© AdobeStock/Lars Zahner

Erkältet trainieren
Warum Sport mit Infekt für das Herz so gefährlich ist

Viele meinen, Training bei Schnupfen sei kein Problem. Erkältung? Kann man wegtrainieren. Ist die Warnung vor möglichen lebensbedrohlichen Folgen durch Training mit einer Erkältung also Panikmache?

Keineswegs. Sagt unser Experte Dr. Matthias Marquardt und verrät dir hier, welche Maßnahmen helfen, Infekte so zu überwinden, dass du schnell wieder fit fürs Laufen bist.

Der Sportler in der Sprechstunde wirkt unruhig. Er sei in der Marathonvorbereitung. Wolle in vier Wochen einen neue Bestzeit aufstellen. Jetzt sei er erkältet. Er fürchte um die Früchte des intensiven Trainings der letzten Monate. Er hätte sein Training daher einfach fortgesetzt. Jetzt verspüre er Stiche in der Brust, fühle sich abgeschlagen und habe Angst vor einer Herzmuskelentzündung. Das ist nicht der Alltag in meinem Berufsleben – aber es kommt vor!

Viele Sportler haben schon einmal gehört, dass Training mit Infekt gefährlich werden kann. Herzmuskel- oder Herzklappenentzündungen können theoretisch die Folge sein. Theoretisch? Ja, theoretisch. Denn die Praxis sieht so aus: Viele Sportler trainieren mit einer Erkältung einfach weiter, ohne danach tot umzufallen oder eine schwere Herzerkrankung davon zu tragen. Da drängt sich natürlich die Frage auf, ob viele Mediziner die Gefahr dieses möglichen, aber unwahrscheinlichen Horror-Szenarios etwas übertrieben darstellen.

Die Krux mit der Statistik

Zahlen und Studien können helfen, wenn man die Relevanz eines Problems nicht überblicken kann. Allerdings wissen wir nicht einmal, wie häufig Herzmuskelentzündungen in der sportlich inaktiven Bevölkerung sind, weil der Großteil der Infektionen unbemerkt im Rahmen leichter Infekte abläuft. Man geht davon aus, dass 1 bis 5 Prozent aller Virusinfekte mit einer Herzbeteiligung einhergehen – bei sportlich Inaktiven wohlgemerkt.

Wie oft ein seriöses Training mit Infektzeichen zu ernsten Komplikationen führt, ist noch schwerer zu ermitteln. Studien zu diesem Thema sind kaum zu erwarten: Wer würde schon freiwillig mit 38,9 Grad Fieber bei schwerer Rachenmandelentzündung ein intensives Training durchführen und sich einer Kontrollgruppe gegenüberstellen lassen, die genau dies nicht tut? Ein solches Studiendesign würde keine Ethikkommission genehmigen.

Wenn aber belastbare Zahlen fehlen, dann greifen wir auf unser Erfahrungswissen zurück. Der Sportler sagt: Ich kenne keinen, der nach dem Training mit einer Erkältung zu Schaden kam. So schlimm ist das doch alles nicht. Anders der Arzt: Er sieht die seltenen Fälle, in denen es schief geht. Ich persönlich erinnere mich zum Beispiel an einen jungen Mann, der mit massiven Herzproblemen auf die kardiologische Intensivstation kam. Der Grund war eine akute Herzklappenentzündung, die er sich nach Training mit Infekt eingehandelt hatte.

Ob genauere Daten bei der Risikoabschätzung wirklich etwas ändern würden? Wohl kaum. Unser Gehirn ist nur bedingt in der Lage, sehr geringe Risiken und Wahrscheinlichkeiten klug zu verarbeiten. Ob die Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften Herzmuskelentzündung nach Training mit Infekt nun bei 0,01 oder bei 0,1 Prozent liegt, würde für unsere Schlussfolgerungen wahrscheinlich keinen Unterschied machen. Unser Gehirn kann auf der Basis solcher Werte keine sinnvollen Entscheidungen treffen und so werden wir wie gehabt auf Erfahrungswissen zurückgreifen. Der Sportler, der noch nie eine Herzmuskelentzündung erlebt hat, sagt: Passt schon. Der Arzt, der die Gefahr kennt, sagt trotz der kleinen Wahrscheinlichkeit: Bloß nicht! Helfen kann allein Aufklärung und der Appell an die Vernunft.

© AdobeStock/Vadim Guzhva

Die Verursacher: Viren und Bakterien

Herzmuskelentzündungen werden meist durch Viren verursacht. Besonders häufig sind Enteroviren und Coxsackie B-Viren. Aber auch andere Viren wie das Coxsackie-A-Virus, ECHO-Viren, Parvovirus B19, Adenoviren, Influenzaviren und Mumpsviren können die gefürchtete Erkrankung auslösen. Und hinter einigen dieser kryptischen Namen verbergen sich typische Erkältungsviren. So zum Beispiel die Coxsackie, Entero-, ECHO- und Influenzaviren. Bakterien sind dagegen bei Menschen ohne Grunderkrankungen nur selten der Auslöser einer Herzmuskelentzündung.

Anders sieht das bei der Herzklappenentzündung aus: In diesem Fall sind quasi ausnahmslos Bakterien die Krankheitsauslöser. Streptokokken, Staphylokokken, Enterokokken und Enterobakterien sind hier besonders zu nennen. Streptokokken deshalb, weil sie ein typischer Auslöser von Mandelentzündungen (Tonsillitis) sind – allerdings sind Mandelentzündungen in etwa 80 Prozent der Fälle viralen Ursprungs.

Wie du siehst, wirst du bei Husten und Schnupfen mit großer Wahrscheinlichkeit von Viren oder Bakterien heimgesucht, die dem Herz durchaus gefährlich werden können. Und wir wissen bereits, dass 1 bis 5 Prozent der Virusinfekte das Herz heimsuchen. Wenn du jetzt zu dem Schluss kommst, dass du mit Schnupfen besser nicht mehr laufen gehen solltest, würde ich das begrüßen.

Aber warum erleiden dann so wenige Sportler ernste Schäden, wenn Sie erkältet trainieren? Erfreulicherweise kann das Immunsystem Infekte meist doch unter Kontrolle halten kann. Schließlich ist das Herz, wenn man die Statistik umdreht, ja in 95 bis 99 Prozente der Infekte nicht beteiligt und wenn doch, dann sind die Auswirkungen oft nur sehr gering und bleiben meist sogar unbemerkt. Klar ist aber, dass das Immunsystem durch Training in jedem Falle weiter geschwächt wird. Und dass sich das Risiko, sich eine schwerwiegende Herzmuskel- oder Herzklappenentzündung einzufangen, definitiv erhöht. Training bei Infekt - es bleibt ein Spiel mit dem Feuer!

Der eingangs erwähnte Sportler in meiner Praxis wirkte auf mich übrigens gar nicht krank. Ich habe ihn untersucht und nichts gefunden. Kein Fieber, Lunge und Rachen unauffällig. Aber er beklagte diese Schwäche, das Erkältungsgefühl und Brustschmerzen. Letzteres bilden sich Sportler, das muss man wissen, häufig ein, aber hier tat Abklärung Not: Also EKG und Herzenzym-Schnelltest. Beides war unauffällig. So dass ich dem Sportler nach zwei bis drei Tagen Pause den Wiedereinstieg ins Training empfahl. Voraussetzung: Er fühlt sich gut. Wir nahmen aber sicherheitshalber Blut ab. Ich staunte nicht schlecht: Die Entzündungswerte waren trotz des unauffälligen Untersuchungsbefunds deutlich erhöht. Die Leukozyten (weiße Blutkörperchen) auch. Es folgte eine zweiwöchige Trainingspause. Die Bestzeit verpasste mein Patient. Aber er ist unversehrt und wird sich nächstes Jahr verbessern – da bin ich mir sicher.

Einmal und nie wieder

Unser Experte Dr. Matthias Marquardt ist das Risiko der Kombination von Sport und Infekt ein einziges Mal in seinem Leben eingegangen. Und das sagt er dazu: „Ich würde auf keinen Fall ein Antibiotikum wegen eines banalen Infekts einnehmen. Und ich habe bei Infekten bis auf eine Ausnahme immer Trainingspausen eingelegt, um meinen eigenen Maßstäben gerecht zu werden. Die Ausnahme trug sich nach meiner Leistungssportzeit zu. Ich war Assistenzarzt. Eine Entschuldigung für mein Fehlverhalten habe ich also nicht: Ich wusste genau, was ich tat. Ein Kollege fädelte ein, dass ich am Klimmzugcontest eines bekannten Ruderclubs teilnehmen durfte. Diese Ehre wurde außer mir keinem „Externen“ zuteil. Ich war elektrisiert und trainierte monatelang wie ein Affe an der Reckstange. Meine Arme platzten und ich wollte dabei sein, wenn 20 Ruderer in den Ausscheidungskampf vor einer grölenden Menge gehen. Freier Oberkörper und Goldstaub inklusive. Alles Blödsinn, aber ich war jung und in der Klimmzugform meines Lebens. Einen Tag vorher kam die Erkältung. Solche Situationen sind der Nährboden für große Fehler. Ich habe – das einzige Mal in meinem Leben – Grippostad eingenommen und ging an den Start. Achter Platz als Außenseiter nach 196 Klimmzügen. Es war ein unbeschreibliches Erlebnis. Ich bin gesund geblieben. Gott sei Dank! Ich würde es so nicht wieder tun. Das Leben ist zu kostbar.“

Darum sind Antibiotika bei Erkältungen fast immer Unfug

  • 90 Prozent aller Infekte sind viral. Das gilt übrigens unabhängig von der Farbe des Schleims. Die Mär vom grünen Schleim und seiner bakteriellen Herkunft wird immer noch verbreitet, ist aber falsch. Gegen Viren können Antibiotika nichts ausrichten, sie sind nur gegen Bakterien wirksam. Sie werden also mehr schaden als nutzen.
  • Die wenigen bakteriellen Infekte kann dein Immunsystem ebenfalls fast immer selbst erfolgreich bekämpfen.
  • Antibiotika verändern deine Darmflora und weil dort Immunzellen geprägt werden, machen sie dich anfälliger für Infekte.
  • Auch bei Nasennebenhöhlenentzündungen helfen Nasendusche und andere Maßnahmen besser als Antibiotika.

Diese Maßnahmen helfen dir, Infekte zu überwinden:

  • Trainingspause
  • Vitamin C, 4 x 1000 mg am Tag
  • Zink, 3 x 10 mg am Tag
  • Warmhalten, Teetrinken
  • Nasendusche, Zungenschaber verwenden
  • Inhalieren
  • Pflanzliche Arzneimittel
  • Nebenhöhlen: Sinupret
  • Husten: Soledum und ACC
  • Bei Fieber, Schnupfen und schlaflosen Nächten: Ibuprofen und Nasenspray (Otriven) bei Bedarf

Diese Medikamente solltest du nicht nehmen

Verzichte auf Aufputschmittel wie zum Beispiel Wick Daymed oder Grippostad. Diese Medikamente enthalten Schmerzmittel (ASS, Paracetamol), Fiebersenker (ASS, Paracetamol), Hustenstiller (Dextrometorphan) und Adrenalinabkömmlinge (Pseudoepinephrin, Phenylpropanolamin), die die Schleimhäute abschwellen. Durch fühlst du dich stärker, als du eigentlich bist. Sie sind deshalb ein Türöffner für eine Herzmuskel- oder Herzklappenentzündungen.

Bei diesen Warnzeichen solltest du nicht tranieren

  • Fieber (vor der Wiederaufnahme des Trainings solltest du drei Tage fieberfrei sein)
  • Husten mit Auswurf
  • Halsschmerzen, insbesondere mit eitrigen Belägen der Rachenmandeln
  • um mehr als acht Schläge pro Minute erhöhter Ruhepuls (dafür muss man natürlich seinen Ausgangswert kennen)
  • Trainingsunlust
  • jegliches Krankheitsgefühl (Mattigkeit, unangemessene Erschöpfung, leichtes Schwitzen oder Frösteln, schwere Beine)

Du hast trotz Infekt trainiert und fühlst dich nicht gut?

Folgende, teilweise sehr unspezifische Symptome weisen auf eine Herzmuskelentzündung hin:

  • Müdigkeit
  • Herzstolpern
  • Unwohlsein
  • Fieber
  • Luftnot
  • Brustschmerzen
  • Herzrhythmusstörungen
  • Herzschwäche

Die weitere Diagnostik muss durch einen Arzt erfolgen. EKG, Blutentnahme (Entzündungswerte, Herzenzyme, gegebenenfalls Virusnachweis), Herzultraschall, MRT und Probenentnahmen mittels Herzkatheter sind die üblichen Untersuchungsmethoden. Übrigens geht ausgeprägten Herzmuskelentzündungen in etwa 60 Prozent der Fälle ein viraler Erkältungsinfekt der Atemwege voraus.

Herzklappenentzündungen verursachen ebenfalls eher unspe­zi­fische Beschwerden. In einigen Fällen finden sich aber auch typische Zeichen:

  • ungeklärtes Fieber, das kommt und geht
  • Schwäche und Gelenkschmerzen
  • Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Nachtschweiß
  • Herzschwäche
  • Hautzeichen wie schmerzhafte rötliche Knötchen der Finger
  • Einblutungen im Bereich der Handfläche oder Fußsohle

Der Arzt findet im EKG Störungen der Erregungsausbreitung und im Blutbild einen Anstieg der Entzündungszeichen (CRP) sowie eine Blutarmut. Der Nachweis von Bakterien im Blut gelingt nicht immer. Beweisend sind Wucherungen auf den Herzklappen, die mitunter im gewöhnlichen Herzultraschall, oft aber nur im Herzultraschall über die Speisröhre („Schluckecho“) zu sehen sind.