Tegla Loroupe: Vom Marathonstar zur Kämpferin gegen Armut und Gewalt

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Dass Spitzensportler einen Teil ihres Preisgelds spenden, gehört fast schon zum guten Ton. Tegla Loroupe aus Kenia gibt mehr. Jetzt wurde sie dafür geehr

Dass Spitzensportler einen Teil ihres Preisgelds spenden, gehört fast schon zum guten Ton. Tegla Loroupe aus Kenia gibt mehr. Sie tauscht Kalaschnikows gegen Laufschuhe ein, führt ein Internat für Aidswaisen und Kindersoldaten. Jetzt wurde sie für ihre Projekte geehrt.

Als erste Afrikanerin gewann Tegla Loroupe vor zwei Jahrzehnten den Marathon von New York. Dem Durchbruch am Hudson folgten Siege unter anderen in London, Hongkong, Berlin und Rom. Loroupe wurde mehrfach Weltmeisterin und hält weiterhin einige Rekorde. Jetzt kehrte sie zurück an den Start ihrer internationalen Karriere. Beim diesjährigen New-York-Marathon wurde die kleine (1,55 Meter) und zarte Kenianerin außer für die sportlichen Erfolge auch für ihr soziales Engagement ausgezeichnet.

Sie organisiert Friedensläufe in Konfliktzonen, bei denen Krieger befeindeter Stämme sich zur Teilnahme von ihren Kalaschnikows trennen müssen. In dem von ihr gegründeten und geführten Internat (Tegla Loroupe Peace Academy) im kenianischen Kapenguria bietet sie 300 verwaisten oder verstoßenen Kindern Bildung und ein Zuhause. Dort lernen frühere Kindersoldaten aus dem Süd-Sudan, Uganda und Kenia in einem Klassenzimmer. Mädchen lehrt sie, sich hohe Ziele zu setzen und für diese zu kämpfen.

Loroupe selbst wuchs mit 24 Geschwistern auf. Ihr Vater hatte vier Frauen und kein Verständnis für die Lust seiner Tochter am Laufen. Zehn Kilometer rannte sie jeden Morgen zum Unterricht und zehn wieder zurück, natürlich barfuß, wie sie der Deutschen Presse-Agentur dpa beim Gespräch in New York sagte. «Ich wollte immer besser sein als die Jungs.» Ihr Ehrgeiz und das Talent ließen sie die Grenzen der Gesellschaft sprengen, aus der sie stammt, sagt sie.

Anders als die Mehrheit afrikanischer Athleten, die sich mit ihren Einkünften ein besseres Leben leisten, kehrt Loroupe nach jedem Sieg zurück in die Heimat und kämpft dort gegen Stammesfehden, Armut, Hunger, Viehdiebstahl, Aids und die Genitalverstümmelung von Mädchen. Durch ihren Trainer Volker Wagner wurde Detmold, wie Tegla sagt, zu ihrem zweiten Zuhause. Allerdings bediente sich der deutsche Fiskus auch kräftig an dem Preisgeld, das sie in aller Welt verdiente und für ihre Projekte in Kenia verplant hatte.

"Ich kenne das Leiden der Menschen aus eigener Hand"

Derweil ernannten die Vereinten Nationen sie zur Botschafterin, zeichnete das Internationale Olympische Komitee sie aus und verlieh Kenias Präsident ihr den Doktortitel. Hilfsorganisationen wie Oxfam und Ärzte ohne Grenzen würdigten Loroupes humanitäre Arbeit wiederholt.

«Mein Vorteil ist, dass ich das Leiden der Menschen in umkämpften Gebieten aus eigener Hand kenne», sagt die heute 42-Jährige. Das unterscheidet sie von Spitzensportlern wie David Beckham, André Agassi und Roger Federer, die ebenfalls einen Teil ihrer Einkünfte in Hilfsprojekte investieren. Loroupe wirbt inzwischen mehr mit ihrem Namen als mit neuen Rekorden für Frieden und soziale Gerechtigkeit. Die Idee ihrer Friedensläufe hat sich mittlerweile auch in Europa durchgesetzt.

Für ihr Hauptanliegen in der Heimat, das Internat in Kapenguria, wünscht sich Loroupe mehr Lehrkräfte, darunter auch einen Deutschlehrer, sowie Lehrmittel und weitere Schlafsäle. Die Jungen ihrer Schule müssen sich derzeit noch zwischen Banken und Tischen zur Ruhe legen.