Christian Kreienbühl: Von St. Moritz über Berlin nach Rio

| Martin Neumann I Fotos: Strava/Antton Miettinen
Das Leben von Christian Kreienbühl ist auf ein klares Ziel ausgerichtet: den Olympia-Start 2016 in Rio. Die Norm von 2:14 Stunden will der Schweizer beim

St. Moritz ist ein herrliches Plätzchen Erde. Nicht nur im Winter, wenn die Skigebiete locken. Nein, auch im Sommer. Dann trifft man dort auf rund 1800 Metern Höhe viele der besten Langstreckenläufer der Welt. Zuletzt bereitete sich in der Schweizer Höhe mit Arne Gabius Deutschlands bester Langstreckler auf den WM-Start über 10.000 Meter in Peking und den Frankfurt-Marathon Ende Oktober vor. Auch der Regensburger Philipp Pflieger feilt dort momentan an seiner Form für den Berlin-Marathon am 27. September. Dort wird er – wie in St. Moritz – auf Christian Kreienbühl treffen. Der 34-Jährige bereitet sich ebenfalls in der Höhe auf das Rennen in der deutschen Hauptstadt vor. Wie Pflieger hat er dort ein Ziel: die Olympia-Norm für Rio zu unterbieten. Der Schweizer muss dafür mindestens glatte 2:14 Stunden laufen. Seine Bestzeit – aufgestellt vor drei Jahren in Berlin – ist 85 Sekunden langsamer. Zwei Sekunden pro Kilometer muss er also schneller laufen als bei seinem besten bisherigen Marathon.

Dass es Ende September für den Schweizer um Sekunden und die Olympia-Qualifikation geht, war in seinem Lebensentwurf eigentlich gar nicht vorgesehen. Zwar war er in der Jugend ein guter Läufer, doch von 2001 bis 2006 hängte er während des Studiums die Laufschuhe an den Nagel. Die Initialzündung Richtung Leistungssport kam ein Jahr später. „Da habe ich den Zürich-Marathon mit nur 640 Trainingskilometern in sieben Monaten nach 2:46 Stunden gefinisht“, schaut der Schweizer zurück und muss dabei lachen. Solche Umfänge läuft er heute in drei Wochen. 2011, mit der Heim-EM drei Jahre darauf in Zürich im Blick, reduzierte er seine Arbeitszeit auf 70 Prozent, heute sind es noch 50 Prozent. Bei der EM in Zürich lief Kreienbühl vergangenen August auf einer schwierigen Strecke nach 2:18:36 Stunden als 23. ins Ziel. „Das war ein Rennen mit Dauergänsehaut. Bei Kilometer 37 lagen wir noch knapp hinter Team-Bronze. Im Ziel hatten wir dann die Italiener knapp überholt“, denkt Kreienbühl gern ans „EM-Heimspiel“ zurück.

Der Spätstarter hat gute Erinnerungen an Berlin: „Ich bin dort meine Bestzeiten im Marathon und Halbmarathon gelaufen. Gern denke ich an den Lauf 2012 zurück. Es war mein erstes Rennen im Elitefeld und ich bin die zweite Hälfte schneller gelaufen als die erste. Ich habe danach die After-Run-Party mit Jan Fitschen, der ja auch Bestzeit gelaufen ist, sehr genossen.“ Am Berlin-Marathon schätzt er die schnelle Strecke und die Ausgeglichenheit auch in der zweiten Reihe hinter den ganz schnellen Afrikanern: „Es wird einige Läufer geben, die in meinem Leistungsbereich liegen. Da kann man während des Rennen gegenseitig voneinander profitieren.“

Auf der anderen Seite können auch Freizeitläufer von Christian Kreienbühl profitieren. Er stellt nämlich jedes Training auf der Online-Seite Strava ein. Rund 1200 Läufer folgen ihm auf der Social-Media-Plattform. „Es gibt zwei Punkte, die mich an Strava begeistern. Erstens bietet die Plattform eine tolle Auswertung und grafische Darstellung meiner Trainings. So habe ich mein Trainingstagebuch jederzeit in übersichtlicher Form bei mir. Andererseits ist das Tool auch ein soziales Netzwerk. Ich verfolge die Läufer meiner Trainingspartner oder Konkurrenten. So kann ich in die Trainingsphilosophie von anderen eintauchen. Darüber hinaus beantworte ich gern Fragen meiner Follower.“ Ganz nebenbei werden bei Strava auch spezielle Rennen um Streckenrekorde ausgetragen. Der prestigeträchtigste Streckenrekord des Schweizers ist ein 800-Meter-Abschnitt durch die Züricher Innenstadt.

Im Marathon-Training sind momentan andere Einheiten gefragt. So plant Kreienbühl noch einen 40 Kilometer langen, gesteigerten Longrun. Sein Lieblingstraining ist allerdings ein anderes, der Crescendo-Lauf: 20 Minuten locker, 20 Minuten schnell, 20 Minuten Marathon-Pace, 20 Minuten auslaufen. Solche Einheiten absolviert er häufig mit dem Schweizer Youngster Adrian Lehmann und Marathon-Ass Tadesse Abraham, der schon 2:07:45 Stunden gelaufen ist. Ganz so schnell muss Christian Kreienbühl am 27. September in Berlin nicht unterwegs sein. Läuft er sechs Minuten langsamer, löst er immer noch das Olympia-Ticket für Rio. Ob das dem Läufer vom TV Oerlikon gelungen ist, werden seine Follower schon kurz nach dem Zieleinlauf erfahren – wenn er den Berlin-Marathon hochgeladen hat.

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