SwimRun: Läufst du noch oder schläufst du schon?

SwimRun: Läufst du noch oder schläufst du schon?

| Text: Olaf Kaiser | Fotos: SCC Events, Andreas Schwarz

Beim SwimRun vermischen sich Schwimmen und Laufen zum „Schlaufen“: Die Teilnehmer laufen in Schwimmsachen und schwimmen mit Laufschuhen. Immer abwechselnd. Aus Schweden ist der Trend mittlerweile auch nach Deutschland geschwappt. Wir haben uns beim SwimRun in Rheinsberg umgehört, worauf es bei dieser Sportart ankommt.

Beim SwimRun vermischen sich Schwimmen und Laufen zum „Schlaufen“: Die Teilnehmer laufen in Schwimmsachen und schwimmen mit Laufschuhen. Immer abwechselnd. Aus Schweden ist der Trend mittlerweile auch nach Deutschland geschwappt. Wir haben uns beim SwimRun in Rheinsberg umgehört, worauf es bei dieser Sportart ankommt.

Die Geschichte des SwimRun beginnt dort, wo schon so viele gute Ideen ihren Anfang genommen haben: in der Kneipe. Im Spätsommer 2003 brüten vier Schweden in der Bar des Hotels „Utö Värdshus“ über einer Landkarte des Schärengartens bei Stockholm. Einer von ihnen hat die Frage aufgeworfen, wie sie wohl ohne Boot von Utö nach Sandhamn kommen könnten.

Keiner der Freunde hat eine Ahnung, wie weit die Strecke eigentlich ist und wie viele Inseln auf ihrem Weg liegen, als sie beschließen, ein Rennen zwischen den beiden Inseln zu veranstalten. Gestartet wird in Zweierteams. Vorher verabreden sie noch, dass sie unterwegs in fünf Bars einkehren und etwas trinken. Der Verlierer muss für Hotel, Essen und Getränke blechen.

Am Ende sind sie 24 Stunden unterwegs. Die Route führt über 23 Inseln. Ein Jahr später kommt es zur Revanche, dieses Mal ohne Kneipenbesuch. Und irgendwie erfährt der erfahrene Ausdauerathlet Michael Lemmel von der verrückten Idee. Er ist es, der 2006 den ersten Ö-Till-Ö (schwedisch für „Von Insel zu Insel“) organisiert, den ersten offiziellen SwimRun: 65 Kilometer Laufen an Land, zehn Kilometer Schwimmen durchs Meer, immer im Wechsel. Heute ist das Ganze zwar keine Ganztagesveranstaltung mehr – der Streckenrekord liegt bei 8:16:19 Stunden. Das Prinzip ist aber immer noch das Gleiche wie bei der feucht-fröhlichen Premiere: Man läuft in Schwimmsachen und schwimmt mit Laufschuhen.

Der legendäre Läufer Emil Zatopek, vierfacher Olympiasieger über 5000 Meter, 10.000 Meter und im Marathon, hat einmal gesagt: Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft. Beim SwimRun verschwimmen diese Grenzen. Als Schläufer werden die Teilnehmer auch bezeichnet – eine wunderbare Wortschöpfung aus Schwimmer und Läufer. Aus Skandinavien ist der Trend mittlerweile auch nach Deutschland geschwappt. Der SwimRun Rheinsberg nördlich von Berlin war 2016 die erste offizielle Veranstaltung hierzulande. Organisiert wird sie von SCC Events, die unter anderem auch für den Berlin-Marathon verantwortlich sind. Bei der dritten Auflage sind in diesem Jahr über 23 Kilometer beziehungsweise im Sprint über 11,5 Kilometer insgesamt 750 Teilnehmer am Start gewesen, so viele wie noch nie.

Ähnlich wie Triathlon – aber doch ganz anders

„Diese Sportart wird in Deutschland bald richtig groß werden“, ist sich Organisator Michael Gerlach sicher. Schon jetzt gibt es einen SwimRun Cup Deutschland mit insgesamt fünf Terminen in Rheinsberg, Hof (Saale), Ratzeburg, im Allgäu sowie in der Nähe von Aschaffenburg. „Wenn sich erst einmal mehr Vereine gegründet haben, wird die ganze Sache weiter an Fahrt aufnehmen“, meint Gerlach. Bislang existieren erst wenige SwimRun-Vereinigungen. Bei einer der ersten, die sich in Zehdenick in Brandenburg gegründet hat, ist Gerlach als Vorstand tätig.

„SwimRun macht gerade die gleiche Entwicklung durch wie Triathlon vor ein paar Jahren“, sagt der 33-Jährige, der selbst aktiv bei etlichen SwimRun-Veranstaltungen startet. Und doch wäre es falsch, die Sportart einfach nur als eine Art abgespeckten Triathlon ohne Fahrradfahren zu bezeichnen. Zum einen, weil zwischendurch keine Kleidung gewechselt wird. Zum anderen, weil sich Laufen und Schwimmen eben immer wieder abwechseln und nicht nacheinander abgespult werden, wie es bei einem klassischen Swim & Run der Fall ist. „Das hört sich vom Namen her ganz ähnlich an, ist aber etwas komplett verschiedenes“, sagt Michael Gerlach.

Im Team macht SwimRun am meisten Spaß

Traditionell wird ein SwimRun als Teamwettbewerb ausgetragen. Als die Sportart in Stockholm aus der Taufe gehoben wurde, realisierten die Gründer schnell, dass es besser wäre, wenn die Teilnehmer die 75 Kilometer und vor allem die Schwimmstrecken durch das offene Meer nicht allein bewältigen müssen. Gegenseitige Motivation und Unterstützung erhöhen zudem nicht nur den Spaßfaktor, sondern helfen auch über anstrengende Passagen hinweg. Die beiden Teilnehmer eines Teams dürfen sich während des gesamten Wettkampfes nicht weiter als zehn Meter voneinander entfernen, ansonsten droht die Disqualifikation. Bei vielen der Zweierteams sind die Sportler deshalb über eine Leine miteinander verbunden.

„Wir unterstützen uns gegenseitig“, berichten Stina Richter und Dawn Becker, die in Rheinsberg als „Waterbuddies“ gemeinsam Platz zwei in der Teamwertung der Frauen belegen. Richter ist die bessere Schwimmerin von beiden, dagegen läuft Becker an Land vorneweg. „Ich hatte vor zwei Jahren schon einmal an einem SwimRun teilgenommen und mich damals beim Schwimmen unheimlich schwer getan. Zusammen hat es dieses Mal gleich viel besser geklappt“, sagt sie. Für Stina Richter ist der Wettkampf in Rheinsberg dagegen eine Premiere. „Es ist eine tolle Kombination“, meint sie, vor allem im Sommer. „Wie oft sehnt man sich beim Laufen nach einer Erfrischung. Beim SwimRun bekommt man sie unterwegs gleich mehrfach.“

Unter den SwimRuns in Deutschland ist die Veranstaltung in Rheinsberg insofern eine Ausnahme, als dass man dort auch im Einzel antreten kann. „Wir richten uns vor allem an Breitensportler“, sagt Michael Gerlach. „Aber nicht jeder hat den passenden Partner. Dadurch, dass wir auch einen Start als Einzelsportler zulassen, bekommen noch mehr Leute die Möglichkeit, einmal einen SwimRun auszuprobieren.“ Generell sei die Eintrittsschwelle geringer als beim Triathlon, weil man sich nicht erst ein Rennrad besorgen muss.

Schloss und Seen: Wunderbare Kulisse in Rheinsberg

Zwar sind an diesem Tag auch etliche Triathleten am Start, die zumeist auch die vorderen Plätze belegen. Der überwiegende Teil der Teilnehmer sind allerdings Läufer, die eine neue Herausforderung suchen. Zum Beispiel Thomas Strandt, der bereits zum dritten Mal dabei ist, obwohl er nach eigener Aussage überhaupt nicht schwimmen kann. Das ist natürlich ein wenig übertrieben, doch tatsächlich zählt Kraulen nicht gerade zu seinen Talenten. Also schwimmt Strandt im Bruststil hinterher und hat daher umso mehr Zeit, die grandiose Kulisse am Grienericksee mit Schloss Rheinsberg im Hintergrund zu genießen. „Die Strecke ist herrlich, deshalb komme ich auch jedes Jahr wieder gern hierher“, sagt er.

Auch Heike Senger weiß schon am Start, dass die Schwimmpassagen wohl eher nicht ihre Stärke sein werden. Sie ist zum zweiten Mal dabei und erzählt lachend, dass sie ihrer Partnerin beim letzten Mal am liebsten einen wasserdichten E-Book-Reader besorgt hätte. „Damit sie sich im Wasser nicht so langweilt, wenn ich ihr mal wieder zu langsam schwimme.“ Dieses Mal startet sie zusammen mit Anthony Witt – die beiden bilden das Team „Aperol Spritz“. Witt wiederum hat vor den Laufstrecken den größeren Respekt. „Ich bin Handballer und laufe dort nur so viel wie unbedingt nötig“, sagt er. Bei einer reinen Laufveranstaltung würde er deshalb auch nicht teilnehmen. Die Abwechslung eines SwimRun hat dagegen auch ihn überzeugt

Die Angst vor den schweren Schuhen beim Schwimmen

Dass er mit nassen Schuhen laufen muss, stört Anthony Witt nicht. Tatsächlich haben die meisten Läufer damit keine Probleme. Anders sieht es mit dem Schwimmen in Laufschuhen aus. „Die größte Sorge fast aller, die zum ersten Mal an einem SwimRun teilnehmen, ist, dass sich die Schuhe vollsaugen und sie nach unten gezogen werden“, erzählt Organisator Michael Gerlach. SCC Events bietet deshalb im Vorfeld der Veranstaltung spezielle Trainingskurse an, die den Teilnehmern genau diese Angst nehmen sollen. Dort bekommen sie auch wertvolle Tipps, wie zum Beispiel, dass man auf längeren Laufpassagen gerade bei heißeren Temperaturen ruhig einmal die Badekappe abnehmen sollte, um den Kopf besser zu belüften.

Auch zur passenden Ausrüstung hat Michael Gerlach einige Hinweise. So empfiehlt er zum Beispiel den Einsatz von sogenannten Pull Buoys – das sind Schwimmhilfen aus Schaumstoff, die zwischen die Oberschenkel geklemmt werden. Die Pull Buoy verhindert das Absinken der Beine, so dass der Schwimmer keine beziehungsweise kaum Beinbewegungen mehr machen muss und sich allein durch Armbewegung fortbewegen kann. Auf diese Weise können beim Schwimmen die Beine und beim Laufen die Arme entspannt werden.

Anstrengender als reines Laufen, aber immer ein Riesenspaß

Allerdings gilt es zu bedenken, dass die Pull Buoys ebenfalls beim Laufen mitgeführt werden müssen. Gleiches gilt für die Paddles, die viele Teilnehmer verwenden, weil der Armzug dadurch noch kräftiger wird. „Man sollte sie aber nur benutzen wenn man vorher trainiert hat“, warnt Gerlach, ansonsten riskiere man eine Schulterverletzung. „Manchmal ist weniger auch mehr“, sagt er.

Dieser Meinung ist auch Grit Freiwald, eine Triathletin mit WM-Erfahrung, die in Rheinsberg ohne Paddles antritt. „Ich wüsste gar nicht, wie ich damit meine Schwimmbrille zurechtrücken sollte, falls sie zwischendurch einmal verrutscht“, sagt sie. Was die Laufschuhe angeht, rät Michael Gerlach zu einem leichten Lauf- oder Trailschuh. Idealerweise gibt das Material der Schuhe das beim Schwimmen aufgesogene Wasser an Land schnell wieder ab.

Ob man sich allerdings wirklich mit dem schicksten Modell aus dem heimischen Schuhschrank in die Fluten stürzen will, muss letztlich jeder selbst entscheiden. Und auch auf die Frage, ob man einen Neoprenanzug tragen sollte, was ohnehin nur bis zu einer Wassertemperatur von 21,9 Grad erlaubt ist, gibt es keine universale Antwort. Wichtig ist, dass man unterwegs nicht auskühlt. „Warm zu bleiben, frisst unheimlich viel Energie“, sagt Gerlach. „Das unterschätzen viele. Gerade deshalb ist ein SwimRun eben doch anstrengender als einfach nur zu laufen.“

Trotzdem steigt die Zahl derer, die diese Herausforderung annehmen, stetig. Unter den Teilnehmern des SwimRun Rheinsberg ist in diesem Jahr auch wieder Mark Milde, der Renndirektor des Berlin-Marathons, der am Ende sogar einen hervorragenden vierten Platz belegt. Seine Meinung über die einstige Schnapsidee: „Das hat einen Riesenspaß gemacht.“

Der nächste SwimRun in Rheinsberg findet am 7. Juli 2019 statt. Infos und Anmeldung unter: swimrun-rheinsberg.de