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Für ihr Lebenswerk geehrt
Uta Pippig schrieb in Berlin, New York und Boston Marathon-Geschichte

| von Jörg Wenig

Uta Pippig gewann in den 90er-Jahre die Marathons in Boston und New York. In Berlin triumphierte sie 1990 beim ersten Marathon durch West- und Ost. Jetzt wurde sie für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Hier stellen wir Läuferinnen und Läufer vor, die während und nach ihrer leistungssportlichen Karriere ganz Besonderes für den Laufsport erreicht haben und dafür von German Road Races und laufen.de mit einem jährlichen Award für ihr sportliches Lebenswerk ausgezeichnet wurden. 2021 erhält diesen Preis Uta Pippig, die in den 90er-Jahren die großen Marathonrennen in Berlin, Boston und New York gewann. In Boston gelang ihr 1994, 1995 und 1996 ein Hattrick, den sie mit dem Sieg bei der 100. Auflage 1996 krönte.

Uta Pippig hat während ihrer Karriere Marathon-Siege gefeiert, die aus unterschiedlichsten Gründen geschichtsträchtig waren und zog so auch international eine große mediale Aufmerksamkeit auf sich. 1990 triumphierte sie in Berlin beim ersten Rennen durch Ost und West, 1993 sorgte sie für den ersten deutschen Sieg beim New York-Marathon und 1996 gewann sie den 100. Boston-Marathon. Zweimal joggte sie mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton am Weißen Haus in Washington. Mit ihrer lockeren, sympathischen und offenen aber nie überheblichen Art gewann Uta Pippig viele Fans und hat sicherlich etliche Menschen zum Laufsport gebracht.

1965 in Leipzig geboren, ist Uta Pippig in Petershagen, einem kleinen Vorort östlich von Berlin, aufgewachsen. Dort begann sie mit der Leichtathletik. Laufen machte ihr am meisten Spaß, doch ihr Talent blieb auch im DDR-Sportsystem lange unentdeckt. Beim Ost-Berliner TSC wollte man sie nicht, so ging Uta Pippig zum ASK Potsdam. Dort wurde 1986 Dieter Hogen ihr Trainer.

Von den Marathonläufen in Boston, New York, London oder West-Berlin konnten die beiden damals nur träumen, auch alle anderen Anträge auf Startgenehmigungen für ausländische Läufe wurden vom DDR-Verband abgelehnt. In den zwei Jahren vor der Wende arrangierten sich Uta Pippig und Dieter Hogen so gut es ging mit der Situation, um zumindest ihre eigenen, auf Uta Pippig zugeschnittenen Trainingsziele zu verfolgen. „Das war eine wahre Herausforderung“, erinnert sich die Läuferin an die späten 1980er-Jahre in Ostdeutschland.

Der Fall der Mauer war für Uta Pippig und Dieter Hogen, damals auch privat liiert, dann wie eine Befreiung und für die Läuferin gleichzeitig der Start für eine Weltklasse-Karriere. Nun konnten sie endlich alles alleine bestimmen – das Training, die Wettkampfplanung, Uta Pippigs Medizinstudium und was noch alles dazu gehört, um sich als Athletin auf den Weg Richtung internationale Klasse zu machen. Unmittelbar nach der Wende gingen die beiden zunächst für ein Jahr nach Stuttgart, um dann wieder nach Berlin zurückzukehren und fortan für den SCC Berlin zu starten. Bereits 1990 stellte Uta Pippig bundesdeutsche Rekorde über 5000 Meter, 10.000 Meter und im Marathon auf. Sie wurde Dritte in Boston und gewann den historischen Berlin-Marathon, der erstmals durch das Brandenburger Tor führte und weltweite Aufmerksamkeit erlangte.

1990: Sieg beim unvergesslichen ersten Marathon durch das endlich nicht mehr geteilte Berlin

„Dieses Rennen ist natürlich unvergesslich“, erinnert sich Uta Pippig heute an den Marathon, der Ende September 1990 drei Tage vor der deutschen Wiedervereinigung stattfand. „Mit den vielen Lauffreunden aus Ost und West und den Zuschauern an der Strecke war es wie ein Lauf in die Freiheit. Das Wir-Gefühl war unbeschreiblich. Davon hätte ich zwölf Monate vorher nicht einmal zu träumen gewagt.“ Nach einem siebten Platz im olympischen 10.000-Meter-Finale von Barcelona gewann Uta Pippig 1992 zum zweiten Mal den Berlin-Marathon.

1993: Dem ersten Sieg einer Deutschen in New York folgten drei Siege in Boston

Ein noch deutlich spektakulärerer Triumph gelang ihr ein Jahr später: Gut zweieinhalb Monate nachdem sie sich bei den Weltmeisterschaften 1993 in Stuttgart im 10.000-m-Finale mit Rang neun hatte zufriedengeben müssen, stürmte sie überraschend zum Sieg beim New York-Marathon. Bis heute ist Uta Pippig die einzige Deutsche, der bei dem legendären Marathon-Spektakel ein Sieg gelang.

Im Frühjahr 1994 sorgte Uta Pippig beim Boston-Marathon für eine Sensation. Sie gewann das hochkarätige Rennen mit einem Streckenrekord von 2:21:45 Stunden und der zu diesem Zeitpunkt drittschnellsten je gelaufenen Zeit. Dies war damals auch ein deutscher Rekord. Mit Siegen in Boston 1995 und1996 schaffte sie einen Hattrick beim ältesten City-Marathon der Welt, was vorher noch keiner anderen Frau gelungen war. Zweimal (1994 und 1995) wurde sie nach ihren Boston-Triumphen gemeinsam mit den anderen Siegern des Rennens (Läufer und Rollstuhlfahrer) von Bill Clinton ins Weiße Haus eingeladen, um mit dem damaligen US-Präsidenten durch die angrenzenden Parkanlagen zu joggen.

25 Jahre später erinnert sie sich vor allem an die dramatische 100. Auflage des Boston-Marathon von 1996 als wäre die gestern gewesen. „Die Erinnerungen an diesen Lauf und die Begeisterung der Menschen sind noch relativ frisch. Ich muss sie nur anknipsen“, sagt sie über das Rennen, in das sie mit einer Top-Form gestartet war, aber nach einigen Kilometern Magenprobleme bekommen hatte. „Ich hatte einen ziemlich großen Rückstand auf die Kenianerin Tegla Loroupe, wollte nicht aufgeben, wollte diesen Lauf unbedingt gewinnen, habe die Schmerzen so gut es ging ignoriert und dann nach einer langen Aufholjagd zum dritten Mal gewonnen“, sagt Uta Pippig.

Mit drei Siegen in der Hall of Fame des BMW Berlin-Marathons

Nicht nur in Boston sondern auch in ihrer Heimatstadt Berlin gelangen Uta Pippig, die bis 1994 parallel zum Hochleistungssport auch Medizin studierte, drei Marathon-Siege. 1990, 1992 und 1995 gewann sie in der deutschen Hauptstadt. Nach ihrem zweiten Sieg beim Berlin-Marathon 1992 blieb Uta Pippig über diese Strecke fast vier Jahre lang unbezwungen. Ausgerechnet bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta riss die Erfolgsserie jedoch. Verletzungsbedingt musste sie das Rennen aufgeben. 1994 und 1995 war Uta Pippig mit ihren jeweiligen Zeiten sowohl im Halbmarathon als auch im Marathon die Nummer eins in der Jahresweltbestenliste.

Nach ihrem Boston-Triumph 1996 kam Uta Pippig nicht mehr an ihre besten Leistungen heran. 20 Jahre nach diesem legendären Sieg, lief sie als 50-Jährige nochmals diesen Klassiker. Ohne besondere Vorbereitung joggte Uta Pippig nach 3:38:40 Stunden ins Ziel. „Es war wie eine Zeitreise von heute in die Vergangenheit und wieder zurück. Ich habe das Lachen und die Zurufe gehört. Die Begeisterung war unglaublich und alles war top organisiert“, erzählte Uta Pippig 2016.

Heute lebt die 56-jährige Uta Pippig, die auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, hauptsächlich in Boulder (US-Bundesstaat Colorado) und leitet von dort aus ihre Stiftung „Take The Magic Step”. Diese von ihr gegründete Initiative hat es sich zum Ziel gesetzt, Menschen auch mit Hilfe des Laufsports zu einem gesünderen Lebensstil zu führen. „Take The Magic Step” engagiert sich zudem stark im karitativen Bereich, vor allem bei der Unterstützung von unterprivilegierten Kindern.

Mehr dazu liest du in einem Interview, das wir anlässlich der Auszeichnung für ihr sportliches Lebenswerk durch German Road Races und laufen.de 2021 mit Uta Pippig geführt haben.