinen. „Wir sind ein Volksfest für Läufer“, sagt Rebecka Siwerz.

Das gelingt dem „Göteborgs Varvet“. Trotz der Läuferscharen, die durchs Start- und Zielgelände strömen, pendelt die Stimmung zwischen nordischer Gelassenheit und gespannter Vorfreude. Jeder findet seinen Startblock, die mit riesigen Bannern gekennzeichnet sind. Helfer bewegen die Banner langsam nach vorn. So ist jeder Läufer zur richtigen Zeit an der Startlinie. Hektik und Stress? Fehlanzeige! Wer ohne Begleitung zum Start kommt, hängt seine Tasche im Slottskogen-Park einfach in einen Baum. Tausende bunte Beutel schmücken speziell in Zielnähe die gerade frisch ergrünten Zweige. „Als ich nach meinem ersten Start davon erzählt habe, konnten es viele in meinem Verein gar nicht glauben. Aber dann haben sie’s selbst gesehen“, lacht Dennis Mehlfeld. Mittlerweile ist er so etwas wie der „Reiseleiter“ seiner Gruppe. Etwa zehn Lübecker fahren jedes Jahr nach Göteborg. Übernachtet wird immer im selben Hotel im Süden der Stadt. Die Zimmer werden am Abreisetag direkt wieder fürs kommende Jahr geblockt.

Auch die Startgebühr von umgerechnet 60 bis 65 Euro (Frühbucher-Preis) schreckt die Lübecker nicht (mehr) ab. (Eine neue Preisstufe beginnt am 1. Oktober) „In Deutschland wird man wohl kaum für einen Halbmarathon 60 Euro oder mehr zahlen. Das hat zunächst einige aus meinem Verein vom Start abgehalten. Aber es lohnt sich wirklich, weil man etwas Besonderes erlebt“, sagt Dennis Mehlfeld. Der Gewinn des „Göteborgs Varvet“ fließt übrigens komplett zurück in den Sport. Der Veranstalter ist der lokale Leichtathletik-Verband, mit dem Geld unterstützt er die Jugend-Förderung seiner Vereine. Ein anderer Teil fließt in die Unterhaltungskosten der Göteborger Leichtathletikhalle. Doch auch andere Regionen Schwedens profitieren. So rief der „Göteborgs Varvet“ in 32 schwedischen Städten regelmäßige Laufgruppen ins Leben. Darüber hinaus werden in 20 Städten Vorbereitungsläufe über 10 Kilometer ausgetragen.

Vorbei an der Poseidon-Statue Richtung Ziel

Göteborg-Halbmarathon_2016_Poseidon_VA

Dass ihr Rennen einmal in solche gigantischen Dimensionen vorstoßen würde, hätten die Gründer niemals für möglich gehalten. Bei der Premiere 1980 starteten 1800 Läufer. Binnen vier Jahren verachtfachte sich diese Zahl. Viele Schweden wollten das schaffen, was eine Sport-Legende des Landes 1982 und 1983 vollbracht hatte: Schwedens einziger Box-Weltmeister Ingemar Johansson, genannt „The Champ“, finishte 1982 und 1983 mit über 50 Jahren und 115 Kilo Körpergewicht den „Göteborgs Varvet“. Und die Erfolgsgeschichte ging weiter. Seit 2009 kommen regelmäßig mehr als 40.000 Läufer beim Halbmarathon ins Ziel. Wer kommendes Jahr am 20. Mai beim 38. „Göteborgs Varvet“ dabei sein möchte, solle sich bald anmelden. Die 64.500 Startplätze sind in der Regel schon vor Weihnachten vergriffen.

Die ersten Läufer der Startgruppe acht laufen 2016 nach etwa 1:45 Stunden beim größten Halbmarathon der Welt ins Ziel. Als der letzte Hügel geschafft ist, schweift der Blick auf die andere Straßenseite. Dort hat sich die vorletzte Startgruppe in Bewegung gesetzt. Die 21,1 Kilometer sind geschafft, aber der „Göteborgs Varvet“ ist noch lange nicht zu Ende.

Alle Infos zum Lauf und zur Anmeldung für den 20. Mai 2017 findest du hier!

Die „Göteborgs Varvet“-Woche

Göteborg-Halbmarathon_Mini-MArathon_2016VA
  • 16. Mai 2017: Trail Varvet (10,6 km), etwa 1100 Läufer
  • 17. Mai 2017: Stafett Varvet (Staffellauf 5x3,7 km), etwa 3500 Läufer
  • 19. Mai 2017: Special Varvet (für geistig gehandicapte Läufer, 2,2 oder 4,1 km), etwa 1800 Läufer
  • 20. Mai 2017: Göteborgs Varvet
  • 20. Mai 2017: City Varvet (für 14-19-Jährige, 4,3 km), etwa 800 Läufer
  • 21. Mai 2017: Lilla Varvet (für 7-13-Jährige, 1,3 und 2,4 km), etwa 14.000 Läufer
  • 20./21. Mai 2017: Mini Varvet (für 0-6-Jährige, 250 m), etwa 7000 Läufer
     

„Göteborgs Varvet“ kompakt

  • 64.500 Anmeldungen aus 77 Ländern (Frauen-Anteil: 37,1 Prozent)
  • 45.239 Finisher 2016  (207 Deutsche)
  • 4000 Helfer
  • 1.000.000 Pappbecher, 100.000 Liter Wasser , 30.000 Liter Sportdrink
  • 65.000 Bananen
  • 80.000 Schwämme
  • Durchschnittszeit: 1:54:57 h (Männer), 2:08:07 h (Frauen)
  • Startgeld: 695 Kronen (umgerechnet 75 Euro, bis 30. September)
  • Anmeldung und Infos: www.goteborgsvarvet.se

2021: Diesen Marathon gibt's nur einmal

Zur 400-Jahr-Feier Göteborgs im Jahr 2021 haben sich die Veranstalter vom „Göteborgs Varvet“ übrigens etwas ganz Besonsederes einfallen lassen: einen einzigartigen Marathon. Denn das Rennen am wird es nur einmal geben. 15.000 Startplätze gibt's für den 19. September 2021. Knapp ein Drittel davon sind übrigens schon fünf Jahre vor dem Startschuss vergeben! Weitere Infos zum Lauf und zur Anmeldung findest du hier!

Eine Stadt, ein Jubiläum, ein Marathon

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